Ryan Carniaux' neues Album

Sofort ins Flügelhorn verliebt

Ein Flügelhorn
Am Tag vor der Aufnahme seiner neuen CD hat sich Ryan Carnaux ein Flügelhorn gekauft. © dpa / picture alliance / Patrick Pleul
Von Jan Tengeler · 27.04.2015
Ursprünglich kam er der Liebe wegen nach Deutschland. Fast zehn Jahre später hat sich der New Yorker Jazz-Musiker Ryan Carniaux in der gesamten europäischen Szene einen Namen gemacht. Auf seinem neuen Album ist er, eigentlich Trompeter, fast nur auf dem Flügelhorn zu hören. Auch das hat mit Liebe zu tun.
"Ich bin nach Europa gekommen wegen meiner Frau. Aber es war entspannter hier, es gibt die Künstlersozialkasse, viel Förderung für Musiker, viele Clubs, die zahlen ein bisschen Gage, und auch weniger Wettbewerb. In Boston sind zwei der größten Musikschulen der USA und die ganzen Lehrenden haben die gut bezahlten Jazzgigs. Als junger Student spielt man für zehn Dollar und muss dann die Biere bezahlen, das kostet neun Dollar. (lacht) Man konnte viel spielen und Spaß haben, aber nicht mit Jazz den Lebensunterhalt verdienen."
Wie das Leben so spielt: Wegen der Liebe ist Ryan Carniaux nach Deutschland gekommen - nur um schnell festzustellen, dass es auch um den Jazz gar nicht so schlecht bestellt ist im Alten Europa. Dabei ist es ja nicht die Musik selbst, sondern es sind die Sozialsysteme, die es einem hierzulande leichter machen, sich kreativ zu entfalten.
Wahrhaft multikulturelle Besetzung
"Wir haben das GB, general buisiness bands, genannt. Das ist Hochzeit, Corporate Entertainment. Ich war fest in einer Band, wir haben fünf Nächte die Woche gespielt, Top 40 Hits, so was. In Boston gab es eine große Szene, ich hab als junger Mann gut Geld verdient. Aber als Trompeter ist es anstrengend, wir haben drei bis vier Sets gespielt. Das ist anstrengend für Lippen und Muskulatur, man konnte nicht den ganzen Tag üben und abends den Gig spielen. Mein Herz schlägt für Jazz und improvisierte Musik und ich habe gemerkt, ich konnte nicht beides machen. "
Der 34-jährige Ryan Carniaux stammt aus New York, mit zwölf hat er angefangen, Trompete zu spielen und schon mit 14 bekam er ein Stipendium für das renommierte Berklee College of Music in Boston. Dort sei er nicht wie ein Schüler, sondern wie eine gleichberechtigte Person in verschiedene Musikwelten eingeführt worden. Zu vielen seiner Mitstudenten hält er bis heute Kontakt, zum Beispiel weil sie in seiner Band spielen. Sein derzeitiges Quintett sei eine wahrhaft multikulturelle Besetzung mit Musikern aus Frankreich, Palästina, den Niederlanden und der Schweiz - eine wilde Mischung, sei das, so der Musiker.
"Aber das funktioniert, das finde ich sehr spannend: Wir kommen zusammen und kommunizieren in die Musik und für mich ist das fast das Wichtigste. Leute, die verschiedene Meinungen haben und die zusammenkommen und dann kommunizieren, das bringt die Musik nach vorne."
Sehr entspannte Einspielung im Modern-Jazz-Stil
Als besonderer Gast ist Wolfgang Lackerschmid auf der neuen CD von Ryan Carniaux zu hören. Der Vibrafonist hat das Album auch produziert. Die beiden arbeiten fast schon so lange zusammen, wie Carniaux in Deutschland lebt. Bei der Komposition "5 years ago" schließt sich für Lackerschmid auch der Kreis zu einem anderen amerikanischen Trompeter, mit dem er einst spielte.
"Ich kenn' Wolfgang durch seine Aufnahmen mit Chat Baker und wir haben ein Stück aufgenommen: '5 years ago'. Das hat er mit Chat im Duo aufgenommen und ich habe das Stück immer geliebt und jetzt haben wir die Quintettversion aufgenommen. Ich hatte ein bisschen Angst, Chat Baker ist heiliger Grund für Trompeter. Aber es war so ein magischer Take, das war ein special moment. Für mich ist es cool, mit ihm zu arbeiten; auch diese Klangfarbe zwischen Vibrafon und Trompete, das hört man auch in Duo-Aufnahmen ,die zwei Sounds ergänzen sich sehr gut."
"Never leave your baggage unattended" – die neue CD von Ryan Carniaux ist eine sehr entspannte Einspielung im Modern-Jazz-Stil, sie lebt von ihrer unprätentiösen Virtuosität und vom Klangreichtum. Carniaux, eigentlich Trompeter, ist hier übrigens nur auf dem Flügelhorn zu hören. Nicht nur, weil das gut zu den Stücken passe, so der Musiker, sondern auch, weil er am Tag vor den Aufnahmen das Instrument neu gekauft und sich sofort darin verliebt habe. Die Liebe zum Instrument und zur Musik gibt der gebürtige US-Amerikaner seit kurzem übrigens auch als Professor für Trompete an der Folkwang Hochschule in Essen weiter.