Jüdische Musik aus Argentinien

Spiritueller Hardrock

Chassiden beten am 29.9.2000 in der kleinen ukrainischen Stadt Uman in der Nähe des Grabes von Rabin Nachman, dem Gründer des Bratslav Chassidismus.
Chassiden beim Gebet © picture alliance / dpa / Sergei Supinsky
Von Victoria Eglau · 14.08.2015
Hartes, ohrenbetäubend lautes Heavy Metal, dazu Texte über eine Welt voller Liebe. Der Frontman der argentinischen Band Atzmus, Eliezer Barletta, ist chassidischer Jude und behauptet: "Unsere Band offenbart Gott durch ihre Musik."
Roxy, ein angesagter Club in Buenos Aires. Der Sänger auf der Bühne hat einen langen Bart und trägt einen schwarzen Hut. Die Quasten, die über seiner Hose baumeln, weisen ihn als orthodoxen Juden aus. Eliezer Barletta, der 44-jährige Bandleader von Atzmus, schmettert sich die Seele aus dem Leib – und das Publikum singt und tanzt ekstatisch mit.
Der Sound von Atzmus ist hartes, ohrenbetäubend lautes Heavy Metal, aber die Texte propagieren eine Welt voller Liebe, und eine Verbindung der Menschen zum Göttlichen.
"Im Chassidismus heißt es: Die Seele muss sich ausdrücken. Die Seele muss sich mit ihrer Lichtquelle dort oben vereinen. Für uns Musiker stellt die Musik diese Verbindung mit dem Göttlichen dar."
Eliezer Barletta war nicht immer chassidischer Jude. Und er wuchs auch nicht in einer jüdischen Familie auf – sondern in einer katholischen, in der Musik allgegenwärtig war. Barletta lernte Bassgitarre, Flöte und Gesang. Parallel dazu führte ihn eine intensive spirituelle Suche erst zur pfingstkirchlichen Bewegung und schließlich zum Judentum. Der Argentinier las die Bibel im hebräischen Original und begann, Talmud-Tora-Schulen zu besuchen.
"Die Liebe und Leidenschaft, mit der ich die jüdischen Schriften studierte, waren so groß, dass ich das Judentum schließlich zu meiner Religion machte. Ich identifizierte mich vollständig mit der Lebensweise der chassidischen Juden. Der Chassidismus ist ein sehr spiritueller Zweig des Judentums, in dem die Musik eine große Rolle spielt."
Ein frommes Leben nach den religiösen Regeln
Vor zehn Jahren konvertierte Eliezer Barletta mit seiner Frau zum orthodoxen Judentum. Da das in Argentinien nicht möglich ist, reisten sie dafür ins Nachbarland Uruguay. Eliezer und Raquel leben ein frommes Leben nach den religiösen Regeln, ihre fünf Kinder besuchen orthodoxe Schulen. Dass sich Barletta mit seiner Band Atzmus einen Platz in der argentinischen Heavy Metal-Szene erobert hat, stellt für ihn keinen Widerspruch zu seinem religiösen Leben dar – im Gegenteil.
"Der Chassidismus ist nicht auf einen bestimmten Musikstil festgelegt. Wir chassidischen Juden glauben, dass sich in jedem Menschen ein göttlicher Funken zeigen kann. Durch das, was wir tun, sollen wir Gott in der Welt offenbaren. Und dafür hat jeder einen speziellen Chip, ein besonderes Talent oder Werkzeug. Unsere Band offenbart Gott durch ihre Musik, die Musik von Atzmus."
Im Roxy hat Eliezer Barletta inzwischen seine Jacke ausgezogen und den Hut durch eine Kippa ersetzt. Er springt über die Bühne, ruft ins Publikum, verströmt jede Menge positiver Energie.
"Die Texte von Atzmus sind toll. Diese Musik ist pure Liebe und Leidenschaft, sie vermittelt Werte - einfach genial",
schwärmt ein junger Konzertbesucher. Atzmus besteht aus zwei jüdischen und zwei evangelikalen Musikern, und auch das Publikum ist religiös gemischt. Cristina ist Atzmus-Fan und gehört einer Pfingstkirche an.
"Eliezer singt mit Liebe. Die Liebe, die er von Gott empfängt, vermittelt er uns. Wir alle beten doch den gleichen Gott an, und das eint uns. Uns eint die Liebe, die wir von ihm empfangen."
Dass seine Musik über Religionsgrenzen hinweg Menschen anspricht, empfindet Eliezer Barletta als Segen. Das hebräische Wort Atzmus bedeute doch schließlich "göttliche Essenz".
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