Marrabenta-Musik

Der Sound für die angeschlagene Demokratie Mosambiks

Musiker Stewart Sukuma bei einem Marrabenta-Konzert auf der Bühne
Musiker Stewart Sukuma bei einem Marrabenta-Konzert auf der Bühne © Leonie March
Von Leonie March · 16.08.2016
In Mosambik wächst die Angst vor einem neuem Bürgerkrieg. Viele Künstler des Landes sind alarmiert und nutzen die Bühne, um zu Frieden und Einheit aufzurufen. Marrabento heißt der Sound, der schon in den 30ern gesellschaftliche Grenzen überwinden konnte.
Maputo feiert in dieser subtropischen Sommernacht. Die Stadt versammelt sich zu einem gigantischen Open-Air-Konzert auf dem Platz der Unabhängigkeit. Hipster und Straßenhändlerinnen, Familien und Obdachlose.
"Diese Vielfalt macht das besondere Ambiente aus, schwärmt Musiker Stewart Sukuma. Im Publikum kommen einfach alle zusammen. Menschen aus der Innenstadt, den Vororten und den Slums. Das ist das wahre Maputo."

Kriegsrhetorik kehrt zurück

Und es ist das, wonach sich die meisten hier sehnen. Einheit und Frieden. Denn zwischen den ehemaligen Bürgerkriegsparteien Mosambiks dominiert heute wieder die Kriegsrhetorik. Bewaffnete Überfälle, politische Morde und Entführungen sorgen für Angst und Schrecken.
Der Rohstoffboom und die ausufernde Korruption der letzten Jahre hat die Kluft zwischen Arm und Reich noch vertieft. Nirgendwo ist das so sichtbar wie in der Hauptstadt Maputo – zwischen den glitzernden Glasfassaden der Innenstadt und den Müllbergen der Slums. Doch in dieser Nacht vergessen die Bewohner alles, was sie trennt.
Blick auf Maputo, die Hauptstadt von Mosambik
Blick auf Maputo, die Hauptstadt von Mosambik© Leonie March
Marrabenta heißt der Musikstil, der irgendwann in den 30er-Jahren hier in Maputo entstanden ist und bis heute alle gesellschaftlichen Grenzen überschreitet.
"Marrabenta hat schon immer als Brücke funktioniert: Zwischen den Menschen in der Stadt und denen am Stadtrand, zwischen einheimischen Afrikanern und portugiesischen Kolonialherren.
Wie viele Mosambikaner habe ich Vorfahren auf beiden Seiten. In mir vereinigen sich also unterschiedliche Kulturen und Traditionen. Und Marrabenta ist für mich ein ideales Medium, immer wieder neue Einflüsse mit einzubeziehen. Wie unser Land, erfinden wir auch unsere Musik immer wieder neu. Auch deshalb bekommen die Leute von uns nie genug."

"Die Leute sind nicht nur zum Tanzen hier"

Stewart Sukuma gehört zu den bekanntesten zeitgenössischen Marrabenta-Musikern Mosambiks. Umringt von zwei atemberaubenden Tänzerinnen fegt der schlanke 52-Jährige über die Bühne, singt, trommelt, feuert sein Publikum an. Die Menge bebt im Rhythmus der Musik. "Aber die Leute sind nicht nur zum Tanzen hier", sagt Amancio Vilanculos, Musikkritiker und Autor eines Buchs über Marrabenta.
"Klar wollen sie auch mal den Alltag hinter sich lassen, aber sie hören auch genau hin, was die Künstler zu sagen haben. Viele Texte setzen sich sehr kritisch mit den Lebensverhältnissen in unserem Land auseinander. Eine regierungskritische Haltung ist typisch für diese Musik.
Selbst in Zeiten der Zensur ging es darin immer auch um heikle Themen: Um politischen Widerstand, um Widersprüche zwischen Tradition und Moderne, um soziale Ungerechtigkeit. Für all jene, die darunter leiden, wirkt das bis heute auch befreiend. Sie begreifen, dass sie nicht allein sind."
Die Samora-Machel-Statue auf dem Platz der Unabhängigkeit in Maputo, der Hauptstadt von Mosambik
Die Samora-Machel-Statue auf dem Platz der Unabhängigkeit in Maputo, der Hauptstadt von Mosambik© Leonie March
In der jetzigen verfahrenen Situation Mosambiks, in der das Gespenst des Bürgerkriegs wieder auftaucht, dem sich viele Bürger hilflos ausgeliefert fühlen, spielen Marrabenta-Musiker deshalb wieder eine bedeutende Rolle. Das müsse auch die Regierung begreifen, wenn es ihr denn wirklich darum gehe, den Konflikt zu lösen, meint Stewart Sukuma, als er schweißgebadet von der Bühne kommt.
"Momentan ist das eher ein Trauerspiel: Politiker versuchen, uns für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Und viele Künstler verstehen selbst nicht, welche Rolle sie eigentlich tatsächlich spielen könnten, um für Frieden und echten Fortschritt zu sorgen. Ich habe deshalb nicht einfach so von Liebe, Menschlichkeit und Gerechtigkeit gesungen. Diese Werte bilden das Fundament unserer Demokratie."
Fast mahnend wacht die Statue von Samora Machel über dem Platz der Unabhängigkeit. Der erste Präsident des unabhängigen Mosambiks, mit dem so viele Hoffnungen verbunden waren. Ein Funke flammt in dieser Sommernacht wieder auf; nicht genug um das schwelende Feuer zu löschen, aber immerhin eine Atempause für Leid erprobte Bürger.
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