Musikläden-Sterben

Groß frisst klein

Die Saiten eines Flügels spiegeln sich auf der Musikmesse in Frankfurt im hochglanzpolierten Deckel des Instruments.
Den Musikläden laufen die Kunden davon. Sie sehen ihre einzige Chance in der persönlichen Beratung. © picture alliance / dpa / Boris Roessler
Von Christoph Reimann · 07.04.2016
Die großen Online-Händler machen den Musikfachgeschäften schwer zu schaffen. Um sich in dem harten Geschäft zu behaupten, setzen die Musikläden auf den direkten Kontakt zum Kunden und auf die persönliche Beratung vor Ort.
Die Uhlandstraße in Berlin-Wilmersdorf. Hier ist das Musikhaus Cantus-Riedel ansässig. Geigen und Gitarren hängen an den Wänden, in der Mitte des Raumes stehen E-Pianos. In den Regalen stapeln sich Notenblätter. Seit rund 100 Jahren gibt es das Unternehmen. Aber in den vergangenen Jahren hat sich etwas geändert, sagt Gregor Bosch, der Filialleiter. Es gibt eine neue Konkurrenz – aus dem Internet.
"Natürlich macht sich das bemerkbar, dahingehend, dass die Leute auch mit ihrem Smartphone in den Laden kommen und durchaus den Preisvergleich angehen, wir den nicht in allen Fällen halten können, wobei auch vieles, muss ich sagen, im Internet Augenwischerei ist. Viele Sachen werden querfinanziert, an denen sie dann nichts verdienen, und an anderen verdienen sie dann was."

Branchenprimus mit 1100 Angestellten

Sie – das sind die großen Musikalienhändler im Internet. Thomann zum Beispiel. Fast 80.000 Produkte bietet das Familienunternehmen in seinem Online-Shop an. Der Branchenprimus hat rund 1100 Angestellte, vor zehn Jahren waren es noch 300. Thomann hat schon früh auf den Online-Verkauf gesetzt. Aber auch andere Versandhändler wie Amazon drängen auf den Musikalienmarkt. Bis zu einem gewissen Grad kann Gregor Bosch die Leute, die da gemütlich von der Couch aus im Netz bestellen, ja verstehen:
"Es ist bequem, man sitzt zu Hause und drückt aufs Knöpfchen und es kommt. Aber selbst das können wir leisten. Wir haben nur ein Problem: dass wir diese Leistungsfähigkeit noch nicht so publiziert kriegen, wie wir das gerne möchten."
Das will Florian Herzberg ändern. Auf der Musikmesse in Frankfurt ist der IT-Experte für den sogenannten Future Shop verantwortlich. Das Ziel: Kleine und mittelgroße Unternehmen sollen erkennen, dass im Internet nicht nur die übermächtige Konkurrenz lauert, sondern auch Chancen liegen.
"Es gibt immer noch in Deutschland eine ganze Reihe von anderen Unternehmen in Deutschland, die nicht mal eine eigene Website haben, keine Facebook-Präsenz haben. Und ich denke, da ist es wichtig, diese Personen an die Hand zu nehmen und ihnen anhand von solchen Praxisbeispielen auch ein bisschen die Scheu zu nehmen, dass das immer mit horrenden Kosten verbunden ist, und sie einfach an das Thema Stück für Stück heranführen."
Die Aussteller, die sich am Future Shop beteiligen, heißen Atalanda, Eyefactive oder AhoyRTC. Was sich hinter diesen Namen verbirgt?
"Zum Beispiel die Herren von AhoyRTC in Kiel, die sind einfach ziemlich stark, was das Thema Video Conferencing angeht. Und das ist eben genau eines der Praxisbeispiele, die wie einfach zeigen wollen. Lieber Fachhändler, nutz doch die neuen Technologien und dich auch selber, um dich besser einzubinden in die digitale Welt, in die digitale Kommunikation. Schau, dass sich potenzielle Käufer schon von zu Hause über Videokonferenz mit deinem Laden verbinden, dass du dich im Laden frei bewegen kannst mit dem Smartphone oder dem Tablet und Instrumente präsentieren und vielleicht mal live anspielen kannst."

Auch die persönliche Bindung zählt

Gregor Bosch präsentiert seine Instrumente lieber analog – im Laden, im direkten Gespräch mit den Kunden. Aber auch eine Videoberatung wäre für ihn denkbar. Eine Website mit kleinem Online-Shop hat er ja längst. Dass in jedem Fall ein kompetenter Verkäufer gefragt ist, der sich mit den Instrumenten auch wirklich auskennt, ist für ihn selbstverständlich. Denn hochwertige Instrumente kosten viel Geld. Und wie oft kauft man sich schon eine neue Geige oder ein neues Klavier? Als Fachhändler mit einem Ladengeschäft hat er außerdem noch einen anderen Trumpf parat.
"Was die Leute bei uns mitnehmen, ist eine persönliche Bindung, die viele Leute halt auch einfach wollen. Die wollen nicht einfach zu Hause sitzen und drücken und bestellen, sondern sie wollen das vorher haptisch in der Hand haben."
Aber viele lassen sich eben auch im Laden beraten und kaufen dann doch online. Ob da Videokonferenzen und Social Media wirklich Abhilfe schaffen können? Schwer zu sagen. Aber sich mit digitalen Verkaufsmodellen zu beschäftigen, ist ein wichtiger Schritt. Denn Musikalienhändler haben mit vielen Problemen zu kämpfen: Die Gewinnmargen werden immer kleiner, die Vertriebsauflagen der Hersteller immer strenger. Und kleinere Familienbetriebe würden sich oft sowieso kaum lohnen, heißt es vom Gesamtverband Deutscher Musikfachgeschäfte. Immer weniger junge Menschen fangen außerdem an, ein Instrument zu lernen.
Ganz ohne Zukunft sind die traditionellen Händler aber nicht. Da ist sich auch Herzberg sicher. Wenn man denn online und Ladengeschäft zusammendenkt:
"Der persönliche Kontakt ist heute einfach wichtiger denn je. Nur über diesen persönlichen Kontakt und die persönliche Beratung kann ich mich vom Markt abheben und kann Alleinstellungsmerkmale schaffen, die dem Fachhändler nachhaltige Vorteile bringen."
Persönlich statt anonym
Das sieht auch Gregor Bosch im Berliner Musikfachgeschäft so. Und ein Kunde, der sich für die persönliche Beratung und nicht fürs anonyme Netz entscheidet, der macht auch ihm mehr Spaß als das Beantworten von digitalen Kundenanfragen.
"Sie haben ständig Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen. Das macht Spaß, das befriedigt auch. Weil es oft auch einfach sehr, sehr gut klappt und die Leute zufrieden sind."
Mehr zum Thema