Leipziger Musikszene

Stadt ohne Bands?

Gäste in der Moritzbastei in Leipzig
Party ohne Band in der Moritzbastei in Leipzig © picture alliance / dpa / Jan Woitas
Von Ronny Arnold · 10.06.2016
Chemnitz hat "Kraftklub", Erfurt "Northern Lite". Und Leipzig? Auch in der Messemetropole gibt es eine vielschichtige Musikszene. Nur weiß das kaum jemand außerhalb der Stadt.
"'Wenn du willst' war ja einer unserer ersten Songs, der von sehr vielen Menschen gemocht wurde und da gibt es eine Menge Bezüge zu Leipzig.
Gesang: "Wenn du willst, können wir uns an der Kirche treffen, am 16. Oktober 1813."
Sergej Klang ist als einer der drei Köpfe der Leipziger Band "Brockdorff Klang Labor", kurz BKL, ein bekanntes Gesicht dieser Stadt. Neben Konzertbühnen bespielt er als DJ regelmäßig hiesige Clubs. BKL haben zwei Platten veröffentlicht, auf denen sie Leipzig besingen – unter anderem die in den zahlreichen Kellerklubs der Stadt angesagte elektronische Musik.
Gesang: "In Kellern voll Rauch marschiert der House, brich mit mir den Rhythmus dieser Stadt."

Wenig Vernetzung in der Szene

"Weil es einige Labels gibt, die überregional oder auch international da einen gewissen Erfolg haben. Interessant ist, dass einige dieser Labels in Leipzig gar nicht so wahrgenommen werden. Ansonsten, mein Gefühl, dass Leipzig eher eine sehr heterogene Szene auszeichnet, da hat man Hiphop, Metal, Hardcore oder eben Pop und so einen klassischen Indie-Gitarren-Sound. Was ich schade finde, dass die Szenen autonom existieren und dass es da sehr wenig Vernetzung gibt und gab. Und das unterscheidet Leipzig auch bisschen von anderen Pop-Städten wie Hamburg, Berlin oder Köln."
Städte, die deutlich mehr Einwohner haben als Leipzig mit seinen etwas mehr als 500.000. Städte auch, die über lange gewachsene Strukturen verfügen.
Viele Labels und Agenturen in Leipzig sind erst Ende der 1990er Jahre entstanden, teils direkt aus der Clubszene heraus – wie etwa Moon Harbour, bekannt für elektronische Tanz- und House-Musik. Zum Label gehört mittlerweile eine eigene Booking-Agentur, die heute deutlich mehr internationale als lokale Künstler vermittelt. Leipzig sei ein schöner Ort zum Leben und Arbeiten, meint Mitbegründer André Quaas, doch speziell für seine Musik sei die Stadt eher zweitrangig.
"Die Musik, die wir machen, die funktioniert woanders genauso gut, vielleicht sogar besser. Als wir anfingen, so um das Jahr 2000, war der Kontakt noch enger, die Szene war noch kleiner und man hat sich mehr ausgetauscht. Dann sind auch neue Leute in die Stadt gekommen, es kamen neue Einflüsse dazu, das Spektrum ist momentan breiter als früher. Und mit Moon Harbour wurden wir auch eher von Labels beeinflusst, die nicht aus dieser Stadt kamen. Ich würde auch sagen, Moon Harbour ist außerhalb von Leipzig vielleicht etwas bekannter noch als in Leipzig (lacht). Macht es aber auch für uns angenehm, wir können hier in Ruhe arbeiten, es ist nicht zu hektisch für uns."
Auch Tom Weber ist eher aus privaten Gründen in Leipzig geblieben, nicht wegen der Arbeit. Weber betreibt hier seit einigen Jahren eine Agentur für Musik und Radiopromotion. Er kennt die Leipziger Szene, doch auch er betreut mittlerweile nur noch wenige Bands und Musikprojekte von hier.

Zu wenige Proberäume und Unterstützung der Stadt

"Es ist da durchaus eine positive Entwicklung in den letzten 20 Jahren passiert, dass mehr Vielfalt stattfindet. Das größte Problem, was Leipzig eigentlich als Musikstadt in dem Sinne hat, dass alle Projekte und Unternehmungen immer die Schwierigkeit haben, aus Leipzig raus zu kommen. Und es gibt jetzt auch nicht wirklich die Leipziger Band, die im Moment auch diesen Erfolg hat, gesamt bundesweit gesehen."
Erfolgreiche ostdeutsche Bands wie Kraftklub oder Northern Lite kommen aus Chemnitz und Erfurt. Leipzig hat mit den "Prinzen" immerhin einen heimischen Dauerbrenner. Die feiern in diesem Jahr allerdings auch schon ihr 25-jähriges Bestehen. Neben der geringen Vernetzung der Szene selbst, die sich so zu wenig selbst befruchtet, sehen viele in Leipzig grundsätzliche, infrastrukturelle Probleme. So gebe es seit Jahren zu wenige Proberäume und zu wenig städtische Unterstützung. Das mag auch daran liegen, dass Leipzig, im Vergleich zu anderen Städten, einfach keine üppig gefüllten Kulturtöpfe für eine bessere Förderung hat. Zumindest nicht für die Off-Szene jenseits von Klassik und Hochkultur. Tom Weber sieht das Problem aber indirekt auch bei den Bands selbst.
"Ich glaube, das Problem an Leipzig ist, dass es eine Größe überschritten hat, sodass es sich selbst immer gefallen kann. Also wenn man als Band Erfolg hat hier in Leipzig, dann kann das in der eigenen Wahrnehmung ausreichen und dann hat man nicht den Antrieb, zwingend irgendwo anders hinzugehen. Bands aus kleineren Städten haben das automatisch. Das führt dazu, dass wir da auf einem ganz bestimmten Status stehen bleiben."
Sergej Klang sieht das ähnlich. BKL sind mittlerweile beim Hamburger Plattenlabel Zickzack. Das war einerseits ihr Wunschlabel, weil bereits erfolgreiche Bands wie Blumfeld oder der Musiker Jens Friebe dort unter Vertrag stehen. Andererseits fehlte ihnen in Leipzig aber auch die Professionalität und die Vernetzung, die ein solches Label mit Jahrzehnten Erfahrung mitbringt. Leipzig habe sich da in den letzten Jahren sicher weiterentwickelt, so Sergej Klang, doch es reiche eben deutschlandweit nicht für die Erste Liga. Warum, fragt er sich oft.
"Weil ja nun Leipzig, die Boomstadt im Osten, die Medienstadt, hier gibt es den MDR, hier gibt es Filmproduktionsfirmen, Klubkultur, was auch immer. Von außen wird das immer sehr gelobt und alle finden das toll. Es gibt Labels und Agenturen hier, die funktionieren und auch überregional bekannt sind und aktiv. Aber trotzdem gab es da nie diesen Durchbruch in dem Bereich. Dass da so eine Infrastruktur entstanden ist, die sich wirklich trägt, die Bands hervorbringt, die Erfolg haben, andere mitziehen und dann so eine Eigendynamik entsteht."
Gesang: "Hey, okay. Ich könnte, fallen. Ich könnte fallen in deine Welt zurück."
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