Debut von Cristobal and the Sea

Flower-Power-Folk aus London

Die Londoner Band Cristobal and the Sea
Die Londoner Band Cristobal and the Sea hat ihr erstes Album veröffentlicht. © City Slang / Elliott Arndt
Von Martin Risel · 05.10.2015
Cristobal and the Sea haben als junge Londoner Großstadt-Hippies eine Liebe für den Sound der Flower-Power-Ära. Und so klingt ihr Debütalbum "Sugar Now" genauso seltsam aus der Zeit gefallen wie ihr Bandname.
Für viele war das der schönste Sommerhit der Saison, was da so nach "Summer of love" klingt - als hätten The Mamas and Papas sich noch mal mit Sérgio Mendes' Band Brasil '66 zusammengetan.
Schon die erste Single von diesem Debütalbum erscheint seltsam aus der Zeit gefallen. Genau wie der Name dieser Band: Cristobal and the Sea.
"Cristobal bedeutet Christopher im Spanischen. Wir beziehen das auf Christopher Columbus und sein Hinauswagen ins Unbekannte. Und wir haben so eine interne Auseinandersetzung um seine Herkunft. Denn obwohl er Italiener war, sagen ja viele, er wäre Spanier gewesen oder Portugiese oder sogar Pole."
Unter Historikern toben tatsächlich Diskussionen um Kolumbus' Herkunft. Wie der Entdecker wollen auch Cristobal and the Sea jetzt mit ihrer Musik raus in die Welt. Die vier stehen für europäische Vielfalt: Joao Seixas' Familie kommt aus Portugal, geboren und aufgewachsen ist der studierte Philosoph in Luxemburg.
Kinder des globalen Dorfes
Flötistin Leila Seguin entstammt einer musikalischen Familie in Korsika. Alejandro Romero ist in Malaga geboren, in Marokko, Luxemburg und England aufgewachsen. Bei der Band bedient er Bass und Sampler.
Kein Wunder also, dass die Musiker auch mal Texte in portugiesischer und spanischer Sprache schreiben und sich als Kinder des globalen Dorfes sehen. Zusammen gefunden haben sie im beschaulichen Umfeld der Loughborough University in Mittel-England. Und sind so auch auf ihren Schlagzeuger Josh Oldershaw getroffen. Ein waschechter Brite aus Northampton, der dort Geschichte studiert hat, wo die Band jetzt beheimatet ist: In London. Also, warum nun solche Hippie-Musik im Jahre 2015?
"Wir haben nie gesagt, wir wollen klingen als kämen wir aus den 60ern - oder die damaligen Werte wieder bringen. Das geht gar nicht, die Welt ist jetzt eine andere. Aber das wird uns so zugeschrieben. Wir sind glücklich unsere Musik zu machen, wie immer sie auch bezeichnet wird."
Happy-Harmoniegesänge liegen luftig über den Songs wie ein buntes Batiktuch. Sommerlich-leichter Folkpop ist das mit Geflöte und Geklimper, Gebimmel und ab und an auch mal einem psychedelischen Abgrund-Akkord.
Charmant schluffig
Ohne die Klischees allzusehr zu strapazieren – aber diese munteren Vier mit ihren Wollpullovern, Zottelbärten und Paisleymustern sind Teil der aktuellen "Generation Großstadt-Hippie". Deren musikalische Anmutung kommt so charmant schluffig daher wie ihr Erscheinungsbild.
Die mit der großen Sehnsucht nach dem Leben auf dem Lande und nach "Love and Peace" der späten 60er.
"Ja, wir hören alle gerne Musik dieser Zeit, sind auch mit Beatles und sowas aufgewachsen. Natürlich nicht nur. Wir mögen auch diese psychedelische US-Rockmusik von damals..."
Und bei Joao Seixas ist das auch konkret in seiner musikalischen Sozialisation begründet:
"Ich erinnere mich an das erste Mal in einem Plattenladen. Meine Eltern kauften mir zehn CDs aus der Zeit, als sie jung waren: Von den Beatles, Mamas and Papas, The Doors, sowas... Für mich war das wie eine Offenbarung, diese Musik zu hören."
Purer Zeitgeist im Popformat
Was Cristobal and the Sea in einem Studio in Portugal aufgenommen und jetzt beim deutschen Indie-Vorzeigelabel City Slang veröffentlicht haben, das ist purer Zeitgeist im Popformat. Dabei sind sie wahrlich nicht die ersten, die in den Swinging Sixties schwelgen, begleitet von schönen Harmonien, Hoffnungen und Sehnsüchten der Neo-Hippies.
Cristobal and the Sea sind da noch authentischer. Sie klingen auf ihrem bemerkenswerten Debut "Sugar Now" wie der manchmal tropisch treibende, immer warme Wind auf einem der karibischen Eilande, die Kolumbus zunächst entdeckte.
Und setzen sich mit dieser Sehnsucht nach vergangenen Zeiten auch intellektuell auseinander auf die Frage, wann sie eigentlich am liebsten gelebt hätten:
Joao: "Woody Allen hat diese Frage im Film 'Midnight in Paris' beantwortet.
Alejandro: "Wir können nur in der Gegenwart leben, also geben wir uns vergangenen Zeiten hin wie in 'Midnight in Paris'. Man ist nie damit zufrieden, nur heute zu leben, das ist unbefriedigend."
Joao: "Das Leben war auch damals abstrus." (Lachen)
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