Berlioz' "Benvenuto Cellini" in Köln

Nicht komplett verjuxt

Vincent Le Texier als "Giacomo Balducci" und der Chor der Oper Köln in der "Benvenuto Cellini"-Inszenierung von Carlus Padrissa
© Oper Köln / Paul Leclaire
Von Stefan Keim · 15.11.2015
Die Kölner Oper nutzt derzeit das Staatenhaus im Rheinpark als Ausweichspielstätte. Dort inszenierte Carlos Padrissa "Benvenuto Cellini" von Hector Berlioz mit spektakulären Bildern, die sich jedoch im Lauf des Abends abnutzten. Musikalisch eine achtbare Leistung.
Im Herbst 2018 soll das Kölner Opernhaus wieder eröffnet werden. So lautet die aktuelle Schätzung. Immerhin wird in Köln noch Musiktheater gezeigt. Die Oper hat nun mit "Benvenuto Cellini" ihre Ausweichspielstätte eröffnet, das Staatenhaus im Rheinpark.
Eigentlich sollten die riesigen Hallen aus den zwanziger Jahren zu einer Musicalbühne umgebaut werden. Ein bisschen fühlt man sich auf dem Weg zum Spielort wie bei der Ruhrtriennale, in den Industrieanlagen des Ruhrgebietes. Die katalanische Gruppe La Fura dels Baus hat dort mehrmals inszeniert. Nach ihren wilden Anfangsjahren hat sie – angeleitet von Regisseur Carlos Padrissa – ihren Bilderorgienstil weichgespült und den Bedürfnissen des internationalen Opernbetriebs angepasst. Im "Benvenuto Cellini" gibt es zuerst spektakuläre Bilder, die sich aber im Lauf des vierstündigen Abends abnutzen. Die inhaltliche Deutung bleibt an der Oberfläche.
Immerhin hat Padrissa die inzwischen häufig gespielte Oper – eine andere Inszenierung hatte gerade im nahen Bonn Premiere – nicht komplett verjuxt. Zitate aus Cellinis Autobiografie laufen als Schriftband während der Ouvertüre und Zwischenspiele des Orchesters. Und wenn der Papst in goldener Rüstung mit einem riesigen Totenkopf auf die Bühne gerollt wird, vermittelt das Bild zumindest eine Ahnung von der Absurdität seiner Macht. Artisten in eng anliegenden Ganzkörpersuits klettern an Säulen und schwingen an Seilen, während sie mit ihren Körpern Bilder auf die Projektionswand malen. In der Karnevalsszene erinnern ihre Kostüme an riesige Quallen, wobei die schlangenartigen Tentakel auch an das Haupt der Medusa gemahnt.
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Der spanische Regisseur Carlos Padrissa© imago / Rudolf Gigler
Maßlose und die Konventionen der Oper in Frage stellenden Urfassung
Das kann man sich alles entspannt ansehen, Spannung schaffen diese Bilder aber nicht. Es ist auch schwer, diese Oper dramaturgisch straff auf die Bühne zu bringen. Zumal Kölns neuer Generalmusikdirektor Francois-Xavier Roth nicht die gängige, von Franz Liszt gekürzte Fassung der Oper spielt. Sondern versucht, die ausufernde, bewusst maßlose und die Konventionen der Oper in Frage stellenden Urfassung zu rekonstruieren.
Roth hat mit dem Gürzenich-Orchester und den größtenteils sehr guten Sängern viel gearbeitet und entfacht großen Klangfarbenreichtum. Es gibt nur zwei Probleme: Einmal ist das Orchester in der Halle weit im Hintergrund postiert. So kommen zwar die Sänger ausgezeichnet zur Geltung, die Instrumentalpassagen allerdings klingen nicht präsent genug. Und manche Nummern finden einfach kein Ende. Es ist schon nachvollziehbar, warum Franz Liszt gekürzt hat.
Für die Titelrolle braucht man einen sehr hohen Tenor, der die Höhen nicht nur schafft, sondern sie heldisch schimmern lassen kann. Das gelingt Ferdinand von Bothmer in seinem Rollendebüt. Auch Cellinis Geliebte Theresa (Emily Hindrichs) und die Hosenrolle seines Gehilfen (Katrin Wundsam) sind perfekt besetzt.
Immer wieder gibt es schöne Momente in dieser Aufführung, aber insgesamt fehlt ein klarer inhaltlicher Zugriff. Gerade in Köln wäre es nötig, das Verhältnis von Kunst und Machthabern mal kritisch zu durchleuchten. Dass der Papst sich am Ende nicht traut, den Künstler zu bestrafen, weil der mit der Zerstörung einer noch nicht gegossenen Skulptur droht, ist aus heutiger Sicht eine Utopie. So viel Kunstsinn traut man kaum einem Potentaten zu. In Köln fällt der Spannungsbogen gegen Ende immer mehr ab, Carlos Padrissa lässt noch mal alles auf die Bühne schieben, was man vorher schon gesehen hat. Und irgendwann ist es dann aus. Immerhin ist die Aufführung musikalisch eine achtbare Leistung, und in Köln kann wieder Oper gespielt werden. Allein dafür muss man dankbar sein.
Weitere Aufführungen: 19., 21., 26., 28. November
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