Die Geige ist die schönste Frau

Von Jörn Florian Fuchs · 23.07.2011
Die Operette "Paganini" zählt zu den späten Stücken Franz Lehárs. Statt einer rührseligen Künstlerkomödie liegt der Schwerpunkt auf Einsamkeit und Melancholie. Regisseur Leonard Prinsloo hat den Autismus und das Dämonische Paganinis glänzend herausgearbeitet.
Durchaus ein wenig operettenhaft ist die Geschichte des Lehár-Festivals in Bad Ischl. Vor exakt 50 Jahren begann man am zentralen Wirkungsort des Komponisten mit sommerlichen Festspielen, doch mehrfache finanzielle Schieflagen und ein Brand des Theaters stellten die Zukunft immer wieder infrage. 1998 spielte man in einem Eissportstadion, ein Jahr später eröffnete das renovierte Kongress- und Theaterhaus Bad Ischl, das mit halbwegs akzeptabler Bühnentechnik aufwartet.

Finanziell steht Ischl im Vergleich zu anderen österreichischen Sommerfestivals gut da, Michael Lakner muss zwar mit einem Mini-Budget von etwas über einer Million Euro auskommen, aber eine Vier-Fünftel-Auslastung sorgt immerhin für einen hohen Eigenfinanzierungsanteil.

Heuer gibt es in Ischl, neben Ralph Benatzkys unverwüstlichem Singspiel "Im weißen Rößl", Franz Lehárs heute kaum mehr aufgeführte Operette "Paganini". "Paganini" zählt zu den späten Stücken Lehárs, es wurde 1925 in Wien uraufgeführt, die Titelpartie schrieb der Komponist für Richard Tauber. Statt einer rührseligen Künstlerkomödie legten die Librettisten Paul Knepler und Béla Jenbach den Schwerpunkt auf Einsamkeit und Melancholie. Titelheld Paganini ist zwar auch ein zwischen mehreren Frauen hin- und hergerissener Charmeur, letztlich überwiegt aber sein Wunsch nach Weltflucht. Allein mit seiner Geige verschwindet er am Ende in eine ungewisse Zukunft. Vorher verliebte er sich in eine sehr prominente Frau: Fürstin Maria Anna Elisa. Selbige ist unglücklich verheiratet, ihr Gatte macht mit diversen Affären von sich reden. Auch eine hübsche junge Sängerin ist Lustobjekt des grobschlächtig dumpfen Mannes, zu allem Überfluss verguckt sich auch Paganini in die Primadonna Bella Giretti. Und noch ein dritter Mann, der Jüngling hafte Marchese Pimpinelli, ist in die Dame verschossen... So viel Kolportage darf beziehungsweise muss wohl sein, schließlich handelt es sich ja um eine Operette.

Ganz erstaunlich ist die Partitur: Lehár bedient zwar die üblichen Walzerträume und Schenkelklopfer-Klischees, immer wieder reichert er den Orchesterpart allerdings mit Schärfen an, die Chöre erinnern an einigen Momenten sogar an Verdi, bei den trübsinnigen, tiefsinnigen Passagen ist die Musik eher nachdenklich, verschraubt, grüblerisch.

Am Pult des Franz-Lehár-Orchesters sorgt Vinzenz Praxmarer für eine saubere, angemessen schroffe Umsetzung der Partitur, gesungen wird gut bis exzellent: Vincent Schirrmacher überzeugt in der Titelpartie, Miriam Portmann singt die Fürstin klangschön und kräftig, Michael Pflumm glänzt als Pimpinelli, Verena Barth-Jurca stattet Bella Giretti mit Jungmädchencharme und leichter Dekadenz aus.

Regisseur Leonard C. Prinsloo führt eine zunächst recht elegante Schickeria vor, der Schlussakt spielt im Rocker- oder Punkermilieu, sehr heruntergekommene Gestalten lungern um brennende Mülltonnen herum. Sehr gut herausgearbeitet sind der Autismus und das Dämonische Paganinis sowie seine Vermarktung durch den von Gerhard Balluch schön polternd gespielten Agenten Bartucci. An einer Stelle zitiert Lehár tatsächlich den Komponisten Paganini, Marko Radonic tritt hier als ausgezeichnet geigendes Double auf. Leider lässt Leonard Prinsloo hier lemurenhafte Tänzer auftreten – der einzige Schwachpunkt einer musikalisch wie szenisch ansonsten sehr gelungenen Aufführung.
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