Sachbuch "Revolution oder Evolution"

Banken sind Zombies

Eine Schauspielerin ist als Zombie verkleidet im Rahmen einer Promoaktion für "The Walking Dead".
Ein Zombie? Oder doch eher ein untotes Kreditinstitut? Bei Sedláček und Graeber verschwimmen die Grenzen. © TIM SLOAN / AFP
Von Susanne Billig · 02.02.2015
Roman Chlupatý bringt in "Revolution oder Evolution" die beiden Kapitalismuskritiker Tomáš Sedláček und David Graeber zu einem Streitgespräch zusammen. Das zeigt einen Querschnitt ihres Denkens - in oftmals drastischem Vokabular.
Wuchtig treten sie auf, die Kapitelüberschriften des neuen Buches von Tomáš Sedláček und David Graeber: "Das Regime verändern, das Regime stürzen" - "Chaos und homo oeconomicus" - "Du bist Schuld, und zu Schuld kehrst du zurück". Der Journalist Roman Chlupatý hat die beiden prominenten Kapitalismuskritiker und Bestsellerautoren zusammengeführt und präsentiert das Ergebnis der Gesprächsrunde nun unter dem Titel "Revolution oder Evolution - Das Ende des Kapitalismus?".
Umfassende ökonomische und kulturwissenschaftliche Abhandlungen sind auf schmalen 144 Seiten nicht zu erwarten, dennoch gelingt es Interviewer Roman Chlupatý mit präzisen und klugen Fragen, seine Protagonisten immer wieder ins Herz ihrer Thesen zu lenken und im Laufe des Buches einen guten Querschnitt ihres Denkens sichtbar werden zu lassen.
Kreaturenarsenal eines Horror-B-Pictures
In Zombies hätten sich die größten Institutionen des Kapitalismus, die Banken, verwandelt, erklärt David Graeber radikal und metaphernstark, wie man es von ihm gewohnt ist. Nun sind die Banken abhängig von einst als sozialistisch gebrandmarkten Gemeinwohl-Geldern, den Steuereinnahmen. Wie in einem staatlich kontrollierten Krankenhaus hält man Finanzinstitute am Leben - doch nachts streifen sie draußen umher und fressen weiterhin alles auf, was ihnen in die Finger gerät.
Untote, Vampire, Klone, Wiedergänger - mit Freude lässt sich auch Sparringspartner Tomáš Sedláček auf Vokabular und Kreaturenarsenal des Horror-B-Pictures ein, um die Dynamik des Spätkapitalismus zu versinnbildlichen. Doch während David Graeber nach Wegen sucht, die menschenfressende Horrorgestalt für immer ins Reich der Toten zu stoßen und das Wirtschaftssystem grundsätzlich zu überwinden, schlägt Tomáš Sedláček mildere Töne an.
Alle Institutionen unserer Gesellschaft - auch Banken, Welthandelsorganisation, große Konzerne - seien menschengemacht und darum auch von Menschen moralisch zu verantworten, unterstreicht er. Es gehe darum, die Illusion eines neutralen, naturgesetzlichen Marktes zu verabschieden und Wirtschaft wie Wirtschaftswissenschaften wieder die Seele ethischer Werte und menschlichen Maßes einzuhauchen.
Eine leichte Einführung in das Denken der beiden
Zu spüren, mit welcher Begeisterung die beiden Querdenker einander zu immer neuen Assoziationsketten und Perspektiven inspirieren, macht einen großen Teil des Lesevergnügens an diesem Buch aus. Rasante Schnitte von ökonomischen Theorien zur Popkultur, vom internationalen Kreditwesen zur antiken Tragödie, vom Kettensägenmassaker zur Debatte um die 35-Stunden-Woche sind Markenzeichen beider Autoren - und auch hier machen sie ihrem Ruf alle Ehre.
Da fällt es am Ende wenig ins Gewicht, dass der Interviewer sein im Vorwort gegebenes Versprechen einer kontroversen Diskussion nur halb einlösen kann. Unterschiede werden wenig ausgeleuchtet, zu freundlich bleiben die Fragen von Roman Chlupatý, zu harmonisch pflichten die Gesprächspartner einander bei. Wer aber eine leichte Einführung in das Denken von Tomáš Sedláček und David Graeber sucht, der ist mit diesem Buch wunderbar bedient.
Tomáš Sedláček, David Graeber, Roman Chlupatý: "Revolution oder Evolution - Das Ende des Kapitalismus?"
übersetzt von Hans Freundl
Hanser Verlag
144 Seiten, 15,90 Euro
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