Porträt Amnon Weinstein

Violinen der Hoffnung

Geigenbauer Amnon Weinstein mit einer von ihm restaurierten Violine bei der Ausstellung "Violins of Hope" in Monaco.
Geigenbauer Amnon Weinstein mit einer von ihm restaurierten Violine bei der Ausstellung "Violins of Hope" in Monaco. © picture alliance / dpa / Cyril Dodergny
Von Blanka Weber · 18.11.2016
Amnon Weinstein bringt Geigen wieder zum Klingen, die Holocaust-Opfern gehörten. Dafür erhielt der Geigenbauer die Ernst-Cramer-Medaille - im kommenden Jahr wird er das Bundesverdienstkreuz für seine Arbeit in Empfang nehmen dürfen.
Es ist eine Werkstatt wie aus dem vorigen Jahrhundert. Nur, dass es heute eine Klimaanlage gibt, die ununterbrochen rattert und dass Amnon Weinstein im modernen Tel Aviv lebt, in einer kleinen Nebenstraße hinter den großen, turbulenten Boulevards.
Amnon Weinstein schraubt an einem Teil, dass später den Saiten einer Geige Halt geben soll. Seine Kästen und Kistchen, Tüten und Schachteln - bilden einen eigenen Kosmos in den Räumen, wo heute dutzende Geigen in Reihen an der Zimmerdecke hängen.
Die Geigen, denen er neues Leben einhaucht, stammen meist aus der Sammlung seines Vaters, ein Geigenbauer, der 1938 aus Osteuropa geflohen war.
Amnon: "Und all die jüdischen Menschen, die hierher kamen - so wie mein Vater - die wussten, hier gibt's einfach nichts. Andere brachten damals Geigen mit. Aber als wir 1945 erstmal die ganze Katastrophe verstanden hatten und jeder - jeder in Israel Familienmitglieder verloren hatte, so wie meine Familie, da wollte niemand auch nur irgendetwas aus Deutschland haben."

Jüdische Musiker waren beste Kunden

Nicht einmal die alten Geigen. Jene Instrumente, die Amnons Vater zu sammeln begann, waren meistens aus deutschen Werkstätten. Die jüdischen Musiker waren dort - bis 1938 - die besten Kunden.
Wer konnte, nahm sein Instrument mit auf die Flucht, nicht selten bis nach Israel. Aber - auf Instrumenten mit dieser Herkunft - mochte kaum jemand mehr spielen.
"Viele, die irgendwann in Sicherheit waren, nahmen die Geige, stellten sie irgendwo hin, sie wollten sich nicht mal berühren, nicht sehen nicht mal darüber sprechen. Denn wer zum Beispiel in Auschwitz im Orchester spielen musste - sah alles: wie am alle zur Arbeit gingen, am Abend die Häftlinge zurückkamen. Das Orchester hatte zu spielen, auch, als die Toten gebracht wurden."
Amnon erinnert sich an manch ein Gespräch, das er als kleiner Junge in der Werkstatt seines Vaters gehört hatte:
"Das sagte ein Mann: 'Wenn du diese Geige nicht kaufst, mache ich sie einfach kaputt.' - Und so kaufte mein Vater jede Geige auf, bis eine riesige Sammlung aus deutschen Geigen entstand. Aber auch ich konnte diese nicht anrühren."

Violinen unter Staubschichten

So lagen diese Violinen Jahrzehnte in Regalen, schlummerten unter Staubschichten, denn niemand wollte sie haben, kaufen oder gar spielen. Irgendwann wurde Amnon Weinstein klar: die Instrumente müssen wieder klingen und die Geschichte der einstigen Besitzer erzählen.
"Nach zwei Jahren habe ich mich überwunden und angefangen. Ich habe andere gefragt, ob sie mir ihre kaputten Violinen auch bringen möchten? Und dann kam eine Geige, eine zweite, dritte, ... immer mehr - ich glaube 73, 74 haben wir jetzt - aus Israel, Amerika, England, - überallher. Denn Überlebende kamen nicht nur nach Israel, sie gingen in die USA, nach Kanada."
Es war der Start des Projektes: "Violins of hope" - Geigen der Hoffnung. Stück für Stück restaurierte Amnon die alten Instrumente und leiht sie heute weltweit für Konzerte aus. Er hält Vorträge über seine Arbeit und wirbt für die 'alten Kästen' mit der großen Geschichte:
"Der Ton ist unterschiedlich, eine Barockvioline klingt anders als eine spätere, aber es ist der selbe Klang - Diese 6 Millionen Menschen, die im Holocaust umkamen und wir - wir haben den gleichen Klang in unseren Ohren - für jene war es der letzte, für uns ist es die Hoffnung. Und das ist wichtig. Und den Holcoust - so mit der Musik zu verstehen - ist leichter."
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