Pop im US-Wahlkampf

"Mut zur Wut"

Jay Z und Beyoncé bei einem gemeinsamen Konzert
Beyoncé docke sich an radikale Positionen an, und zwar stärker als ihr Mann Jay Z. Das meint Fabian Wolff. © picture alliance / dpa
Fabian Wolff im Gespräch mit Carsten Rochow · 11.07.2016
Der Wahlkampf in den USA tobt, die Gewalt eskaliert und wie reagieren die amerikanischen Popstars? Viele hätten sich während der Amtszeit von Barack Obama politisiert, sagt Fabian Wolff. Der Musikkritiker nennt Beyoncé als herausragendes Beispiel, spart aber nicht mit Kritik.
In den vergangenen Tagen haben sich immer wieder bekannte Künstler politisch zu Wort gemeldet. Der Anlass: Die eskalierende Polizeigewalt in mehreren Städten in den USA und die Ermordung von fünf Polizisten in Dallas. Nicht nur Superstar Jay Z, auch der eher für Herzschmerzsongs bekannte kanadische Rapper Drake hat sich geäußert.
Hat sich während der vergangenen Jahre nur die Art geredet, wie sich Künstler zu gesellschaftlichen Themen äußern? Oder hat sich har die Musik selbst verändert, sogar politisiert?

"Wunsch nach Veränderung"

"Obama hat, bei aller Enttäuschung, trotzdem wieder den Wunsch nach Veränderung geweckt", sagt der Musikkritiker Fabian Wolff im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur, "und das drückt sich auch in der Musik aus." Vor allem im Hip Hop und im R'n'B beobachte er "einen Mut zur Wut".
Politisiert habe sich auch das Auftreten der Popstars, besonders bemerkenswert sei R'n'B-Superstar Beyoncé:
"Beyoncé ist spannend, weil sie, sogar mehr als ihr Mann Jay-Z, sich glaubhaft an Positionen andockt, die als radikal gelten. Zum Beispiel tritt sie vor riesigen Leuchtbuchstaben auf, die "Feminist" buchstabieren, oder lässt ihre Tänzerinnen Berets wie von den Black Panthers tragen."

Kritik an Beyoncé ist unerwünscht

Problematisch sei, dass die moralischen Widersprüche von Ikonen, wie etwa Beyoncé, erst gar nicht thematisiert werden dürften. Sie verdiene Millionen und lasse ihre Pullover wie alle unter miesen Bedingungen in Bangladesh herstellen - als aber genau diese Punkte von der Kulturkritikerin Bell Hooks angeprangert wurden, sei diese dafür bespottet worden:
"Sie wurde als altgestrige Feministin ein wenig abgetan. Etwas drastisch gesprochen wird Beyoncé so verehrt, wie früher Könige verehrt wurden - und da gibt es eben auch keine duldbare Kritik."
Bemerkenswert sei der Erfolg von Künstlern, die politische Konflikte ganz direkt benennen. In dem Album "Hopelessness" der Sängerin Anohni - früher Antony Hegarty von Antony & The Johnsons - geht es unter anderem um die Inhaftierung der Whistleblowerin Chelsea Manning, den Drohnenkrieg und die NSA. "In den USA wurde das Album sehr positiv aufgenommen", sagte Fabian Wolff, "eben auch wegen dieser Direktheit und weil Anohni damit ein Thema aufgreift, das erst noch ins Bewusstsein rückt."

In der Themenwoche zur US-Präsidentschaftswahl geht es vom 11. bis 17. Juli um den Traum und die Wirklichkeit der amerikanischen Gesellschaft. Mit den Nominierungsparteitagen der Demokraten und Republikaner steigt die US-Präsidentschaftswahl in ihre heiße Phase ein. Deutschlandradio Kultur berichtet eine Woche lang über ein gespaltenes Land im Wahlkampfendspurt. Alle Beiträge finden Sie auf einem Portal zum Hören und Nachlesen.

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