Gedenken an Blues-Legende Honeyboy Edwards

Ein Zeitzeuge wie aus dem Bilderbuch

David Honeyboy Edwards bei einem Auftritt in San Francisco im Januar 2011 zum Gedenken an den 100. Geburtstag von Robert Johnson, dem genialsten aller "Mississippi-Delta"-Bluesmänner
David Honeyboy Edwards bei einem Auftritt in San Francisco im Januar 2011 zum Gedenken an den 100. Geburtstag von Robert Johnson, dem genialsten aller "Mississippi-Delta"-Bluesmänner © imago / ZUMA Press
Von Bernd Gürtler · 29.06.2015
Mit Honeyboy Edwards starb 2011 der letzte große Zeitzeuge des Mississippi Delta Blues. Er war dabei, als der sagenumwobene Robert Johnson von einem gehörnten Ehemann tödlich vergiftet wurde. Am 28. Juni wäre Honeyboy Edwards 100 Jahre alt geworden.
Honeyboy Edwards konnte das Mississippi Delta lebendig werden lassen. Sobald der verwitterte alte Mann mit dem lustigen Spitzbart ins Erzählen kam, sind seine Zuhörer eingetaucht in die archaische Welt der Baumwollplantagen, der Bluessounds, der Juke Joints, wie die Musikkneipen der schwarzen Landbevölkerung im Süde der Vereinigten Staaten genannt wurden.
"Irgendein Juke Joint fand sich immer, schwarzgebrannter Whiskey ist dann meistens nicht weit gewesen. Freitag, Samstag wurde ein Huhn geschlachtet und Hühnersandwich verkauft. ... Kaninchen wurden geschlachtet, jeder wollte sich was dazu verdienen. Fisch aus dem nächstbesten Tümpel wurde gebraten. Man hatte nicht viel und machte das Beste daraus."
Geboren wird Honeyboy Edwards unweit von Shaw, Mississippi, als Sohn bettelarmer Plantagenarbeiter. Musik gehört zu seinem Alltag. Sein Vater spielt Gitarre und Geige und bringt ihm manches bei. Als Honeyboy Edwards 17 ist, wird Big Joe Williams sein Mentor.
"Big Joe Williams war einer der Gründerväter des Mississippi Delta Blues, sein 'Baby Please Don't Go' gilt als Klassiker."
1941/42 ist Folkloreforscher Alan Lomax zwei Mal im Mississippi Delta unterwegs und besorgt Field Recordings für die Library Of Congress. Er bekommt Honeyboy Edwards vors Mikrofon. Fast wäre die Begegnung nicht zustande gekommen, Alan Lomax war mit einem verdächtigen Automobil unterwegs:
"Alan Lomax fuhr einen nagelneuen 1932er Hudson Super Six. Sah man selten, so eine Nobelkarosse bei uns in der Gegend. Meine Tante dachte, die Polizei sei hinter mir her. Sie war ernsthaft in Sorge."
Keiner seiner Songs schrieb Geschichte, aber er konnte sich gut erinnern
Ein Song aus seinen Alan-Lomax-Sessions heißt "Army Blues". Die Songfigur wollte lieber als Soldat im Zweiten Weltkrieg kämpfen als sich noch länger den Rassenschranken der amerikanischen Südstaaten zu unterwerfen und als Mensch zweiter Klasse behandeln zu lassen. Leider ist das kein Klassiker geworden.
Kein einziger seiner Songs sollte Bluesgeschichte schreiben, auf sein Konto geht keine bedeutende Stilvariation. Honeyboy Edwards wird vor allem wegen seines vitalen Erinnerungsvermögens geschätzt und weil er Robert Johnson kannte. Der genialste aller "Mississippi Delta"-Bluesmänner, der für sein überragendes Talent angeblich dem Teufel seine Seele verkauft hatte, hätte beinahe in seine Familie eingeheiratet.
"Ich traf Robert Johnson 1937, er ging mit meiner Cousine aus Tunica, Mississippi, Anna Mae Powell. Robert kam damals von Schallplattenaufnahmen in Texas. Alle seine Songs sind in den nächsten drei Monaten auf Schallplatte erhältlich gewesen, 'Come On In My Kitchen', 'Hellhound On My Trail', 'Crossroad Blues'."

Die "Delta Queen", 1927 vom Stapel gelaufen, war lange Jahre der älteste noch in Betrieb befindliche Raddampfer. Bis 2008 war er auf dem Mississippi und seinen Nebenflüssen unterwegs. Auf dem unter Denkmalschutz stehenden Schiff konnten Reisende mehrtägige Flußfahrten unternehmen.
Die Delta Queen - der 1927 gebaute Raddampfer verkehrte bis 2008 auf dem Mississippi.© dpa / Delta Queen Steamboat Co.
Mit vergiftetem Whisky ins Jenseits befördert
Mit 27 Jahren starb Robert Johnson 1938 lange vor seiner Zeit. Der Betreiber des Three Fork Juke Joints unweit von Greenwood, Mississippi, hätte ihn angeblich aus Eifersucht mit vergiftetem Whiskey ins Jenseits befördert. Was jahrzehntelang nichts weiter als eine Legende war, Honeyboy Edwards konnte den Wahrheitsgehalt bestätigen, er war dabei.
"Robert arbeitete für den Mann schon sechs Monate und begann mit dessen Frau ein Verhältnis. Ich traf an jenem Abend gegen elf ein, Robert mit seiner Gitarre in der Ecke. Die Leute wollten, dass er spielt. 'Mir geht es nicht gut.' Jeder dachte, er wollte bloß noch einen Drink. Robert hatte schon ordentlich von dem vergifteten Whiskey getrunken. Er begann zu spielen, konnte nach einer Stunde aber nicht mehr. Man legte ihn nebenan aufs Bett. Jemand schaffte ihn später mit dem Auto nach Greenwood. Hätten wir Schwarzen bessere Ärzte gehabt, er hätte vielleicht überlebt."
Honeyboy Edwards war ein Zeitzeuge wie aus dem Bilderbuch, er konnte und wollte sich erinnern. Wer ihm begegnet ist, war sich sicher, dass es Robert Johnson und den Mississippi Delta Blues wirklich gegeben hatte.
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