Florian Werner liest Musik

"All in a Day's Work" von Dr. Dre

Dr. Dre bei der Premiere des Films "Straigt Outta Compton"
Dr. Dre bei der Premiere des Films "Straigt Outta Compton" © AFP/ Valerie Macon
Von Florian Werner · 11.09.2015
Dr. Dre ist einer der berühmtesten und reichsten HipHop-Künstler der Welt. 16 Jahre hat er für sein drittes und angeblich letztes Album gebraucht. Warum die Arbeit so lange gedauert hat, könnte der Song "All in a Day's Work" erklären.
"Work songs" stellen innerhalb der afro-amerikanischen Musikgeschichte ein eigenes Genre dar. Ursprünglich wurden sie gesungen, um die Arbeit erträglicher zu gestalten und die Bewegungen beim Holzhacken oder Steineklopfen zu synchronisieren. Das Lied "All in a Day's Work" von Dr. Dres neuem Album "Compton" ist nun in doppelter Hinsicht ein work song: Es besingt die Qualen der Erwerbstätigkeit. Und: Es ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit.
"Work hard
Workin' so hard
24/7, 3-6-5
365, hard work
It's all in a day's work"
War der Druck auf Dr. Dre zu viel?
24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr - so hochtaktig will Dr. Dre an seinem Album geknechtet haben.16 Jahre mussten Fans auf das neue Soloalbum des Produzenten und Rappers warten. Der daraus resultierende Druck muss schwer auf dem guten Doktor gelastet und die Veröffentlichung der längst angekündigten Platte immer weiter verzögert haben.
All the fans and all the fame,
And though I gave everything to this game
They still complain
Now what the fuck do y'all expect me to do?
There's so much fuckin' pressure
There's so much pressure
It's all in a day's work.

Tatsächlich scheint André Young an chronischem Workoholismus zu leiden. Mit einem geschätzten Vermögen von knapp einer Milliarde Euro in der Tasche, sechs Grammys im Schrank und 50 Jahren auf dem Buckel könnte er sich auch allmählich der Orchideenzucht widmen oder ein anderes zeitintensives Hobby suchen. Stattdessen verbringt er Tag für Tag im Aufnahmestudio - ein Sklave seines protestantischen Arbeitsethos.

We gotta work
We gotta work
Let's get back to work
On the grind, back to work
Let's work
Zurück ins Studio, Dr. Dre!
Ketten klappern, Südstaatenstimmen brummeln: Fast klingt es, als wollte Dr. Dre hier die Thesen zu "Überwachen und Strafen" des Philosophen Michel Foucault vertonen. Hielten früher Gefängnisaufseher und Sklaventreiber die Menschen in Schach, sind die Unterdrückungsmechanismen inzwischen internalisiert. Der moderne Arbeiter diszipliniert sich zwanghaft selbst. Anstatt Freunde zu treffen oder zu feiern, schuftet er immer weiter.
Rich as fuck, but guess what, I'm back to work.
Overseas, back home, no time to sleep, I'm back to work.
So many people that I love, they want my time, but I got to work.
Some of my friends don't understand, shit, I got to work.
Always talkin' 'bout bustin' the club, but I'm like, "Fuck that, I gotta work".
If you really wanna do it like this, shit you better get back to work.
Back to work!
"Compton", so hat Dr. Dre angekündigt, werde sein letztes Solo-Album sein. Aber: Dass er nun einfach die Hände in den Schoß legt, erscheint angesichts dieses Songs doch äußerst unwahrscheinlich. Ketten, auch geistige, lassen sich nicht so einfach abschütteln. Der innere Sklaventreiber schwingt schon wieder die Peitsche. Zurück in den Steinbruch, zurück ins Studio! An die Arbeit!
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