Bob Mould: "Patch the Sky"

Helle Melodien und düstere Geschichten

Der Sänger Bob Mould 2013 während eines Konzerts auf dem Forecastle Festival in Louisville
Der Sänger Bob Mould © imago/ZUMA Press
Von Marlene Küster · 06.04.2016
Bekannt geworden ist Bob Mould in den achtziger Jahren mit der Alternative-Punkband Hüsker Dü. Mit "Patch the Sky" ist jetzt ein neues Soloalbum erschienen. Wie viel persönlicher Schmerz da drin steckt, erzählt der Sänger im "Tonart"-Gespräch.
"'Hier bin ich, diese Stimmen höre ich in meinem Kopf ...'. Mit diesen Worten beginnt der Song 'Voices In My Head'. Dahinter steckt die Idee: Im Moment komme ich mit meinem Leben nicht zurecht. Ich fühle mich wie ein Schizophrenie-Kranker und mir bleibt nur die Flucht in Halluzinationen."
Bob Mould, Jeans und kariertes Hemd, dunkle Hornbrille, offener Blick, spricht über sein aktuelles Album "Patch The Sky".
Warum beginnt dieses Album mit einem Hilferuf? Bob Mould blickt gedankenverloren in die Ferne, schluckt und holt tief Luft:
"In den vergangenen Monaten sind enge Freunde von mir gestorben. Ich stelle mir vor, dass sie zum Himmel aufsteigen und dort ein Loch hinterlassen. Mit diesem Bild versuche ich meine Trauer zu bewältigen. Diese Gefühle drückt der Albumtitel aus."
Der Leidensdruck war so groß, dass der Mittfünfziger sich sechs Monate lang zurückziehen musste, sonst wäre er schier ausgerastet. Und er hatte zum Glück seine Musik.
"Jeden Tag habe ich konsequent komponiert und Texte geschrieben. Ich habe keine Freunde gesehen, ich habe meine sozialen Kontakte vernachlässigt. Ich war die ganze Zeit allein. Ich war zu dieser Zeit sehr schwierig, wütend, ungeduldig, aggressiv, verzweifelt. Ich hab niemanden um mich herum ertragen. Ich kenne mich gut genug und weiß, dass ich allein sein muss und dass ich dafür Zeit brauche."

Harte Gitarrenriffs

Zweifel suchten Bob Mould heim. Er setzte sich mit dem Tod und der Vergänglichkeit auseinander, schrieb tröstende, manchmal aber auch schmerzliche Texte. Im Song "The End Of Things" therapiert und konfrontiert er sich selbst mit realistischen Worten und harten Gitarrenriffs:
"Auf diesem Album sind die Gitarren sehr präsent: akustische und laute E-Gitarren – wie immer nach dem gängigen Schema: Gitarre, Schlagzeug, Bass, helle Melodien und düstere Geschichten. Doch dieses Mal ist der Kontrast noch stärker, die Worte haben eine tiefere Bedeutung."
"Hier finde ich keinen Schutz", heißt es im Song "Monument", "hier bin ich erbarmungslos dem peitschenden Wind und dem strömenden Regen ausgesetzt, mich überkommt tiefe Traurigkeit, aber irgendwie hoffe ich doch noch einen Sonnenstrahl zu finden..."
Im Song "Losing Sleep" dagegen: melodische, ruhige Momente: Hier geht es um eine Autofahrt durch die kalifornische Wüste. Irgendwohin fahren, ziellos und rastlos, auf der Flucht vor den Sorgen, die einen plagen und vom Schlaf abhalten.
Bob Mould blickt auf eine bewegte Karriere zurück: Mit ihren sozialkritischen Texten wie auch ihrem improvisatorischen Können bei Live-Auftritten machte seine Band Hüsker Dü auf sich aufmerksam. Auch Bob Moulds metallischer Gitarrensound war für die damalige Zeit einzigartig und prägte den Klang der Band. Als eine der ersten amerikanischen Underground-Bands der Achtziger hatte Hüsker Dü einen Plattenvertrag mit der großen Plattenfirma: Warner Brothers. Die Band ebnete den Weg für den einige Jahre später folgenden Alternativ-Rock. Was sind für Bob Mould die Höhepunkte seiner Karriere?

Vorbild für Nirvana

"Das Album 'Copper Blue' mit meiner Band Sugar 1992 war für mich ein einzigartiger Erfolg. Doch kam ich schon in den achtziger Jahren mit der Band Hüsker Dü ziemlich gut an. Als Post-Punk-Band waren wir sehr einflussreich, ja vielleicht sogar Wegbereiter für den Sound, an den Nirvana anknüpften. Es war wunderbar, zu dieser Zeit ein Rock-Star in England zu sein. Dort hatte ich einen Plattenvertrag mit Creation Records. Und vor kurzem habe ich mit dem Ex-Schlagzeuger von Nirvana Dave Grohl zusammen gearbeitet. Dave sagte zum Publikum: 'Hört mal, Bob ist ein wichtiges Vorbild und wirklich eine große Inspiration für mich.' In den letzten fünf Jahren habe ich gemerkt, dass sich sehr viele Menschen für meine Musik interessieren."
Aus dem einst von Wut getriebenen Punker ist ein ruhiger, nachdenklicher Musiker geworden. Nach den schweren Zeiten des Verlusts klingt dieses Album so, als habe Bob Mould wieder neue Kraft und Energie gewonnen.
"Patch The Sky" – eine Momentaufnahme, ein gelungener Einblick in die Gefühlswelt von Bob Mould. Ein sehr gekonnter Kontrast zwischen lauten Gitarren, die wie Schreie nachhallen, und leisen Klängen, die Ängste und Fassungslosigkeit transportieren.
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