Arbeitswelt

Wenn betriebliche Veränderung zur Mode wird

Zwei gehetzte Büroarbeiter balancieren auf Bürostühlen
In Betrieben zählt heute der stetige Wandel, und nur selten werden Mitarbeiter in die Planungen einbezogen. © imago/Westend61
Von Marcel Schütz · 13.08.2015
Wenn in Unternehmen Veränderungen anstehen, regt sich schnell Widerstand. Aus guten Gründen, meint der Sozialwissenschaftler Marcel Schütz. Den Mitarbeitern leuchte der Nutzen oft nicht ein und so manche Management-Mode habe sich ohnehin bald überholt.
"Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit." Dies ist ein beliebter Spruch aus der Arbeitswelt. Er soll die Uneinsichtigen antreiben und die Einsichtigen beflügeln.
Management-Berater zitieren gern diese und andere kluge Worte, um für Wandel in Betrieben zu werben. Es zählt die stetige Veränderung. Weil der Begriff zu altbacken klingt, wird er neudeutsch zum "Change Management" gehypt. Gemeint ist, was immer schon selbstverständlich war: von Zeit zu Zeit ist es angesagt, Arbeit umzugestalten.
Aus Erfahrung zu lernen, Neues auszuprobieren und Arbeitsabläufe zu überprüfen, also eine Organisation weiterzuentwickeln, das geschieht ohnehin ständig. Und erfahrungsgemäß fallen große Revolutionen des Arbeitslebens einige Nummern kleiner aus, als von ihren "Gurus" angekündigt.
Mitarbeiter nicht befragt
Ob aber ein Prozess der Veränderung erfolgreich war, entscheidet letztlich nicht die Wortakrobatik, mit der er werbend unter die Leute gebracht wurde, sondern die Methode, wobei sich alle Experten rühmen, die richtige gefunden zu haben.
Diese Leute, die da agitiert werden, sind in der Regel gestandene, lebenskluge Frauen und Männer. Doch nur selten werden Mitarbeiter nach ihrer Erfahrung gefragt. Auch "Veränderungsseminare" ändern daran wenig. Es soll allzu oft abgenickt werden, was schon entschieden ist. Zu bereden sind nur noch Nebensächlichkeiten.
Das ist nicht der einzige Fehler, der viele gut gemeinte Veränderungen im Betrieb schon scheitern lässt, bevor sie überhaupt in Gang kommen.
Mal fehlt Führungskräften eine Antwort auf die allererste Frage, welchen Nutzen ein Wandel bringen soll. "Patentrezepte" überzeugen schnell. Das "komplette Lösungspaket" sorgt für leuchtende Augen. Es verspricht zeitnahe Ergebnisse, auch wenn es teuer eingekauft ist. Die Ernüchterung folgt jedoch prompt. Denn für pragmatisches Management gilt das gleiche wie für gesunde Ernährung: Mischkost bekommt besser als einseitige Diät.
Wandel per Druck erzwungen
Ein anderes Mal verstehen Leitende nicht, warum Veränderung nicht wie gewünscht gelingt. Sie vermuten, dass es an Konsequenz mangelt und wollen den Wandel per Druck erzwingen. Nachgeben, einen Gang zurückschalten, begreifen, wie Mitarbeiter ticken oder wo es klemmt, passt dem nicht ins Konzept, der sich vorgenommen hat, hart am Ball zu bleiben. "Hast Du es eilig, akzeptiere den Umweg", wäre da als Alltagserfahrung zu empfehlen.
Und schließlich werden manche Manager vom Wahn getrieben, sich selbst, ihre Kollegen und das Unternehmen ständig verbessern zu müssen. Sie suchen immer andere Wege, die Organisation abzuspecken, sie "smarter" und "agiler" zu machen, als gäbe es ein Naturgesetz, dass solches Treiben per se mehr Effizienz und Rendite bewirkt.
Ideen beschnitten
Das Gegenteil könnte eintreten. Ideen und Innovationen werden beschnitten, Freiräume entfallen, Stress steigt an, Fehler nehmen zu, Qualität leidet. Und schon nach kurzer Zeit ist ein nächstes Veränderungsprojekt fällig – und möglicherweise wird nunmehr ausgerechnet all das als hilfreich angesehen, was einst als Ballast abgeschafft wurde.
Das kann man so machen, wenn man handelt, als würde man Werkzeuge bewusst für einige Zeit ins Regal legen oder dort wieder herholen – je nachdem welche Aufgabe gestellt ist. Das kann man so machen, wenn man Fehler akzeptiert, auch Abstriche vom Konzept, wenn man voraussieht, dass Unvorhergesehenes, dass der Zufall nicht nur helfen, sondern massiv stören kann.
"Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit." Dies mag ein zynisch hinterher gerufener Spruch sein, aber auch eine Weisheit. Besser ist es, sein Leben selbst zu gestalten, ob allein oder im Team, als zum Getriebenen zu werden. Darum hüte sich der Betrieb zu allererst vor Management-Moden, an denen nur andere verdienen.
Marcel Schütz ist Doktorand der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Oldenburg. Sein Fachgebiet ist die Organisationsforschung. Als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes studierte er Germanistik, Bildungs- und Sozialwissenschaften in Bielefeld und Oldenburg. Daneben und anschließend war er im Personalbereich verschiedener Unternehmen tätig. Und er lehrt im Themenfeld Management, Organisation und Personal.
Marcel Schütz
Marcel Schütz© privat