Musikethnologe Alan Lomax

Unermüdlicher Bewahrer

Cowboys in den USA
Die ersten aufgezeichneten Lieder waren die Gesänge der Cowboys. © dpa / picture alliance
Von Uwe Golz · 15.01.2015
Alan Lomax war ein fast schon besessener Liedersammler. Seine ersten Aufnahmen machte er auf dem Chisholm Trail, wo er die Gesänge der Cowboys aufzeichnete. Und von dort zog er aus in die ganze Welt.
Alan Lomax war ein Besessener, ein Jäger, ein Sammler, unermüdlich und vorwärtsgetragen von der Idee, zu bewahren. Er war Musikethnologe und Feldforscher, ein Lehrer und Gelehrter, ein Autor und Filmemacher - einer, dem die Menschheit mehr zu verdanken hat, als wir uns heute vielleicht schon vorstellen können.
Er war nicht der erste Liedersammler, vor ihm gab es in Europa Cecil Sharp in England, Béla Bartók in Ungarn und in Deutschland Ludwig Erk und Franz Magnus Böhme, doch ihnen fehlte eins, das was Alan Lomax für uns so wichtig werden ließ: das Tonbandgerät. Mit diesem konnte er die mündliche Überlieferung von Liedern, Bräuchen und Geschichten durchbrechen. Jetzt konnten auch Generationen nach ihm und nach den Sängern und Erzählern, diesen Geschichten lauschen.
Vorherbestimmter Weg
Der Weg von Alan Lomax war schon mit seiner Geburt vorherbestimmt. Sein Vater John A. Lomax war selbst ein US-Pionier der Musikethnologie und der führte seinen Sohn Alan, wie er 1991 in einem Interview mit dem Journalisten Charles Kuralt erzählte, auf diesen Weg. Und da der Vater eine anerkannte Persönlichkeit für texanische Folklore und Cowboysongs war, zogen sie dann, als Alan den Kinderschuhen entwachsen war, gemeinsam über den berühmten Chisholm Trail um die Songs der Cowboys zu sammeln und niederzuschreiben.
Später dann sollte Alan Lomax den Trail noch einmal bereisen, diesmal aber mit dem Tonbandgerät.
Es blieb nicht bei den Cowboys. Von 1937 bis 1942 war Alan Lomax dann der Kopf des Folksong Archivs der Library of Congress. Mehr als 10.000 Feldaufnahmen steuerten er und sein Vater für diese Sammlung bei und in jener Zeit entstanden auch die Aufnahmen, die heute schon als Schätze der populären Kultur gelten: die ersten Aufnahmen mit Woody Guthrie, Muddy Waters, Leadbelly und dem Jazzpianisten Jelly Roll Morton.
Als dann der US-Kongress die Mittel für das Archiv während des 2. Weltkriegs strich, war das nicht das Ende von Lomax Karriere, es war der Beginn. Auf eigene Rechnung sammelte er weiter und um Geld in die Kasse zu bekommen, begann er auch die kommerzielle Verwertung seiner Aufnahmen oder nahm eigene Platten mit den gesammelten Liedern auf.
Jahrelang vom FBI beschattet
Nach Ende des 2. Weltkriegs stand ihm Europa offen und Lomax streifte nun durch die Länder, die er vorher nicht besuchen konnte. Seinen Aufnahmen in Irland, England und Schottland bereiteten den Boden für das britische Folkrevival, seine Aufnahmen in Spanien und Italien bewahrten auch dort viele Lieder und Bräuche vor dem Vergessen und seine Sammelleidenschaft in Südamerika und in der Karibik versorgte später dann auch die Discowelle mit Inspirationen.
Selbst in den Zeiten des Kalten Krieges stand er unbeirrt zu seiner Idee einer globalen Bewahrung der alten Lieder und Tänze, als seine Kollegen schon längst den Blick nach Innen gewendet hatten. Seine Freundschaft mit Guthrie, Pete Seeger und anderen Bürgerrechtsbewegten tat ein Übriges, jahrelang beschattete das FBI Lomax, konnte aber nie etwas finden. Erst 1979 schloss man dort seine Akte.
Gegen Ende seine Lebens, Lomax starb 2002, behinderte ihn ein Schlaganfall so sehr, dass er sich kaum noch artikulieren konnte. Was zu sagen war, sagten dann andere für ihn. Beispielsweise Bob Dylan 1997:
"Alan war einer jener, die die Geheimnisse unserer Musik entschlüsselt haben. Wenn wir also irgendjemandem danken wollen, dann Alan. Danke."
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