Mindestlohn in der Gastronomie

In Kneipen wird gern getrickst

Eine Bedienung trägt am 29.10.2013 in Erfurt (Thüringen) in einem Lokal ein Tablett mit Bier. Der Mindestlohn gilt auch im Hotel- und Gaststättengewerbe.
Der Mindestlohn gilt auch im Hotel- und Gaststättengewerbe. © dpa / Marc Tirl
Von Dietrich Mohaupt · 09.04.2015
Als Bedienung zu arbeiten, geht an die Substanz: Schichtdienst, immer auf den Beinen, schwere Tabletts und eine nicht abreißende Geräuschkulisse. Der Mindestlohn wäre ein guter Ausgleich, aber viele Gastwirte versuchen zu tricksen.
Büroalltag für Finn Petersen in Schleswig: "Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Finn Petersen, hallo!" Regelmäßig klingelt derzeit das Telefon, wieder einmal geht es um das Thema Mindestlohn.
"Ja – wo arbeiten Sie denn? ... Im Hotel- und Gaststättengewerbe – und wo genau? ... Ja – und was haben Sie verdient bis zum 31.2.? ...7,40 Euro, also Tarifvertrag."
Und seit dem 1. Januar 2015 sollten das eigentlich 8,50 Euro sein – aber irgendetwas stimmt offenbar bei diesem Arbeitsverhältnis nicht. Ganz wichtig deshalb: Die genaue Dokumentation der Arbeitszeit, rät Finn Petersen.
"Ja, das ist so, dass Sie jetzt ab 1.1.2015 aufschreiben sollten, dass Sie Ihre Dokumentation der Arbeitszeit auch immer dabei haben und wöchentlich auch gegenzeichnen lassen müssten, wenn Ihr Arbeitgeber gesagt hat, dass Sie es selbst machen sollen – bzw. Ihr Chef muss es dann dokumentieren und vorrätig haben, falls eine Kontrolle kommt."
Mehrarbeitszuschläge können nicht gegengerechnet werden
Exakte und vor allem nachvollziehbare Aufzeichnungen über die geleisteten Stunden – ein immer wiederkehrendes Thema bei den Beratungsgesprächen, sagt Finn Petersen von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Außerdem fragen die Beschäftigen auch oft nach Zuschlägen und Sonderzahlungen, die manche Arbeitgeber einfach mit dem Grundlohn verrechnen, um so auf die 8,50 Euro zu kommen.
"Der Mehrarbeitszuschlag – ob der gegengerechnet werden kann? Nach meiner Rechtsauffassung nicht, nein – weil es ein Erschwerniszuschlag ist. Aber, wo kommen Sie den her? Aus Kiel – dann würde ich Ihnen raten, dass Sie zu den Kollegen von der DGB-Rechtsschutz gehen könnten, das sind unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht, also die Fachleute, und die würden das noch einmal für Sie überprüfen."
Verteilt über das ganze Land hat die Dachorganisation der deutschen Gewerkschaften – der DGB - und die Gastronomie-Gewerkschaft NGG in diesen Wochen Sprechstunden zum Thema Mindestlohn organisiert. Der Informationsbedarf ist groß, das zeigt nicht nur die bundesweite Hotline des DGB, wo bereits mehr als 6.000 Anfragen in diesem Jahraufgelaufen sind. Meist geht es am Telefon um ganz grundlegende Fragen – wie sieht es mit dem Mindestlohn in befristeten Arbeitsverhältnissen aus, bei Minijobs oder bei Praktikanten. In den Sprechstunden vor Ort kommen aber auch schon mal ganz konkrete Fälle von Trickserei des Arbeitgebers zur Sprache. Ein Beispiel aus einer Stadt im nördlichen Schleswig-Holstein, wo ein Pizzaservice seinen Fahrern zwar den Mindestlohn zahlt, aber gleichzeitig eine Umsatzabgabe verlangt.
"Umsatzabgabe nicht im Sinne von 'Ich beteilige dich am Umsatz und erreiche so den Mindestlohn' – das wäre vielleicht sogar noch in Ordnung – sondern dass die pro erreichtem Umsatz zwei Prozent wieder abgeben sollten, um das als Umlage für die Leute zu nehmen, die nicht im Auslieferungsservice beschäftigt sind. Das heißt: Ich mache 300 Euro, zwei Prozent davon sind 6 Euro in drei Stunden – kriege 8,50 Euro die Stunde, muss aber wieder 6 Euro abgeben – bin ich wieder bei 6,50 Euro. Im Übrigen – vorher 4,80 Euro verdient."
Der Trick mit den Gutscheinen
Gerne genommen ist auch der Trick mit den Gutscheinen – einer Minijobberin in einem Fitnessstudio wurde folgender Deal angeboten: statt Mindestlohn von 8,50 Euro nur 7,50 Euro - plus dreimal monatlich freien Eintritt in die Sauna. Geht gar nicht, meint Gewerkschafter Finn Petersen. Und manchmal kommt es sogar richtig knüppeldick – Kündigung wegen des Mindestlohns, manchmal noch verbunden mit dem Angebot, die Stelle behalten zu können, wenn man freiwillig auf den Mindestlohn verzichtet. Alles schon dagewesen – aber illegal, meint Christian Klein vom DGB-Rechtsschutz.
"Es gibt einen konkreten Fall, wo eine Kündigung ausgesprochen wurde aus diesem Grund – Grund des Mindestlohns – wo auch der Mandant gesagt hat: Ich brauche diese 8,50 Euro nicht, ich wäre auch mit weniger zufrieden. Aber – da können wir ihm leider auch nicht raten, einen Vergleich abzuschließen und zu sagen: Wir einigen uns auf eine niedrigere Summe – weil das nicht gesetzeskonform wäre."
Am Ende ist es immer wieder das alte Spiel, betont Finn Petersen von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten: Wer an seinem Arbeitsplatz Probleme hat – zum Beispiel jetzt eben ganz konkret mit dem Mindestlohn – sollte auf jeden Fall ganz offen mit seinen Kollegen darüber sprechen und sein Recht auch wirklich einfordern. Der einzelne sei austauschbar, viele nicht.
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