Etana

Eine starke Stimme der Frauen

Fahne von Jamaika
Jamaikas Fahne: Die Sängerin Etana pendelt zwischen ihrer Heimat, Florida und dem Rest der Welt © dpa / picture alliance / Frank Rumpenhorst
Von Martin Risel · 24.02.2015
Sie ist seit Jahren die beste Reggae-Sängerin aus Jamaika − Etana. Für viele junge Frauen ist sie auch eine feministische Ikone. Martin Risel hat Etana bei ihrem Konzert in Berlin zum Interview getroffen.
(Musik: "Blessing")
"Etana bedeutet: Die Starke. Und ich möchte damit Frauen auf der ganzen Welt bewusst machen, wie machtvoll sie sind."
Und dass das keine Masche ist, sondern sie ihren Namen, ihre Überzeugung lebt, das spüre ich schon, als sie die Hotellobby betritt zum Interview-Termin. Dieser stolze Schritt auch, als sie die Bühne betritt zum Konzert ein paar Stunden später.
Und da vorne steht nicht nur eine außergewöhnlich gute Sängerin mit einer Soul-geladenen Stimme, die manchmal an die junge Aretha Franklin erinnert und sie zu den weltbesten ihres Genres macht. Etana ist eine schöne Erscheinung mit Aura und ohne Model-Figur. Eine, die ihre Musik und ihre Band in der Hand hat. Die Musiker sind ausschließlich Männer – so ist das noch immer im Reggae. Doch damit ist sie ganz natürlich aufgewachsen daheim in Jamaika und später in Florida – inmitten von sechs Brüdern.
"Wir haben viel gekämpft, ich wollte wie die Jungs sein."
Schöner singen als die Brüder konnte sie. Mit acht die ersten Aufnahmen, mit 18 die ersten – schlimmen – Erfahrungen in einer Girl group, die von der Plattenfirma in die typischen Klischeerollen der macho-dominierten Musikindustrie in Jamaika gepresst wird:
"Vielleicht waren es diese ganze Anforderungen, wie man sich zeigen sollte: Möglichst nackt und dürr und mit bestimmten Frisuren – oder was man essen sollte. Aber ich bin nicht so eine. Ich zeige mich so wie ICH will. Und das war hart für mich, damit umzugehen."
Und so wurde sie zu Etana, ging ihren eigenen Weg.
(Musik: "On my way")
"On my way" ist eine typische Etana-Nummer: Eine biografische Geschichte, verpackt in schöne Melodien und gut tanzbaren RootsReggae. Zu finden auf ihrem aktuellen, vierten Album "I rise". Seit ihrem Debut "The strong one" vor sieben Jahren haben sich die Machismo-Tendenzen in Jamaikas Musik-Szene etwas verbessert: Es stehen jetzt auch mal andere Frauen vorne am Mikrofon und nicht nur hinten als Backgroundsängerin.
So hat auch Etana angefangen beim Sängerkollegen Richie Spice. Bis dessen Management entschied: Die muss da weg, diese Stimme ist zu starke Konkurrenz.
Homophobie und Machtgier
Aber es ist nicht nur das Macho-Business im Reggae, das sie anprangert. Sondern auch die in Jamaika stark verankerte Homophobie.
"Das gibt es schon so lange. Und viele Leute in Verwaltung und Regierung, viele Politiker sind schwul und oft auch pädophil. Also: Wenn Jamaika das loswerden will, dann zuerst von der Spitze her."
Keiner ihrer Reggae-Kollegen formuliert das so deutlich, vielleicht etwas überdeutlich. Aber wie soll man gegen die homophoben Tendenzen in der jamaikanischen Gesellschaft angehen?
"Wenn Du nicht bei der Regierung anfängst, wie soll das beim Volk klappen? Die großen Köpfe haben soviel Macht, besonders über die Jüngeren, über die Jungs, die zu ihnen kommen für Geld. Also: Das ist nicht einfach loszuwerden, weil es so tief sitzt."
Denn das liegt noch in Jamaikas Sklaverei-Geschichte historisch begründet. Dem setzt Etana eine andere Tradition entgegen: Ihren starken Glauben an die Religion der Rastafaris. In der gilt König Haile Selassie als Messias:
"Haile Selassie sagt: Als Rastafari hat jeder das Recht, zu leben wie er will. Also wer bist du, darüber entscheiden zu wollen? Und ich sage jedem auf der Welt: Lasst die Kinder in Ruhe und erlaubt ihnen, selbst zu entscheiden, was, wer und wie."
Bedingungslose Liebe zu den Kindern
Emanzipation, Freiheit und Toleranz sind Etanas große Themen. Und die gibt die 31-jährige Mutter auch ihren zwei Kindern mit auf den Weg:
"Meine Kinder sind meine Kinder. Und ich werde ihnen nicht sagen, wie sie ihr persönliches Leben zu gestalten haben. Wie auch immer – ich liebe sie bedingungslos. Sie sind meine Kinder."
Und diese Kinder leben bei der Oma in Florida, wenn die Mutter mal wieder pendelt zwischen dem Haus da und den Studios in Jamaika. Oder wie jetzt auf Europa-Tournee ist.
Und wenn Etana dadurch mal solange von zuhause weg ist, dann wird die Starke auch mal schwach vor Sehnsucht.
"Lass uns nicht darüber reden: Ich vermisse meine Tochter total. Auch meinen Sohn. Mit dem telefoniere ich öfter. Aber sie will nicht mehr, ich bin zu lang weg, da schaltet sie ab."
(Musik: "Jamaican woman")
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