New Fall Festival Düsseldorf

Popmusik in Kirchen und Museen

Die britische Rapperin, Lyrikerin und Romanautorin Kate Tempest
War auch beim New Fall Festival dabei: Kate Tempest. © Neil Gavin
Von Chrissy Adamus · 31.10.2016
Das just zu Ende gegangene New Fall Festival in Düsseldorf bringt Popmusik an ungewöhnliche Orte: Kirchen, Kammermusiksäle und Museen. Das Bühnenhafte dieser Konzerte inklusive Bestuhlung ist für manche Künstler durchaus eine Herausforderung.
"Ich war es einfach satt, Popmusik, die mich geprägt hat, nur auf Festivals, open air, im Regen, ganz spät abends zu sehen. Und mir ging's darum, der qualitativ hochwertigen Popmusik auch einen Rahmen zu geben, den sie verdient hat. Nämlich gehobene Häuser, wo normalerweise Popmusik gar nicht zu Hause ist, also klassische Häuser, wo normalerweise Kammermusik stattfindet und mittlerweile sind wir in vielen Off-Locations, zu denen die Menschen normalerweise gar keinen Zugang haben."
Mit den "Locations, zu denen Menschen normalerweise keinen Zugang haben", meint Festivalleiter Hamed Shahi zum Beispiel die Johanneskirche, die größte evangelische Kirche im Herzen von Düsseldorf. Dort hat die dänische Musikerin Agnes Obel am Freitag und Samstag gleich zwei grandiose Konzerte gespielt. Beide übrigens lange zuvor ausverkauft.
Das New Fall Festival ist ein Festival für Menschen, die keine Festivals mögen, zu alt dafür geworden sind oder es einfach zu schätzen wissen, weder stundenlang draußen rumstehen noch sich mit dem Wetter rumschlagen zu müssen.
Hamed Shahi: "Menschen die mitten im Leben stehen, die morgens um 8 Uhr an ihrem Schreibtisch sitzen müssen und nicht einfach eine ganze Festivalsaison durchrocken können, aber trotzdem nicht auf ein urbanes, hochkulturelles Leben verzichten wollen, und Menschen, die Musik lieben, dafür hab ich das gemacht."

"Gute qualitative Musik"

Die Liebe zur Musik spürt man tatsächlich bei diesem Festival. Oft spielen hier Künstler, die jahrelang nicht nach Deutschland gekommen sind oder einfach noch als Geheimtipp gelten. Hamed Shahi ist davon überzeugt, dass es sein Festival nicht nur wegen des ungewöhnlichen Konzeptes, sondern vor allem wegen eines einfachen Rezeptes schon in der sechsten Auflage gibt.
"Es ist sehr simpel und das ist: gute Qualität. Gute qualitative Musik. Und wenn man sich das komplette Programm anschaut, findet man keine Eintagsfliege, sondern das sind alles entweder Künstler, die eine Generation geprägt haben oder von denen wir meinen, also die Newcomer, dass sie in Zukunft die Menschen treffen und ihre Handschrift hinterlassen werden."
Zu den Musikerinnen mit besonderen Qualitäten, die diesmal ihren Weg nach Düsseldorf gefunden haben, zählen etwa Regina Spektor, Wilco, Agnes Obel, Adam Green, Kate Tempest oder auch James Vincent McMorrow.
Der irische Songwriter James Vincent McMorrow spielt im kleineren der beiden Kirchensäle, einem der wenigen Orte, bei denen man frei wählen kann zwischen "stehen" oder "auf der Empore sitzen".
Überhaupt spielt "Musikhören im Sitzen" beim New Fall Festival eine große Rolle, denn alle Orte sind mehr oder weniger bestuhlt. Hamed Shahi sieht das als Vorteil, denn neben dem Effekt, dass man sich voll und ganz auf die Musik konzentrieren kann, bietet das Sitzen zugleich noch einen weiteren Anreiz:
"Aber das macht doch das Ganze sehr reizvoll, dass man sich entscheiden muss, steh ich auf, tanze ich, obwohl die Stühle da sind oder nicht. Und ich glaube, das ist auch die künstlerische Freiheit. Entweder lassen sich die Künstler darauf ein oder ziehen ihr Programm durch. Die meisten freuen sich aber auch darauf, dass es ein besonderer Rahmen ist und gestalten ihr Programm dementsprechend."

Problem mit bestuhltem Szenario

Daniel Brandt von Brandt Brauer Frick aus Berlin, hat das bestuhlte Szenario allerdings nicht überzeugt. Sein alternatives Techno-Projekt hat ebenfalls in der Johanneskirche gespielt, dessen Akustik für den Schlagzeug-Elektrosound der Band durchaus eine Herausforderung war.
"Mir ist es absolut lieber, wenn die Leute stehen. Ich fand's echt unangenehm, dass die Leute gesessen haben, weil für unsere neue Show passt das überhaupt nicht. Und man fühlt sich einfach wie auf 'ner Bühne. Und wenn die Leute stehen, fühlt man sich, als wär man Teil der ganzen Sache. Und es war einfach sehr schade, dass die Leute heute sitzen mussten."
Ruhige Künstler, wie Agnes Obel hingegen, die es in ihrer Heimat Dänemark tatsächlich schwer hat, überhaupt Tickets für Stehkonzerte zu verkaufen und vor allem bestuhlte Konzerte spielt, testet bei ihrer aktuellen Tour zum ersten Mal eine Mischung aus Stehen und Sitzen. Privat, als Zuhörerin, bleibt sie allerdings lieber sitzen.
"Ich liebe es, wenn ich Konzerte besuche, bei denen man sitzen kann. Die Füße werden nicht müde und ich bin nicht besonders groß, deshalb kann ich dann besser sehen. Aber als Künstlerin mag ich die Energie, wenn es gemischt ist, am liebsten. Leute, die stehen, strahlen mehr Energie aus, weil sie wacher bleiben. Wenn man sitzt, schaltet man schneller ab."
Die bestuhlten Konzerte passen zu den ungewöhnlichen Orten des New Fall Festivals, deren besondere Atmosphäre einen guten Teil zum Charme der Konzerte beitragen. Das Publikum weiß diesen besonderen Mix jedenfalls zu schätzen, auch wenn die meisten wohl zunächst vor allem wegen der Künstler kommen. Den schönen Rahmen würdigen die aber durchaus.
"Also Locations sind wichtig und wir sind jährliche Gäste vom New Fall Festival, das heißt wir wählen das auch anhand des Festivals aus."
"Wenn ich ehrlich bin, geht's mir in dem Fall eher um den Künstler. Allerdings habe ich aufgrund dessen dann mal nachgeguckt, was das für ein Festival ist, und habe gesehen, ich habe Agnes Obel verpasst und werde fürs nächste Jahr das Festival auf jeden Fall auf dem Schirm haben."
"Ich würd mal sagen, das sind direkt zwei Fliegen mit einer Klappe, denn es sind meistens besondere Künstler in besonderen Locations. Und wenn ich sage oh, das ist ein Künstler, den ich auf jeden Fall sehen will und der spielt dann auch noch in einer Kirche, ist das natürlich ein doppelter Grund für mich das Konzert zu besuchen."
Mehr zum Thema