Reihe "Swinging London"

Es wird psychedelisch

Lichteffekte in bunten Farben
Alles so schön bunt hier... © picture-alliance/ dpa / Felix Hörhager
Von Robert Rotifer · 21.04.2016
Mitte der 60er-Jahre ändert sich die Drogenkultur im Swinging London: Die Amphetamine, die nächtelanges Tanzen ermöglichten, werden abgelöst von purem LSD. Die Energie des Speed trifft auf den Bewusstseinsschock der psychedelischen Erfahrung.
"Bitte hilf mir, ich verliere den Verstand, alles dreht sich". Es ist 1966, laut "Time Magazine" ist London offiziell Swinging, und die Mod-Band Johns Children veröffentlicht als ihre Debüt-Single die Vertonung einer drogeninduzierten Panikattacke.
Der Titel dieses Songs, "Smashed Blocked" zitierte den unter Mods gängigen Slang für die Effekte jener Pharmazeutika, die sie einnahmen, um Nächte durchfeiern zu können. Pillen, die sie euphemistisch nach ihrem Aussehen benannten: Purple Hearts, Blues oder Black Bombers.
Doch bis 1966 hat das frenetische High schon seine dunklen Seiten offenbart. In seiner Single "The London Boys" beschreibt ein junger David Bowie die Nebenwirkungen: Bei deiner ersten Pille fühlst du dich ein bisschen seltsam, singt er, dir ist richtig schlecht, aber es wäre eine Schande, dir was anmerken zu lassen, unter London Boys.
Gegen Ende des Songs ist Bowies London Boy bereits tief in die Depression abgerutscht. Kein Wunder, dass sich Swinging London von der aufreibenden Wahnwelt des Speed abwendet. An deren Stelle trifft es auf die nach außen gekehrte Innenwelt des Lysergic Acid Diethylamide, kurz LSD.

Auch die Beatles waren auf LSD

Pop-Historiker Jon Savage erinnert sich an ein Gespräch, dass er einmal mit dem verstorbenen Presse-Agenten der Beatles, Derek Taylor, führte:
"Derek Taylor sagte mir etwas Faszinierendes: Als er 1964 mit den Beatles auf Tour war, ging es um scharfe Anzüge, schlanke Krawatten, Whisky Cola, Speed und große Steaks. 1965 kamen plötzlich neue Drogen und mit ihnen Rauleder und Rollkragen. Man trank nicht mehr so viel, und die Idee, sich dem Showbusiness anzudienen, wurde den Spießern überlassen. Die Beatles, die Stones und Dylan, die drei einflussreichsten Acts der weißen Popkultur hatten alle LSD genommen und machten jetzt LSD Musik."
"Rain", eine B-Seite der Beatles, verlässt die nüchterne Welt der Normalität. Und die Entfremdung war durchaus gegenseitig. Joe Boyd, dessen UFO Club damals Schauplatz so mancher Trip-Erfahrungen war, bekam das im Umgang mit den Behörden direkt zu spüren.
"Am Anfang von 1966 dachten die Leute, das wäre alles sehr amüsant, Swinging London, ein bisschen Drogen, ein bisschen Dope und Black Bombers. Aber als die Beatles im Frühling '67 offen sagten, dass sie LSD nahmen, und die Polizei Razzien gegen die Stones durchführte, sah das Establishment die soziale Ordnung ernsthaft bedroht."

Erweitertes musikalische Bewusstsein

Ende 1966 wurde in Großbritannien der Gebrauch von LSD verboten. Die transformierende Wirkung der Droge war allerdings - zumindest im Pop der Zeit - nicht mehr umzukehren. Das einmal erweiterte musikalische Bewusstsein ließ sich nicht mehr verengen. Peter Daltrey von der psychedelischen Band "Kaleidoscope" schrieb seine Songs auch ganz ohne Drogen, also, fast ohne.
"Wir haben uns überhaupt nicht auf Drogen eingelassen, vielleicht ein paar Purple Hearts und Gras, aber kein LSD. Die Leute glauben immer, man muss high sein, um solche Songs zu schreiben. Keineswegs, man muss sich nur hinsetzen und Bilder in sich wachrufen. Obwohl: Vielleicht hätten wir dann noch seltsamere Musik gemacht und wären erfolgreicher gewesen."