Opfer der Sparpolitik

Musikkultur in Griechenland kämpft ums Überleben

Ein Straßenmusiker am Keyboard vor einem Graffiti: zu sehen eine Schere und der Satz "Cut the dept. IMF go home"
Ein Straßenmusiker am Keyboard vor einem Graffiti: zu sehen eine Schere und der Satz "Cut the dept. IMF go home" © AFP / LOUISA GOULIAMAKI
Von Philipp Quiring · 27.02.2015
Auch das Musikleben in Griechenland leidet unter dem Schuldenabbau. Junge Musiker können ihre Ausbildung nicht mehr bezahlen, Orchester überleben nur durch Spenden von Privatiers. Die Situation ist so schlimm, dass viele Musiker das Land verlassen.
"Die musikalische Ausbildung in Griechenland im Moment ist in Wirklichkeit viel besser, als ich weg aus Griechenland gegangen bin."
So Konstantia Gourzi. Nachdem die griechische Komponistin und Dirigentin ihre Heimat verlassen hatte, hat sich die Kulturlandschaft in Griechenland in den letzten rund 30 Jahren zunächst sehr positiv entwickelt. Für die Ausbildung griechischer Musiker wurden Konservatorien eingeführt und die Möglichkeit eingerichtet auch an Universitäten Musik studieren zu können.
Zudem wurde 1991 das Konzerthaus in Athen gebaut und ein Rundfunkorchester aufgebaut. Konstantia Gourzi fand während dieser Zeit in Deutschland ihr Glück. In Berlin setzte sie sich für die Förderung zeitgenössischer Musik ein, gründete das Ensemble "attacca berlin" und übernahm später das "ensemble echo". Von Berlin aus zog es Gourzi weiter nach München. Als Professorin lehrt sie bis heute an der Hochschule für Musik und Theater München und gründete zudem das "ensemble oktopus für musik der moderne". Eine Reise, während der sie sich auf die Suche nach ihrer kompositorischen Sprache begab.
"Im Laufe der Jahre war es mir klar und dringend, dringend, dringend notwendig, dass wenn ich mit dem Publikum aufrichtig sein möchte und wenn ich mit dem Publikum kommunizieren möchte, dann soll ich eine individuelle Sprache entwickeln und dass diese Sprache zu finden, ist der Weg oder die Kombination oder die Frage: wie verbinde ich meine Wurzeln, meine griechischen Wurzeln mit dem was ich gelernt habe in Deutschland."
Die griechische Finanzkrise führte zu drastischen Einschnitten auch im griechischen Kulturleben in vielerlei Hinsicht. Zunächst ist es vielen jungen Menschen nicht mehr möglich sich das Musik-Studium in Griechenland zu leisten und auf professioneller Ebene an ihrer musikalischen und persönlichen künstlerischen Entwicklung zu arbeiten. Die Gründe hierfür liegen weniger direkt auf der politischen Ebene, sondern vielmehr an den persönlichen Einschnitten und Folgen im privaten, familiären wirtschaftlichen Bereich sowie im Ausbildungssystem.
"Die Krise hat diese Rolle gespielt, dass natürlich für viele Eltern nicht wirklich möglich war, eine Ausbildung zu zahlen, weil auch die Leute bezahlen für die musikalische Ausbildung, also man muss zum Konservatorium erst mal gehen, das wird bezahlt und dann später in die Universität, dann wird es nicht bezahlt. Aber bis dahin muss das Studium bezahlt werden."
Viele Studenten versuchen im Ausland ihr Glück
Die Konsequenz ist, dass es weniger Musikstudenten gibt und viele über Stipendien versuchen im Ausland zu studieren. Welche Folgen dies langfristig für Griechenland und die griechischen Orchester haben wird, bleibt abzuwarten.
Das Rundfunkorchester hat zur Zeit ohnehin andere Probleme. In den letzten 20 bis 25 Jahren wurde es mühsam aufgebaut, ehe dann 2013 der brutale Einschnitt erfolgte. Der Rundfunk und das Orchester wurden geschlossen und die Musiker entlassen. Seit einem Dreivierteljahr wird das Orchester nun neu aufgebaut, allerdings unter erschwerten Bedingungen auch für die Musiker. Feste Verträge gibt es nicht mehr. Nach rund vier gespielten Konzerten pro Monat, bekommen die Musiker ihr Gehalt – im Idealfall. Eine Wiederbelebung mit starken Einschnitten, die allerdings nicht dem Einsatz der Politik zu verdanken ist.
"Ich muss sagen, dass dieses Orchester, dieses neue Rundfunkorchester ist aufgebaut, weil da paar Menschen hinter waren und sie haben sich bemüht, das Orchester noch mal aufzubauen und nicht die Politik mit Bewusstsein. Und natürlich die großen Defizite wegen der Krise sind, dass die Orchester auch sehr wenig Geld bekommen mit dem Ergebnis, dass die Orchester etwas planen und dann ein oder zwei Monate später sagen: wir haben Ihnen zu viel versprochen, aber jetzt, das Geld können wir denen nicht geben. Und viele Programm dann fallen aus oder man muss mit sehr viel Fantasie improvisieren und sehr viele Elastizität im Geist improvisieren.
Wie können wir weitergehen ohne aufzugeben und trotzdem weiter Musik zu spielen und da muss ich sagen, dass ich einen großen Respekt vor all meinen griechischen Kollegen habe, weil sie trotz Krisen, trotz, trotz, trotz allem auch umsonst Musik zu machen. Sie versuchen das Herz und die Seele aktiv musikalisch zu behalten und das ist nicht selbstverständlich."
Trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten bringt Griechenland weiterhin jährlich neue Musiker hervor. Pflegt so gut wie möglich die Musikkultur. Schwer haben es jedoch zeitgenössische Komponisten. Für sie gibt es in Griechenland wenig berufliche Perspektiven. Ein paar kleinere Ensembles, das Rundfunkorchester und staatliche Orchester stellen die wenigen Plattformen dar, die das kompositorische Schaffen zumindest in Auszügen abbilden. Komponistin Konstantia Gourzi hofft, dass sich mit der Mentalität der Griechen und durch die Wahl des neuen Ministerpräsidenten Tsipras daran für die Zukunft etwas ändert.
"Also wenn die Taten von heute bewusst sind, dann glaube ich, gibt es ein bisschen Zukunft! Solange die Taten von heute nicht bewusst sind, dann gibt es auch keine bessere Zukunft! Ich glaube und ich will eigentlich hoffen, dass die jetzige griechische Regierung ein Bewusstsein für die Kultur hat, so dass sie nicht die Kultur von Griechenland einschlafen lassen. Das wird sowieso nicht passieren, weil das Herz und die Seele der Griechen und von jedem Griechen sehr stark, das wird nicht passieren. Aber ich habe mehr Hoffnung, als ich bis jetzt Hoffnung hatte."
Oper als Symbol für das Volk
Der Bedarf und der Wunsch nach einem breitgefächerten Musik- und Kulturleben scheint auch in Zeiten der Krise vorhanden! Die Oper in Athen ist nahezu immer ausverkauft und wurde mehr und mehr zu einem Symbol für das Volk, was auch an der extrovertierten Marketingstrategie liegt. Konzerte werden überall gespielt: auf der Straße, im Hafen und in kleinen Dörfern – mit möglichst abwechslungsreichen Programmen.
Auch das innovative Programm des Neuen Konzerthauses am Puls der Zeit mit modernen Performances und Tanzprojekten stößt in Athen auf große Nachfrage. Die Veranstaltungen sind zu 90 Prozent ausgelastet. Eine Nachfrage von der der ein oder andere Konzertveranstalter in Deutschland nur träumen kann.
Deutschland der reiche Geldgeber, Griechenland der arme Bettler: in Zeiten in denen medial und politisch diese zwei Bilder gezeichnet werden, sind die Menschen beider Nationen sich kulturell und geistig sehr nah. Für die griechische Komponistin und Dirigentin Konstantia Gourzi sind seit ihrer Auswanderung 1987 eh beide Kulturen zu ihrer Heimat und Inspirationsquelle geworden.
"Mittlerweile fühle ich, dass egal wo ich wohne, Griechenland habe ich in meinem Herzen. Natürlich, wenn ich in Griechenland bin, ist als ob ich die Batterie vollmache. Und München und Deutschland ist nah zu Griechenland auch geografisch und auch, obwohl die Kulturen unterschiedlich sind, aber die Art des Denkens finde ich in vielerlei Hinsicht auch sehr ähnlich und warum? Weil viele Deutsche haben eine klare Linie des Denkens und genauso wie für mich der Grieche sein soll, mit der alte griechische Erziehung, wenn man Altgriechisch liest, man spürt eine Erfrischung im Geist und das hat schon eine geistige Klarheit: Was der Mensch mit seinem Bewusstsein und seinen Gedanken danach macht, ist eine individuelle Angelegenheit, aber die Klarheit und Gedanken finde ich in beiden Kulturen sehr ähnlich."
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