Bollywoodlegende Asha Bhosle

Die größte lebende Playbacksängerin

Asha Bhosle am 15.09.2014 in Kalkutta
In Bollywood eine Legende, in Deutschland bisher unbekannt: die 81-jährige Asha Bhosle © imago / Hindustan Times / Subhankar Charkaborty
Von Thorsten Bednarz · 30.07.2015
Mit über 12.000 Songs hält Asha Bhosle den Weltrekord als "most recorded artist". Zu sehen bekommt man die Bollywoodlegende jedoch nur selten, denn sie ist Playbacksängerin. Am 1. August gibt die 81-Jährige in Berlin ihr erstes Deutschlandkonzert.
Erinnern Sie sich noch an diesen Song?
(Musikblende Cornershop: Brimful of Asha)
1997 war das einer der größten Hits für die britische Band Cornershop. Aber außerhalb des anglo-indischen Kulturkreises hat wohl kaum jemand verstanden, um wen es in diesem Lied ging: um Asha Bhosle nämlich, die wichtigste lebende Vertreterin der Playbacksänger in der indischen Filmindustrie.
Als dort der Tonfilm Einzug hielt, wollten die Regisseure sich nicht von ihren großen Stars der Stummfilmzeit trennen. Aber nur die wenigsten von ihnen konnten singen und so wurden und werden bis heute die Lieder von Playbacksängern eingespielt. Die sind teilweise wichtiger als die Hauptdarsteller selbst, denn die Qualität der Musik entscheidet in Indien über Erfolg oder Misserfolg eines Filmes an der Kasse.
In mehr als 1000 Filmen hat Asha Bhosle gesungen
Vor über 70 Jahren, Asha Bhosle war gerade einmal 10 Jahre alt, stand sie erstmals an einem Mikrofon und sang Playback. Inzwischen ist ihre Stimme in weit über 1000 Filmen zu hören, über 12.000 oder gar 13 000 Songs soll sie eingesungen haben und erhielt damit 2011 einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde als "most recorded artist".
Dabei begann ihre Karriere eher zögerlich, denn sie bekam in den vierziger und fünfziger Jahren nur die Songs angeboten, die die damals führenden Sängerinnen abgelehnt hatten: zwielichtige Frauen oder Vamps waren das, meist in den kleinen und unbedeutenden Filmen. Aber nach einer kaputten Ehe mußte Asha Bhosle ihre Kinder allein durchbringen, sie konnte es sich nicht leisten, wählerisch in ihrer Arbeit zu sein. Das erzählte sie auch dem amerikanischen Lifestyle-Magazin "The Nation" in einem Interview.
"Wenn ich den Song nicht mag, singe ich ihn nicht. Früher hatte ich keine Wahl. Ich musste singen, was ich bekam, denn ich musste ja meine Kinder großziehen. Heute ist die Musik ganz anders, die alten Zeiten sind vorbei. Es gibt einfach keine Gefühle mehr."
Mit dem Einzug des Jazz in Bollywood begann Asha Bhosles Siegeszug
Erst gegen Ende der 50er-Jahre, als amerikanischer Jazz seinen Einfluss auf die Musik Bollywoods nahm, wurde Asha Bhosle erfolgreich. Im Gegensatz zu anderen Sängerinnen konnte sie gut improvisieren, konnte sich die Songs so zu eigen machen, dass sie sowohl großartig klangen als auch glaubhaft die Geschichte des Films beförderten.
"Die alten Songs waren gut. Heute sind die Sänger nicht mehr anerkannt, weil es keine guten Komponisten mehr gibt, die sie anleiten. Früher dauerten die Aufnahmen einen Tag, wir improvisierten über die Melodien. Dadurch wurden die Songs persönlicher und besser. Manchmal brachen wir am Ende in Tränen aus, so intensiv wurden manche der Lieder. Wo gibt es das heute noch?
Früher wurde den Sängern die Situation des Liedes erklärt, man sagte uns, wer der Schauspieler sei und wer mit uns das Lied singt. Wir wurden sehr detailliert informiert. Wenn es etwa um eine Vergiftung in einem Lied ging, dann stand da, dass wir auch Schluckauf haben sollten. Also bauten wir einen Schluckauf in das Lied ein.
Heute ist alles vorgefertigt. Man setzt den Kopfhörer auf und singt los. Dann trinkst du etwas Tee und singst die nächste Melodielinie. Du verlierst völlig die Stimmung des Liedes, weil kein Lied mehr als Ganzes gesungen wird."
Leinwanddebüt mit 79
Bis heute kennt Asha Bhosle keine Ruhe. Sie betreibt eigene Restaurants, singt weiterhin ihre Lieder auf der ganzen Welt. Zum Beispiel auch mit dem amerikanischen Kronos-Quartett, mit Michael Stipe von REM für den Film "Bulletproof Monk" oder mit Boy George in "Bow Down Mister". Erst vor zwei Jahren, im Alter von 79 Jahren, gab sie ihr Leinwanddebüt als Schauspielerin. In dem Film "Mai" – Mutter – spielte sie die Rolle einer an Alzheimer erkrankten Frau, die von ihren Kindern verlassen wird. Einige Jahre zuvor, im Jahr 2002, komponierte sie ihren ersten eigenen Soundtrack, und als sie gar begann, sich mit Remixen ihrer eigenen Hits zu beschäftigen, da versagten die Kritiker ihr einhellig die Anerkennung. Hits wurden diese Songs trotzdem.
"Die Energie kommt vom Kopf oder Du wurdest damit geboren, so wie ich. Ich habe immer viel geredet und gelacht. Ich kann einfach nicht still sitzen. Ich kann keine zwei Stunden in der Ecke sitzen, da werde ich verrückt."