Laibach-Konzert in Nordkorea

"Der Höhepunkt ihrer Karriere"

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Die Mitglieder der slowenischen Band Laibach, Ivan Novak (l-r), Milan Fras, Mina Spiler (Hintergrund), Luka Jamnik, Janez Gabric und Rok Lopatic. © picture alliance / dpa / Luka Kase
Alexei Monroe im Gespräch mit Carsten Rochow  · 19.08.2015
Als erste westliche Band hat Laibach ein Konzert in Nordkorea gegeben. Einige Lieder wurden noch kurz vorher gestrichen. Das Regime in Pjöngjang geht mit der Aktion ein Risiko ein, verspricht sich aber auch einen Imagegewinn, sagt Kulturtheoretiker Alexei Monroe.
Carsten Rochow: Herr Monroe, was war Ihre erste Reaktion? Warum tun die das?
Alexei Monroe: Laibach beschäftigt sich seit 1980 pausenlos mit Fragen der Ideologie und Macht und die Band hat seitdem eine extreme Sprache entwickelt, in der sie totalitäre Aussagen von Stalin, Hitler, Moussolini und Tito aufgreift. Ideologie ist absolut zentral für Laibach. Diese Konzerte kamen ja nur aufgrund der Vermittlung des norwegischen Regisseurs Morten Travik zustande, der über sehr gute Kontakte nach Nordkorea verfügt. Ich verstehe schon, dass einige Leute jetzt verunsichert auf Laibachs Konzerte in Nordkorea reagieren, aber es ist völlig klar, das Laibach nicht Laibach wären, wenn sie sich diese Chance entgehen ließen.
Diese Band legt sich seit 35 Jahren mit den Mächtigen an. Staat und Macht sind ihre wichtigsten Begleiter. Wenn sie nun diese Gelegenheit haben, müssen sie sie nutzen. Das ist der unvermeintliche Höhepunkt ihrer Karriere ...
Rochow: Glauben Sie, dass die koreanische Führung eine Idee hat, wen sie eingeladen haben?
Imagegewinn für Nordkorea?
Monroe: Soweit ich das Land kenne, glaube ich, dass wir unterschätzen, wie intensiv die Koreaner nicht nur die westliche Politik und Wirtschaft, sondern auch seine Kultur beobachten. Ich glaube, dass die Leute in den Nachrichtendiensten Nordkoreas und den Eliten des Landes, also Leute, die Zugang zu westlichen Erzeugnissen haben, sehr viel mehr von uns verstehen, als wir glauben. Tatsächlich hat eine slowenische Webseite gerade berichtet, dass Nordkorea drei Lieder aus Laibachs Konzertprogramm zensiert hat. Das beweist, dass die Zensoren in Nordkorea sehr wohl verstehen, dass von Laibach ein erhebliches Risiko der Destabilisierung ausgeht. Sie lassen Laibach nicht aus Ahnungslosigkeit ins Land, sondern wägen das potentielle Risiko mit dem Imagegewinn für Nordkorea ab. Wir haben es also mit einer sehr ambivalenten und komplexen Situation zu tun.
Rochow: Auf den ersten Blick erscheint Laibachs Position widersprüchlich zu sein, auf der einen Seite versprechen sie eine friedliche Zukunft im utopischen Land, aber sie wollen mehr sagen. Sind sie Nordkorea, um Gleichgesinnte zu treffen?
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Der Laibach-Experte und Kulturtheoretiker Alexei Monroe© privat
Monroe: Ich glaube, in dieser Sichtweise stecken zwei gefährliche Missverständnisse. Laibach ist eine von drei Gruppen, die die NSK, die 'Neue Slowenische Kunst' gegründet haben. NSK ist auch ein Staat, aber kein Land im Sinne eines Nationalstaats. Es gibt kein Staatsgebiet, dieser Staat existiert nur so lange eine Kunstaktion von NSK existiert. Wir dürfen den NSK Staat also nicht mit einem gewöhnlichen Land verwechseln. Ebenso darf man NSK nicht als reine Utopie missverstehen, denn in ihr steckt im Kern der Schreckensvision des Totalitarismus und des Krieges. Laibachs Utopie baut also auf einer Dystopie auf. Laibachs Rhetorik zeichnet aus, dass sie in ihrer Radikalität die schlimmsten Regime überträfe, würde man sie wortwörtlich umsetzen. So ein Land wäre wahrscheinlich noch extremer als Nordkorea. Rhetorisch mögen Laibach also mit den Diktatoren geistesverwandt sein, doch schon im Jugoslawien der 80er-Jahren haben Laibach und die NSK ihre extreme Rhetorik darauf verwandt, um das real existierende Regime zu schwächen.
Rochow: Wie haben die Fans auf dieses Ereignis reagiert?
Monroe: Ja, das war schon sehr interessant, wie gemischt die Reaktionen waren. Aus Fans wurden vor lauter Empörung Ex-Fans. Für sie sind Laibach einen Schritt zu weit gegangen und sie finden es unentschuldbar, dass Laibach in einer repressiven Diktatur spielen, die so sehr die Menschenrechte missachtet und für seine Hungersnöte und katastrophale soziale und politische Situation bekannt ist. Einige Fans haben sogar angekündigt, sie würden jetzt ihre Laibach Sammlung verkaufen, weil Laibach Faschisten unterstütze.
Das finde ich nun sehr interessant, denn solange Laibach nur mit faschistischen Symbolen und Nazi Optik aufgetreten sind, war alles noch in Ordnung. Jetzt tritt also mal wieder der Fall ein, dass Laibachs Handlungen die Leute dazu zwingen, Position zu beziehen. Tatsächlich führen Fans und Gegner von Laibach eine wilde, polemische Diskussion in den sozialen Medien.
Rochow: Laibach sind bekannt für ihre Provokationen, wen wollen sie diesmal provozieren? Nur Nordkorea oder die gesamte westliche Welt?
Monroe: Diesmal wenden sie nicht ihre übliche Taktik an. Unverhohlene Provokation würde in Nordkorea auch nicht so funktionieren wie anderswo, denn das nordkoreanische Publikum ist eine unbekannte Größe. Es ist in Wirklichkeit das Versuchskaninchen, das so etwas wie Laibach noch nie im Entferntesten ausgesetzt worden ist. Natürlich geht es Laibach aber auch darum, das westliche Publikum zu provozieren. Ein BBC-Interview der Band hat für ziemliche Empörung gesorgt, weil Laibach darin den 'westlichen Totalitarismus' angeprangert haben. Nachdem was wir von Edward Snowden über die globale Überwachung durch westliche Nachrichtendienste wissen, ist diese Kritik durchaus nachvollziehbar. Laibachs Konzerte in Nordkorea zwingen den Westen also auch, das Bild von sich selbst und eine bestimmte selbstgerechte Haltung des Westens infrage zu stellen.
Wie sehr sich die nordkoreanische Führung andererseits provoziert fühlt, zeigen die drei Lieder, die sie zensiert hat. Nordkorea befindet sich also schon auf seinem eigenen Territorium in der Defensive, was Laibach sicherlich schon als ein Effekt ihrer Reise nach Nordkorea anzurechnen ist.
Rochow: Was ist Ihre Vermutung: Wie erfolgreich wird Laibachs Bemühen um eine kulturelle Verständigung zwischen Nordkorea und dem Rest der Welt sein?
Wirkung kann tiefgreifend sein
Monroe: Das wird sich nicht am Morgen nach dem Konzert sagen lassen und auch nicht, wenn Laibach wieder nach Hause fahren. Das braucht Zeit. Die Wirkung auf das Publikum kann tiefgreifend sein. Die Zuschauer werden versuchen zu verstehen, was sie mit Laibach erleben. Das wird ihnen in ihrer kontrollierten Gesellschaft nicht plötzlich die Freiheit geben, Kunst wie Laibach zu machen. Aber es kann einen ganz subtilen Wandel in allen möglichen Bereichen auslösen. Das ist für Gesellschaften, in denen man nur sehr vorsichtig agieren kann wie in Nordkorea schwierig vorherzusehen. Manchmal reichen schon kleine Gesten aus, um einen Dominoeffekt auszulösen.
Rochow: Vielen Dank, Alexei Monroe!
Ein Tweet der Band aus Nordkorea:
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