Klaus Schwab: "Die Vierte Industrielle Revolution"

Der Sprengstoff der Digitalisierung

Ein Mann ist von oben zu sehen, wie er an einem Tisch mit dem Computer und mehreren anderen digitalen Geräten wie Notebook, Smartphone, Smartwatch arbeitet.
Zuhause arbeiten am Computer © imago / Westend61
Von Vera Linß · 27.07.2016
Implantierbare Handys, Organe aus dem 3D-Drucker, Maschinen als Chefs: Derartiges wird sich ab 2025 auf breiter Front durchsetzen, schreibt der Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab in "Die Vierte Industrielle Revolution". Und warnt vor den Gefahren.
Alljährlich trifft sich in Davos die globale Machtelite. Die letzten Male entwarfen dort Politiker, Manager, Wissenschaftler und Künstler Visionen davon, wie Ökonomien von der Digitalisierung profitieren können. Und genau darüber schreibt nun der Gründer des Weltwirtschaftsforums: Klaus Schwab hat die meistdiskutierten Entwicklungen zusammengetragen, die Bestandteil der - wie er sie nennt - "Vierten Industriellen Revolution" sind. Denn mobiles Internet, Sensoren, künstliche Intelligenz, Gen-Sequenzierung, Nanotechnologie und maschinelles Lernen würden immer enger miteinander verzahnt werden, so dass dies zu einer neuen Qualität führe.
Triebkraft dieser Revolution seien physische, biologische und digitale Megatrends. Einige, die der Wirtschaftswissenschaftler aufzählt, sind bereits in aller Munde. Selbstfahrende Kraftfahrzeuge, 3D-Druck oder synthetische Biologie, mit der sich Organismen maßschneidern lassen. Das Nano-Material Graphen oder die Datenbank Blockchain sind dagegen noch etwas für Experten. Das alles aber wird sich ab 2025 auf breiter Front durchsetzen, schreibt Schwab und beruft sich dabei auf Befragungen von 800 Führungskräften. 90 Prozent der Menschheit würden dann Smartphones nutzen, das erste implantierbare Handy sei dann auf den Markt, 3D-gedruckte Lebern würden transplantiert und erste Konzerne seien von Maschinen geführt.

Vielleicht gibt es keine Lösungsmodelle?

All das birgt Sprengstoff – selbst für einen Wirtschaftsmann wie Klaus Schwab. Deshalb warnt er ausführlich vor potenziellen Gefahren solcher Veränderungen, deren Analyse den größten Teil seines Buches einnimmt. Demnach stünden nahezu alle gesellschaftlichen Werte zur Disposition. Beispiel Arbeit: Etwa 47 Prozent aller Arbeitsplätze in den USA würden in den nächsten 20 Jahren vernichtet werden und kaum neue dafür entstehen. Und auch das Wesen der Arbeit verändere sich, wenn Unternehmen Menschen künftig nur noch auf Abruf beschäftigen würden – über "Human Cloud"-Plattformen. Oder Gleichheit: Die verschwinde durch den Plattformeffekt der digitalen Ökonomie, die immer mehr Kapital in immer weniger Händen konzentriere. Soziale Spannungen befürchtet Schwab auch durch das "Empowerment" von Individuen und Gruppen, die sich heute leichter vernetzen und sogar Gewalt ausüben könnten – an staatlichen Institutionen vorbei.
Welche Lösungsmodelle die globalen Leader im Blick haben, darüber erfährt man in diesem Buch leider nichts. Vielleicht liegt es daran, dass es keine gibt? Immer wieder jedenfalls beklagt Klaus Schwab einen generellen Mangel an Führungsstärke und das geringe Verständnis für die Veränderungen. Es fehle ein neues "Narrativ", eine Idee, nach welchen ethischen Grundsätzen Gesellschaften gestaltet werden sollten. Und auch aus dem Nähkästchen des Weltwirtschaftsforums plaudert Schwab nicht. Deshalb bleibt seine wichtige Kritik pauschal und sein Buch liest sich wie ein Manifest für eine bessere Welt. Schade. Klaus Schwab lebt das neue Denken, das er selbst einfordert, nicht vor.

Klaus Schwab: Die Vierte Industrielle Revolution
aus dem Englischen von Petra Pyka und Thorsten Schmidt
Pantheon Verlag, München 2016
240 Seiten, 14,99 Euro

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