Dirigent Jean-Christophe Spinosi

Tanzende Klarinettisten im DHM

Der mit einer modernen Glas-Stahl-Konstruktion überwölbte "Schlüterhof" des Zeughauses Unter den Linden in Berlin - heute als Deutsches Historisches Museum genutzt. (aufgenommen 2005)
Nicht gerade Orchester-tauglich - der mit einer modernen Glas-Stahl-Konstruktion überwölbte Schlüterhof im Deutschen Historischen Museum Berlin. © picture-alliance / ZB / Wulf Beil
Von Philipp Quiring · 19.05.2015
Mit der Akustik im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums hatten der junge, korsische Dirigent Jean-Christophe Spinosi und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin zu kämpfen. Also passten sie Musik und Spiel den Gegebenheiten an - und hatten trotzdem Spaß.
Freitagvormittag im Schlüterhof – im Deutschen Historischen Museum Berlin. Der korsische Dirigent Jean-Christophe Spinosi probt Wolfgang Amadeus Mozarts "B-Dur Serenade 'Gran Partita'". Mit minimalistischem Dirigat führt Spinosi durch die Probe, immer wieder setzt er gezielt Akzente, wenn er sich eine schärfere Artikulation wünscht oder mehr tänzerische Freiheit in der Gestaltung fordert. Vor zwei Jahren debütierte Spinosi mit dem RSO, jetzt ist er wieder hier.
"Persönlich habe ich die Arbeit mit diesem Orchester sehr geliebt. Ich finde sie reagieren sehr gut. Es gibt Musiker, die die Musik lieben: Es gibt die Synthese zwischen der Arbeit und der Liebe zur Musik. Wenn man vor ein neues Orchester kommt, mit seiner musikalischen Auffassung und seinen Ideen. Manchmal teilen alle Musiker sofort die Ideen und die Auffassung. Aber hier habe ich ein Orchester mit außergewöhnlichen Musikern, die ihre eigenen Ideen haben, meine aber auch mögen und dennoch wie eine Einheit spielen. Das ist eine Freude für mich, ein wirkliches Geschenk."
Ganz so einfach ist die gemeinsame Arbeit im Schlüterhof dann aber nicht. Auf Grund der hohen Decken und der gläsernen Verkleidung ist es für Dirigent und Orchester eine akustische Herausforderung hier zu proben und zu spielen. Zwar sind direkt über der Bühne Schallsegel angebracht, die Klangbalance des Orchester wirkt dennoch nicht ausgewogen. Die Streicher in den ersten Reihen klingen deutlich voluminöser als die Bläser dahinter und bedecken diese auch bei ihren solistischen Einschüben – was sich nicht vollends verhindern lässt.
"Das ist ein Kompromiss"
"Es ist wahr, dass die Akustik sehr speziell ist. Sie ist sehr sehr hallig. Also können wir mit einem Orchester nicht so gewichtig spielen, weil der Klang zu stark von den Wänden reflektiert wird. Deshalb sind die Stücke auch nach der Akustik ausgewählt, damit wir sie in dieser Umgebung interpretieren können. Das ist wahr, das ist ein Kompromiss. Man verliert die Details der Partitur, der Musik. Wir versuchen daher die Noten manchmal kürzer zu spielen und direkter."
Mozarts Serenade "Gran Partita" endet mit einer großen Feier im Finale. Ein Finale, das auch während der Probe für gute Stimmung und Gelächter sorgt.
"Es gibt den Moment, in dem Mozart ein bisschen rustikal und bäuerlich schreibt. Da habe ich den ersten Klarinettisten und den ersten Bassklarinettisten aufgefordert aufzustehen, um diese Noten zu spielen. Es ist einfach die Stimmung dieser Partitur, um zu tanzen und da können sie nicht einfach so sitzen bleiben. Also sollten sie aufstehen und sie haben das sehr spielerisch gemacht. Das war sehr lustig und wir haben während der Probe viel gelacht."
Jean-Christophe Spinosi – während der vergangenen Woche in Berlin. Mozart, Schönberg, Schoeck und Brahms standen auf dem Proben- und Konzertplan. Das Repertoire Spinosis ist jedoch noch breiter gefächert: von der Barock-Musik bis in die Gegenwart.
Mit der Barock-Violine verheiratet
Mit Sinfonischer Musik des 20. Jahrhunderts und vor allem seiner Arbeit im Bereich der historisch informierten Aufführungspraxis hat sich Spinosi einen internationalen Namen erarbeitet.
"Eines Tages, als ich 12, 13 Jahre alt war, habe ich an den 'Vier Jahreszeiten' von Vivaldi gearbeitet. Da hat mir jemand eine Aufnahme von Harnoncourt gegeben. Das war ein Geschenk von einem Freund der Familie. Also habe ich sie gehört und … Harnoncourt! Ich habe noch niemals so etwas gehört! Diese Geigen. Der Winter hat sich kälter angefühlt als 40 Grad (lacht). Der Sommer mit der Sonne, die brennt und durstig macht. Ich habe die Tiere schreien gehört und wirklich den Wind, den Wind der Trompeten. Ich war fasziniert. Das war außergewöhnlich – ein Schock! Und danach habe ich meinem Professor davon erzählt. Als er hörte, dass es Harnoncourt war, meinte er: 'Nein, nein, das ist nicht möglich! Du sollst das nicht hören!'" (lacht)
Ein prägendes Erlebnis für den von der Ausbildung her modernen Geiger und Dirigenten. Jean-Christophe Spinosi gründet sein eigenes Ensemble "Matheus" und spielt Opern von Vivaldi ein, die heute Referenzstatus besitzen.
"Also die Barock-Violine war ein bisschen wie meine Geliebte und die Barock-Musik auch. Aber als ich erwachsen wurde, habe ich meine Geliebte geheiratet. Aber ich war eher polygam, weil ich auch verheiratet blieb mit der romantischen und der modernen Musik. Das ist was, was man in der Musik machen kann, aber nicht im Leben!! Also (lacht) bin ich glücklich, dass mir die Musik das gibt!" (lacht)
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