Auf der Riesen-Spielwiese

Von Andi Hörmann · 20.06.2013
Eine talentierte und überaus charismatische Frau erobert souverän die Männerdomäne des Jazzorchesters. Monika Roscher studierte in München Jazzgitarre, für ihr Abschlusskonzert sollte sie einige Stücke für ein Big-Band-Ensemble arrangieren - der Rest ist Geschichte.
[Musik: Monika Roscher Big Band: "Nacht"]

Ein gelbgrüner Bambusvorhang raschelt im Flur der kleinen Münchner Studenten-WG von Monika Roscher. In ihrem Zimmer hängt ein kunterbuntes Jimi-Hendrix-Poster. An der Wand gegenüber: farbenfrohe, aber nicht gerade preisverdächtige Bilder.

Monika Roscher: "Das ist zum Beispiel ein Kreislauf: Wasser fließt runter, das sind so kleine Ufos, die fliegen hoch, die sind blau und die gehen in den großen Mund rein. Ich glaub der Mund entstand, weil mir wurden in der Phase die Weisheitszähne gezogen."

Traumsequenzen als selbstgepinselte Motive in Acryl - zwischen Urlaubsfantasie und Zahnarztphobie. Die Zähne von Monika Roscher strahlen weiß, wenn sie spricht. Ihr Mund ist auffallend groß, wenn sie lacht. Aus einem Bücherregal zieht sie einen Schuhkarton mit selbstgebastelten Rasseln:

"Das ist einfach eine kleine Kette, aber die klingt gut... (Rasselt...) Das ist eine Okarina... Das kann man als Effekt verwenden... Und dann natürlich der Klassiker: Weizen im Glas. Das hat eine weichen Klang. Das sind so die drei, die ich sehr gerne verwende, weil die so unterschiedliche Klänge haben."

[Musik: Monika Roscher Big Band: "When I fall in love"]

Rascheln und Rasseln - kleine, analoge Klangtupfer. Unscheinbar aber wesentliche in der musikalischen Farbpalette für die großen Arrangements der "Monika Roscher Big Band".

Monika Roscher: "Das ist eine Riesen-Spielwiese. Und je mehr Instrumente du dabei hast, desto mehr geht noch tausend Klangfarben halt. Du hast mal ein Klavier, Flöten. Du hast Trompeten, richtig gewaltige Posaunen: Da kannst du krasseren Metal machen als irgendwelche Metalbands."

Ein 18-köpfiges Jazzensemble mit der Wucht einer Stadion-Rockband. Die Idee dazu kommt Monika Roscher am Musikkonservatorium München während ihres Studiums. Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit soll sie auch Musik für Big Band komponieren, arrangieren und dirigieren - eine junge Frau in einer Männer-beherrschten Welt.

"Teilweise lachen die sich auch kaputt und sagen: Ey, wie dirigierst du den Teil? Mich haut es voll raus."

[Musik: Monika Roscher Big Band "Failure in Wonderland"]

Monika Roscher ist 1984 geboren und wächst in einer musikbegeisterten Familie in Langenzenn auf - eine Stadt mit nur 10.000-Einwohnern im nördlichen Landkreis Fürth in Mittelfranken. Ihr älterer Bruder Ferdinand spielt in diversen Avantgarde-Formationen in Nürnberg. Die Mutter ist Sozialpädagogin und Hobbygitarristin, der Vater: Bauingenieur, Freizeitpianist und -bassist. Von ihm hat sie auch ihre alte Stratocaster E-Gitarre.

"Die fand ich schon immer toll. Die stand dann daheim rum, und die wollten ihm schon viele abkaufen. Und ich habe immer gesagt: Nicht verkaufen, Papa, nicht verkaufen! Und irgendwann war es dann soweit, dass er gesagt hat: O.k., ich gebe sie dir als Leihgabe. Für immer. Ich will auch immer gar nicht so viel darüber reden, weil die kann man natürlich nicht ersetzen. Ich stehe voll auf den Sound. Der ist super."

[Musik: Monika Roscher Big Band "Future 3"]

"Failure in Wonderland", das Debütalbum der "Monika Roscher Big Band" erscheint im November 2012. Auf dem Cover-Foto ist die charismatische Monika Roscher in dunkel-violette Pastellwolken getaucht. Die linke Hand in horizontaler, die rechte in vertikaler Bewegung: Monika Roscher beim Dirigieren. Kein klassischer Taktstock, kein Stehpult. Sondern: E-Gitarre und Plektrum. Auf der Stirn: eine schwarze Augenmaske.

"Ich war auf einem Mars-Volta-Konzert in Köln. Dann bin ich so rumgelaufen durch die Straßen. Da gibt es voll viele Karnevalsgeschäfte. Dann habe ich mir gedacht: Ey, cool. Ich könnte mir eigentlich so eine Maske kaufen für das erste Lied. Weil ich finde, das hat was leicht Anrüchiges, bisschen dunkel, als würde man sich verstecken wollen. Aber auch zerbrechlich dahinter."

[Musik: Monika Roscher Big Band "Failure in Wonderland"]

Ausufernde Klangdramaturgien treffen in den Kompositionen von Monika Roscher auf beklemmende Harmonien - durchkomponiert und zügellos zugleich. Und dazu immer wieder ihr verhauchter Gesang.

[Musik: Monika Roscher Big Band "Human Machines"]

Free-Jazz-Improvisationen, New-Orleans-Trauermärsche und Bachsche Elegien. Das Stück "Schnee aus Venedig" könnte glatt das Titelstück zu einem Bondfilm sein.

[Musik: Monika Roscher Big Band "Schnee aus Venedig"]

"Ich mag diese Gangster-Mucke. Irgendetwas ist da witzig daran. Das ist auch ein bisschen rabiat, aber auch ein bisschen nett. Bisschen geheimnisvoll, aber immer mit einem Witz dabei. Das ist nicht so, dass du sagst: Wow, voll elendsbrutal nur, oder dramatisch. Sondern, die haben immer irgendwie eine Mischung."

In ihrer Studenten-WG sitzt Monika Roscher auf dem Sofa. Auf dem Boden steht eine Kiste mit ihren CDs: "Failure in Wonderland" - Scheitern im Wunderland. Auf einer kleinen, verkratzten Akustikgitarre zupft sie die ersten Takte aus dem fast siebenminütigen Stück "Die Parade".

[Musik: Monika Roscher Big Band "Die Parade"]

"Es ist einfach nie alles harmonisch. Und es ist nie alles disharmonisch. Daraus entsteht das Schöne. Wenn du weißt, wie gut es einem gehen kann, wenn es dir schlecht geht, dann weißt du auch wieder, dass es anders sein kann. Das macht vollkommen Sinn, dass man da schwankt. Auch in der Musik macht mir das Sinn."

Homepage der Monika Roscher Big Band

Konzerte:
Am 21. und 22. Juni dirigiert Monika Roscher ihre Big Band in Berlin im B Flat.
Weitere Auftritte:
28. Juni Bozen, Südtirol (Jazzfestival)
29. Juni Brixen, Südtirol (Jazzfestival)
30. Juli Bezau, Österreich (Bezau Beatz Festival)
3. August, Raversbeuren (Lott Festival)
9. August, Würzburg (Hafensommer)
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