Future Brown

Die neue Supergroup des Pop

Die Band Future Brown
Die Band Future Brown © Rough Trade / Benjamin Alexander Huseby
Von Martin Risel · 02.03.2015
Das Popfeuilleton hat eine neue Lieblingstruppe: Future Brown. Das Produzentenkollektiv aus New York, L.A. und Kuwait mischt global beats mit HipHop, Grime und R & B. Im Berliner Club Berghain spielte es jetzt sein erstes Deutschland-Konzert.
Läuten diese Glocken ein neues Popzeitalter ein? Klingt so die Zukunft oder wollen Future Brown nur spielen, mit solchen Anspielungen oder überhaupt?
Sie will jedenfalls Party machen, rappt da die 20jährige Tink aus Chicago, eine der vielen Gesangsgäste auf diesem Debut-Album, aus dem das Popfeuilleton gerade so viel heraus diskursen will.
Alle Bandmitglieder sind DJs oder Produzenten, alle haben Migrationshintergrund
Future Brown ist eine Art Supergroup: Vier twentyhirtysomethings aus den USA, allesamt selbst bekannt als DJs und Beatproduzenten. Allesamt mit Migrationshintergrund, wie man hier so schön sagt und wie es die vier hassen würden.
Fatima Al Qadiri heißt die bekannteste, ihr Solo-Debut war 2014 Spex-Platte des Jahres. In Berlin war die New Yorkerin jetzt nicht, wegen Knieoperation daheim in Kuwait.
Die zweite Kosmopolitin heißt Asma Maroof, geboren in Maryland mit indischen Wurzeln, Teil des hippen DJ-Duos Nguzunguzu. Und die sagt über ihr Quartett Future Brown:
"Wir bezeichnen uns nicht als Band, sondern als Gemeinschaftsproduktion mit uns vier als Kern und vielen Gesangspartnern. Auf unserem ersten Album hat fast jeder Track einen anderen Sänger."
Vor fünf Jahren sind sie sich in New York City begegnet bei gemeinsamen Freunden und DJ-Sets. Seit drei Jahren spielen sie zusammen als Future Brown. Aber was soll eigentlich dieser Band-, Pardon: Projekt-Name? Eine Farbe aus der Zukunft?
"Bei einem Pilztrip entstand die Idee zum Konzept von einer Farbe, die es in der Natur nicht gibt. Wie unsere Musik – undefinierbar ..."
... sagt J-Cush, geboren in New York mit iranischen Wurzeln.
Aus einer dominikanischen Familie im melting pot Manhattan stammt eine der auffälligsten Sängerinnen auf diesem Debut-Album: Maluca, im Zusammenhang mit DJ Diplo, dem bisherigen König dieser global beats, ist sie bekannt geworden für Sounds, die sich Tropical Punk und Ghetto Tech nennen.
Die Sängerin Maluca kann wegen Bühnen-Angst nicht auftreten
Wegen Bühnen-Angst kann sie nicht selbst live auftreten, die digital natives haben ihre sozialen Krankheiten. Auf dem Future-Brown-Album sorgt diese Maluca für die buntesten weltmusikalischen Tupfer mit ihren Raps zwischen karibischem Reggaeton und afrikanischem Kuduro.
Längst ist dieser Herzschlag mit Synkopen aus den Strandbars in die Metropolen und zurück gehallt. Future Brown feiern das Globale der Regionen: Neben solchen worldbeats ist das HipHop aus Chicago und New Orleans, Grime aus Großbritannien, dancehall aus sonstwo. Und: Hat dieser Sound von morgen heute schon einen Namen?
"Ich ringe immer mit dieser Frage nach unserem Genre. Meine Antwort: Clubmusik."
Für den Club ist sie gemacht, wer schließlich kann das hektische Beat-Gezappel zuhause ertragen?
Beim ersten Deutschland-Auftritt von Future Brown jetzt am Wochenende im Berliner Berghain, da konnte man dann auch eher Ernüchterung erleben. Die Jung-Futuristen an Laptop und Sequenzer, gerade mal zwei der vielen Gastsänger dabei, kaum Visuelles, keine Show. Nicht wie ihre Performance in New Yorks Moma: Da hatten Future Brown Basketballer mitgebracht, die im Takt die Bälle prellen und dazu tanzen.
Auf der ersten CD findet sich auch Autotune-Gesäusel
Die hochgesteckten Erwartungen an das Album waren dann auch etwas relativiert, als dort einige Tracks mit nervigen Autotune-bearbeiteten Stimmen zu hören waren.
Musik
Dieses Autotune-Gesäusel ist ja nicht gerade der letzte Schrei. Allzu viele kleine und große HipHop-Produzenten belästigen uns damit schon seit Jahren. Und trotzdem: Fast alle Pop-Gazetten schreiben Future Brown jetzt den Sound der Zukunft zu.
"Es ist nicht unsere Absicht, futuristisch zu klingen oder neu. Natürlich sind wir nicht retro, wir beziehen uns auf keine Zeit. Die Leute können das selbst beurteilen."
Jedenfalls definieren Future Brown die Rolle von Beat-Produzenten und gemeinsamem Arbeiten heutzutage neu: Globaler Ansatz, internationale Inspirationen, digitale Verbundenheit.
Es wird wieder Zeit für neue Pop-Helden
Und außerdem: Es wurde wohl mal wieder Zeit für neue Helden im Zukunftsgenre - zehn Jahre nach dem Debut-Album von M.I.A., der britisch-tamilischen Vorgängerin dieses Sounds. Die hatte ja noch ihre Abstammung allzu deutlich gemacht. Sowas ist heute nicht mehr angesagt:
"Uns stört das, nur wegen unserer Wurzeln gefragt zu werden, welche politische Botschaften in unserer Musik stecken. Jeder Track hat eine Botschaft, jeder Sänger ist eine Person."
„Weißen Leuten stellt man diese Fragen nicht ..."
... meint Daniel Pineda. Der Futurist Nummer vier stammt aus Los Angeles mit dominikanisch-puerto-rikanischen Wurzeln. Oder darf man sowas jetzt gar nicht mehr sagen im politisch-korrekt-Sprech?
"Wir haben das Album nicht als politisches Statement gemacht. Ich bin zwar total solidarisch mit der Schwarzen-Bewegung in den USA. Es gibt da ein großes Problem mit Polizei und Rassismus, auch auf der ganzen Welt. Aber ein Future Brown-Album ist ein Future Brown-Album."
Als gäb's davon schon zwanzig. Das Debut-Album läutet jedenfalls nicht ganz so laut wie manche meinen. Aber bestimmt wird Madonna bald bei den Jung-Futuristen anklingeln, um für ihr nächstes Album mal wieder frische Produzenten anzuheuern. Hoffentlich wird sie nicht wieder hinten überfallen, wenn die vier dann lustlos antworten: Madonna, wer war das noch?
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