Sängerin Balbina

Grüblerische Goldfische

Die Sängerin Balbina bei der Verleihung des Musikpreises Echo 2015.
Die Sängerin Balbina bei der Verleihung des Musikpreises Echo 2015. © picture alliance / dpa / Jörg Carstensen
Von Jutta Petermann · 22.04.2015
Die 31-jährige Sängerin und Texterin Balbina wurde vom "Spiegel" und "Rolling Stone" mit viel Vorschusslorbeeren bedacht und gilt als die neue deutsche Pop-Hoffnung. Ihr Album "Über das Grübeln" besticht durch metaphorische Texte und eine tief-dunkle Stimme.
Musik: "Ich zerbrech' mir echt den Kopf er geht kaputt, kaputt, wie ein Blumentopf, der vom Balkon fällt, er geht kaputt, kaputt ..."
Balbina: "Ich frage mich immer, warum sind wir da und warum passieren Dinge, warum gibt es Zeit, warum wird man geboren, was ist die Aufgabe und ich habe das Gefühl, das der Alltag uns Lösungen gibt und so Analogien im Kleinen und ich beobachte deswegen alltägliche Dinge."
Grübeln und Schreiben, am liebsten über die alleralltäglichsten Sachen, das macht Balbina schon, seit sie acht Jahre alt ist. Balbina Jagielska heißt die knapp 32-jährige Musikerin mit vollständigem Namen, geboren in Warschau, aufgewachsen in Rudow, dem südlichsten Ortsteil des Berliner Bezirks Neukölln.
Kindlicher Blick auf die Welt
Musik: "Oh nein, der Wecker war zu leise und jetzt hab ich leider Jahre verschlafen, ich bin doch von gestern, wo sind meine Eltern ..."
Ein fantasievoller, kindlicher Blick auf die Welt, das ist fast sowas wie der rote Faden in Balbinas Songs. Wie sich der mit der manchmal harten und unschönen Realität bricht, die Balbina ganz beiläufig als weitere Ebene in ihre Texte einzieht, das sorgt fast schon für gruselige Gänsehautmomente.
Die zwölf Songs auf dem Album "Über das Grübeln" sind eine Art Zwischenwelt, angesiedelt dort, wo "Toy Story" existiert oder auch "Alice im Wunderland". Dass sie als Mädchen Märchen verschlungen hat, glaubt man Balbina aufs Wort.
Musik: "Das Ist ist jetzt schon vorbei erklingt das J im Jetzt ist es schon längst vorbei, denn Zeit läuft immer weiter und weiter, Zeit bleib mal kurz stehen, Du hast viel erlebt, komm nimm Platz und ruh Dich aus neben mir auf der Couch, ich nehm auch die Batterien aus der Uhr raus, versprochen, versprochen ..."
Ihre eigene Aufmachung gleicht einer avantgardistischen Puppe. Auf dem Cover und den Videos zum Album sieht man sie mit sehr schlichten, meist weißen, futuristischen Kleidern der Designerin Susann Bosslau, die dunklen langen Haare oft zum Dutt geknotet. Sie lächelt nie.
Musik: "Goldfisch Du und ich, wir haben was gemeinsam, wir beide sind einfach vergesslich, nur ich glänz nicht so schön wie Du, nur ich glänz nicht so schön wie Du…"
Wie eine Figur aus ihren Fantasiewelten
So zurechtgemacht scheint Balbina selbst wie eine Figur aus ihren Fantasiewelten, weshalb auch die Geschichte, wie sie zu ihrem ungewöhnlichen Namen gekommen ist, nicht weiter überrascht.
Balbina: "Meine Mutter hat mich nach einer Zeichenfigur benannt, weil es gab in Polen sowas wie das Sandmännchen und da gab es eine Geschichte, mit einer kleinen Gans, die hieß Balbina, und meine Mama fand die furchtbar süß."
Dass die kleine Gans und sie selbst also auch nach einer christlichen Märtyrerin aus Rom benannt wurde, erfährt Balbina erst viel später. Als Heranwachsende hört sie viel HipHop und Rap, allerdings die lyrischere Variante. Leute wie Prinz Pi oder Justus Jonas sind ihre Idole, weil sie eher dichten als texten.
"Ich hab viel Gedichte gelesen und von Jahr zu Jahr begriffen, wieviel man mit einem Wort eigentlich anfangen kann, wieviel Bedeutungen das hat und wie man das zusammenfügen kann und wieder auseinander, was es bewirkt, wenn man bestimmte Reimstrukturen hat, was vier Zeilen auslösen können. Und ich wollte das unbedingt auch können und hab das geübt bis zum geht nicht mehr, und jetzt sehe ich das quasi als meine Hauptaufgabe an."
Musik: "Ich hör dem Meer zu, ich hör nicht mehr zu, Was Was Was Was Was - Wasser, Wasser ..."
Balbinas Pop ist anmutig, getragen, manchmal regelrecht bombastisch und dann natürlich auch immer wieder verspielt.
Musik: "Ich weiß nicht was ich will , ich weiß nicht was ich will ... ... Pfanne oder Topf Hose oder Rock, Igel oder Zopf, ich weiss nicht was ich will ..."
Androgyne Stimme
Sie komponiert gemeinsam mit dem studierten Jazz-Saxofonisten und Multiinstrumentalisten Nikolas Rebscher. Balbina kommt mit dem fertigen Text ins Studio, hat Melodie und Atmosphäre im Kopf, und dann machen sie sich gemeinsam ans Vertonen der Worte, die sie mit irritierend androgyner Stimme vorträgt. Jahrelang auf Volumen trainiert im eigenen Badezimmer zu Liedern von Whitney Houston.
Musik: "Kuckuck ist da jemand, Kuckuck ist da jemand da, unter den ganzen Lagen, lagert da was drunter oder lagern darunter nur andere Lagen?"
Balbina: "Ich hab das von Natur aus so bekommen, das ich sehr, sehr tief singen kann und das nutze ich einfach aus. Ich versuche darüber meine Gefühle zu transportieren und gleichzeitig kann ich auch sehr hoch singen und ich mag den Effekt von ganz unten nach ganz oben zu kommen und den Leuten was zu hören zu geben, was es so noch nicht gibt."