Südafrika

Rasende Rhythmen aus Soweto

Eine südafrikanische Flagge, aufgenommen in Port Elizabeth, Südafrika
Eine südafrikanische Flagge, aufgenommen in Port Elizabeth, Südafrika © picture alliance / dpa
Von Kerstin Poppendieck · 02.09.2014
Shangaan Electro, so nennt sich eine Tanzszene aus Südafrika, die traditionelle Tanz- und Musikstile des Landes mit zeitgenössischen Musikgenres wie Kwaito und House vermischt. Kopf dieser Bewegung ist der Musikproduzent und Entertainer Nozinja aus Soweto.
"Ich heiße Nozinja. Ich komme aus Soweto in Südafrika. Aufgewachsen bin ich in Giani in der Provinz Limpopo. Shangaan Electro ist eine sehr schnelle Musik. Ursprünglich war das nicht so. Unsere Vorfahren waren langsam. Aber die junge Generation heute bewegt sich schnell. Wenn wir tanzen sind wir glücklich. Los geht’s, laßt uns tanzen – schnell tanzen."

Richard Mthetwa, wie Nozinja mit bürgerlichem Namen heißt, hat sich in Soweto ein wahres Shangaan-Electro Reich aufgebaut. Der Mittvierziger singt, produziert, desingt die CD-Cover und vermarktet seine Musik selbt. Die bekannteste Shangaan Electro Band sind die Tshe-Tsha Boys, in der seine Söhne und deren Freunde spielen. Aber auch Nozinjas Frau ist mit dabei. Im Sommer veranstaltet Nozinja regelmäßig Open-Air Parties in Soweto, bei denen sich neue Künstler vorstellen können. Tausende Fans kommen zu diesen Parties. Das erste Shangaan Electro Album hat Nozinja 2003 veröffentlicht. Seitdem sind über 20 Alben dazugekommen. Den internationalen Durchbruch hatte er vor fünf Jahren dank des Internets.

"Youtube. Mein erstes Video hab ich dort hochgeladen und Boom, jeder mochte es. Danach kam jemand aus den USA, ein Journalist. Und er meinte, er würde mir helfen, einen Agenten zu finden und meine Musik international bekannt zu machen. Und so war´s dann. Wir haben überall in Europa gespielt: Frankreich, Großbritannien, Österreich, Finnland, Polen, Dänemark, Schottland, Irland, Australien, Schweiz, Schweden, Niederlande, Belgien. Schau hier, mein Reisepass ist voll. Hier, alles Visa. Ich bin überall aufgetreten."
Musik und Tanz ist dem Volk der Shangaan wichtig
Fast 20 Jahre hat Nozinja Handys repariert. Dann hatte er die Idee, die traditionelle Musik seiner Heimat Limpopo für das 21. Jahrhundert zu bearbeiten. Limpopo ist eine Provinz im Norden Südafrikas, neben dem Krügernationalpark. Die Menschen dort gehören zum Volk der Shangaan. Sie führen einfache, traditionelle Leben. Musik und Tanz ist in ihrer Kultur sehr wichtig.

"Die Musik gab es schon immer. Es ist unsere traditionelle Musik. Wir sind damit aufgewachsen. Traditionellerweise wurde zu den Tänzen getrommelt. Später kamen noch Gitarren dazu. Ich hab die Gitarren und den Bass weggelassen und habe dafür Marimba-Klänge vom Keyboard eingebaut und die Geschwindigkeit angezogen. So einfach.

Auf Grund der Geschwindigkeit, kann man die Musik mit nichts vergleichen, da sind wir einzigartig. Wir haben etwas völlig neues erfunden. Ich bin mir sicher, dass es Menschen gibt, die versuchen werden, uns zu kopieren. Aber bisher ist Shangaan Electro einzigartig."

Das Tempo von Shangaan Electro ist unglaublich schnell. Die traditionelle Musik der Shangaan hat eine Geschwindigkeit von 120 Schlägen pro Minute. Bei Shangaan Electro sind es 190. Teilweise wird auch der Gesang elektronisch so beschleunigt, dass es klingt, als würden Alvin und die Chipmunks singen.
Texte sind im Shangaan Electro nicht so wichtig
Die Modernisierung der traditionellen Klänge gefällt aber nicht allen. Vor allem die älteren Musiker der Shangaan-Tradition kritisieren den neuen Trend. Die Texte hätten keine Botschaften mehr und wären bedeutungslos, sagen sie. In den traditionellen Texten gehe es darum, Menschen Hilfestellungen in schwierigen Lebenssituationen zu geben, Aufzuklären und zu motivieren. Texte sind im Shangaan Electro nicht so wichtig. Hier geht es um den Klang, den Rhythmus und vor allem den Tanz. Die Bewegungen sind zuckend. Ein Bein steht auf der Stelle, das Andere dreht und stampft im Rhythmus. Die Tänzerinnen lassen ihre Hüften und den Hintern in einer beeindruckenden Geschwindigkeit kreisen, die Männer springen immer wieder in die Hocke und tanzen mit nach unten gebeugtem Oberkörper.

"Für die Leute zu Hause ist meine Musik wie eine Nationalhymne. Sie läuft einfach überall. Egal, ob man in die Trinkhallen geht oder sonstwohin, überall hört man Shangaan Electro. In meiner Kultur bin ich ein Megastar. Ich bin vielleicht noch nicht so groß hier in Europa. Aber in meiner Heimat bin ich ein Star, keiner traut sich, mir zu nahe zu kommen. Jeder will gerade Shangaan Electro machen. Ich hab einfach jeden angesteckt. Wer Musik machen will, macht Shangaan."

Damon Albarn hat 2010 eine Compilation mit Shangaan Electro von Nozinja veröffentlicht. Seitdem ist der Südafrikaner international gefragt, spielt auf Festivals und in Clubs in Europa und den USA. Es ist die hypnotische Mischung aus traditionellen afrikanischen Klängen und der elektronischen Musik des 21. Jahrhunderts, warum die Menschen so begeistert sind von seiner Musik – vermutet Nozinja. Er ist stolz auf sich und auf das, was er geschaffen hat.

"Ich habe die Art, wie Menschen Shangaan Musik wahrnehmen, verändert. Ich habe das gesamte Paket revolutioniert. Ich habe es so verändert, dass ich heute sagen kann, ja, ich bin stolz, Shangaan zu sein. Und so ist es auch mit neuen Künstlern. Jeder ist heute stolz darauf, Shangaan zu sein, dank meiner Musik."