Gedenken an den Urvater der Gegenkultur

Von Almuth Knigge · 16.08.2009
Seit 1990 treffen sich alljährlich Frank-Zappa-Fans in Bad Doberan an der Ostsee. Und auch im diesem Jahr versammelten sich "Zappatrioten" aus der ganzen Welt, um Musik zu hören und den verstorbenen Rockmusiker zu würdigen.
Start zur 20. Zappanale. A tribute to Frank Zappa – dem Godfather des Subversiven. Einmal im Jahr wird er geehrt - und seine Anhänger – die kommen von überall her.

"Canada, Sweden Finnland Conneticut USA. Ich komme aus Quedlingburg im Harz."

Das Ritual ist jedes Jahr das gleiche.

"Ankunft in Bad Doberan, erstmal zum Denkmal, kleine Gedenkminute einlegen, irgendwann Blumen hinlegen."

Und dann eintauchen in die Masse der Gleichgesinnten. Freak out, das Zauberwort, der Zappa-Code, mit dem sich alle hier begrüßen. In Ehren ergraute Alt-68er - wie Thomas Dippel. Er ist der Pressesprecher und Vorsitzender der ARF-Society.

Benannt nach dem degenerierten Pudel, der nicht richtig bellen konnte, und den Zappa immer als Symbol für die degenerierte amerikanische Gesellschaft als Plattencover genommen hat.

Dippel ist eigentlich Beamter beim Ordnungsamt und stellt seinen Jahresurlaub in den Dienst des Urvaters der Gegenkultur. Dem Inbegriff für die umstürzlerische Gesinnung, für Musik und Satire – und für musikalische Virtuosität. Freak out – ist das Signal der Befreiung.

"Und Zappa hatte quasi ´66, als er sein erstes Album Freak Out rausgebracht hat, auch diesen Begriff geprägt. Ausbrechen aus gesellschaftlichen Normen, Widerstand gegen festgefahrene politische Strukturen, gegen wirtschaftliche Strukturen, hat sich gegen die Herrschaft der Plattenindustrie gewandt und hat so viele Symbole in die Studentenbewegung gebracht. Diese Leute sitzen jetzt alle völlig etabliert in ihrem Job und die nehmen alle diese drei Tage noch mal ne Auszeit, man sieht das auch ihnen nicht an, aus welchen Berufen sie kommen und erleben noch mal dieses Gefühl der 68er, hier ist die gleiche Altersstruktur, von der Gesinnung her sind wir alle gleich …"

Nord-Süd-Ost-West – ehemaliger Klassenfeind – egal. Angefangen hat alles 1990, die Mauer war gerade gefallen, da organisierte Wolfhard Kutz das erste Treffen der Zappatrioten. Das war einen Tag vor der Währungsunion. Knapp 70 Leute kamen.

"Es war mehr als so ne Art Party gedacht, wir haben in einer Klosterruine mit einem Treckeranhänger, wo wir die Seitenklappen runtergemacht haben angefangen."

Heute gibt es immer noch eine Truckbühne, aber es ist nur eine von dreien und mittlerweile kommen 7000 Besucher und mehr nach Bad Doberan.

1973, Kutz war 17, gab ihm ein Freund eine Langspielplatte, Burnt Weeny Sandwich. Und das verkohlte kleine Sandwich veränderte vieles in seinem Leben.

"Damals hatte ich noch ein Mono-Tonband-Gerät, aber selbst mit dem habe ich schon gehört, dass hinter dieser Musik viel mehr steckt und viel mehr stecken muss."

Er organisierte Zappa-Platten, verhökerte sie auf dem Schwarzmarkt, schmuggelte sie in der Seitenverkleidung seines alten Wolgas und geriet in das Visier der Stasi. Die Staatsmacht fand die Musik von Zappa geeignet, den Protest gegen den Staat zu organisieren.

"Zappa hat immer mal provozieren wollen und das war genau der Punkt: Die Hippie-Szene in der DDR wollte auch provozieren und da war man bei Zappa genau an der richtigen Adresse."

Im Gegensatz zur Zappa-Szene in den alten Bundesländern.

"Ich denke mal, Zappa war so mehr oder weniger passte das in diese Sponti-Szene ja so rein, bei den Studenten, das berühmte Klo-Poster hing ja fast in jeder Studenten-WG drin und man hat sich da mehr so an dem Humor von Zappa erfreut."

Die Fans im Osten dagegen, sie holten sich Kraft durch Zappas unverhohlene Sozialkritik.

"''Das hat man ja im ganzen Ostblock damals gemerkt, die Verbindungen zu Vaclav Havel, und er sollte ja irgendwann mal Kulturbotschafter werden, und er ist in diesen ehemaligen kommunistischen Ländern viel stärker als politische Person wahrgenommen worden, und weniger als Künstler, das ist denke ich mal ein sehr großer Unterschied.""

Seitdem ist Bad Doberan das Zentrum der Zappa-Mania. Die kleine Stadt ist, wir erinnern uns, ein staatlich anerkanntes Heilbad mit Europas ältester Galopprennbahn - und einem weltberühmten Stadtteil - Heiligendamm. Auf der alten Rennbahn, in Sichtweite der Bühne, haben die Zappatears ihr Zelt aufgeschlagen. Ein weltumspannendes Forum von Zappa-Jüngern.

"Das ist ne ganz spezielle Stimmung. Ich bin jetzt zum sechsten Mal hier und es ist einfach immer wie wenn man nach Hause kommt."

"Die Zappatears sammeln und wechseln die Musik von Zappa und chatten darüber. Es ist sehr schön, macht immer Spaß hier, ich finde das besondere ist, das es immer was anderes ist, es langweilt nie."

Ein paar Zappa-Lookalikes lehnen am Baum, eine Flasche Wasser in der Hand, früher wäre es vielleicht Bier gewesen. Im Kinderzelt kleben sich die Kleinen schwarze Bärtchen aus Filz an, während ihre Eltern mit Melodica und Gitarre ihrem musikalischen Idol huldigen.

"Zappa kann man nicht beschreiben und schon gar nicht einordnen, er war ein einzigartiger Komponist und ich hoffe, dass man das eines Tages begreift und auf eine Stelle mit Mozart stellt."

Man hört wieder abenteuerliche E-Gitarrensoli –und manch Fan fragt sich, probst du noch oder spielst du schon? Egal - Zappa-Fans sind liebenswürdig –und treu – und singen und schwelgen … und tauschen alte Konzertmitschnitte.

"Ja, da steckt ein Körnchen Wahrheit drin. Zappa ist für Leute die ein Abenteuer suchen, wenn sie Musik hören."

"Schon allene das Feeling ringsherum ooch so die Leute, man trifft immer die gleichen seit Jahren auch das ganze Feeling, locker nicht so verkrampft wie so bei den Mammut-Konzerten, wo man ewig anstehen muss um in der ersten Reihe zu stehen."

"Also wir haben zu hören bekommen, dass das Programm spitzenmäßig gewesen ist, dass man keine Idee hat, wie man das beim 21. Mal toppen soll, und die Stimmung war grandios und das Publikum war hingerissen und so eine schöne Stimmung hab ich auch selten erlebt die letzten Jahre."

"Jetzt geht´s noch mal richtig ab."