Liedermacherin Nadia Reid

"Viele meiner Songs sind sehr melancholisch"

Die Musikerin Nadia Reid bei uns zu Besuch im Studio
Die Musikerin Nadia Reid bei uns zu Besuch im Studio © Deutschlandradio / Leila Knüppel
Nadia Reid im Gespräch mit Carsten Rochow · 01.03.2017
Nadia Reids Debütalbum ist unter dem Eindrücken des verheerenden Erdbebens 2011 in Christchurch in Neuseeland entstanden. Nun legt die Musikerin ihr zweites Album - "Preservation" - vor. Darin geht es um Stärke und Selbsterkenntnis.
Carsten Rochow: An ihrem Debütalbum hat sie sieben Jahre geschrieben. Als es vor zwei Jahren erschienen ist, da waren viele überrascht, dass diese selbstbewussten Songs, im Americana-Gewand, souverän gesungen von einer warmen Altstimme, einer heute erst 25-jährigen Musikerin aus Neuseeland gehören: Nadia Reid.
Deutlich weniger Zeit hat sie für den Nachfolger "Preservation" gebraucht, denn der erscheint heute. Während Nadia Reid damals über ein Beziehungsende, über Selbstzweifel und Scheitern gesungen hat, handelt "Preservation" von Stärke, Selbstreflexion, Selbstliebe und Nüchternheit.
Nadia Reid, mir als Brillenträger ist es gleich aufgefallen, dass sie auf dem Cover der neuen Platte ein anderes Modell tragen, als auf dem Debütalbum. Einige Leute sind sogar von ihrer Brille mehr fasziniert als von Ihrer Musik. Sie wurden deswegen schon angesprochen, ob Sie zu einer Sekte gehören. Stimmt das?
Nadia Reid: (Lacht) Nein, das stimmt nicht. Aber tatsächlich wurde ich schon öfter darauf hingewiesen, dass meine Plattencover, mit meinem Porträt darauf, etwas Ikonenhaftes haben. Na ja, ich besitze mehr als eine Brille und mag es, mich damit zu inszenieren. Diese hier habe ich auf dem Wühltisch gefunden, mit ihr fühle ich mich ein bisschen wie eine Nonne.
Rochow: Das ist aber die Brille, die sie auf dem Cover des ersten Albums tragen?
Reid: Ja, eigentlich trage ich die neue Brille, aber aus irgendeinem Grund habe ich heute die Alte auf der Nase.
Rochow: Neben der Brille gibt es noch etwas anderes, das auf dem Cover auffällt. Es zeigt ihr Gesicht, wie beim Debüt, mit strengem Blick, diesmal schauen sie direkt in die Kamera, und es ist ein Blick, als würden sie sich über jemanden ärgern, der sie nicht ernst nehmen will, und sie ihn gerade ein letztes Mal gewarnt haben, aber auf eine Art, wie Freunde es tun. Und das, finde ich, stellt den Sound des Albums ganz gut bildlich dar: Lieder, die ernst klingen, aber in denen auch ganz viel Wärme mitschwingt. Gibt es da einen Zusammenhang?

"Ich habe einen Schritt weiter gemacht"

Reid: Wissen Sie, wenn es um die Auswahl eines Plattencovers geht, weiß ich vorher nie genau, was ich will. Wir machen dann ein paar Fotos, ich schaue sie mir an, und dann weiß ich: Dieses Bild muss aufs Cover. Und diese beiden Alben, sie bedeuten mir sehr viel, ich habe sie geschrieben, sie handeln beide von mir. Und das Cover des neuen Albums ist in Farbe, ich schaue in die Kamera, und für mich steht das vor allem dafür, dass Zeit vergangen ist. Ich habe einen Schritt weiter gemacht, vielleicht nicht unbedingt einen Schritt nach oben, aber es ist Zeit vergangen. Und ich weiß nicht genau, warum ich wieder ein Porträt für das Cover gewählt habe, irgendwie schien es mir stimmig.
Rochow: Sie hätten auch lächeln können...
Reid: Ja, hätte ich, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass das gepasst hätte. Viele meiner Songs sind sehr melancholisch, von daher. Aber vielleicht beim nächsten Album, wer weiß (lacht).
Rochow: Ihr erstes Album ist ja auch unter den Eindrücken des verheerenden Erdbebens 2011 in Christchurch und vor allem in der Zeit danach entstanden, als sich die Menschen verändert haben. Auf dem neuen Album geht es hauptsächlich um sie selbst, um Stärke und Selbsterkenntnis. Wie haben sie es denn geschafft, ihren inneren Kritiker zu zähmen und über sich selbst zu singen?
Reid: Ich habe einfach nicht so viel darüber nachgedacht. Nachdem ich auf das erste Album gutes Feedback bekommen habe, hätte ich mir eigentlich auch Sorgen machen können, ob ich mit dem zweiten auch wieder gut ankomme.
Aber ich habe es geschafft, mich auf die Arbeit zu konzentrieren und nicht an die Kritiker und Journalisten zu denken. Ich habe das gemacht, was sich gut angefühlt hat. Wenn man darüber nachdenkt, wie man den anderen gefallen kann, ist man auf dem falschen Weg.

"Das Unterwegssein ist für mich sehr erfüllend"

Rochow: Sie haben eine lange Tour hinter sich, sie haben viele Eindrücke gesammelt. Wie war es denn eigentlich, nach Christchurch zurückzukommen und das zweite Album aufzunehmen – wie geht man denn mit diesen Eindrücken an eine neue Produktion heran?
Reid: Tatsächlich haben wir das Album schon im März vergangenen Jahres aufgenommen, und das war, bevor wir auf unsere erste große Europatour gegangen sind. Die meisten Leute verwirrt das, aber es dauert einfach sehr lange, bis ein Album schließlich fertig ist.
Das Unterwegssein ist für mich sehr erfüllend, ich empfinde das als großes Glück, und es öffnet einem die Augen, an so vielen Orten zu sein und so viele Menschen zu treffen. Und ich denke, auf meinem nächsten Album werden diese vielen Einflüsse ganz bestimmt zu hören sein.
Rochow: In der neuseeländischen Flagge ist der britische Union Jack abgebildet. Musikalisch scheint das Land aber stärker von amerikanischen Einflüssen geprägt zu sein, wie auch Australien. Auch ihre Musik lehnt sich stark an den Americana-Sound an. Ist das typisch für Neuseelands Musikszene?

"Für mich fühlt sich diese Musik einfach richtig an"

Reid: Wir haben im Moment einige bekannte Künstler im Land, die eine Art von Folk machen, und viele Leute interessieren sich sehr dafür. Tiny Ruins, Aldous Harding, Marlon Williams... Ich glaube aber nicht, dass das etwas damit zu tun hat, dass wir aus Neuseeland kommen. Es ist einfach eine bestimmte Musik, die uns beeinflusst hat, die wir mögen und die wir dann auch selbst machen. Die Leute denken immer, dass in Neuseeland was Besonderes abgeht, oder dass da etwas bestimmtes im Wasser ist, aber ich glaube, das ist Zufall. Für mich fühlt sich diese Musik einfach richtig und gut an.
Rochow: Auckland auf der Nordinsel hat sicherlich die größte Musikszene des Landes. Welche Orte spielen denn noch eine große Rolle auf der musikalischen Landkarte Neuseelands?
Reid: Aus der Hauptstadt Wellington kommen auch viele Bands, neben Christchurch gibt es noch die kleine Hafenstadt Littleton, die eine bemerkenswerte Szene hat. Ich selbst wohne in Dunedin, das auch eine sehr große Künstlerszene hat, was daran liegt, dass die Lebenshaltungskosten dort nicht so hoch sind, es ist dort allerdings auch viel kälter als in Auckland. Aber sicher, Auckland als größte Stadt Neuseelands hat auch die größte Musikszene.
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