AME-Messe auf den Kapverden

Musik ist der einzige Reichtum

Musik auf den Kapverden - auch in den Cafes wird gern musiziert
Musik auf den Kapverden - auch in den Cafes wird gern musiziert © imago / imagebroker
Von Ole Schulz · 13.04.2017
Auf den Kapverden läuft derzeit die Atlantic Music Expo. Die Musikmesse in der mitten im Atlantik gelegenen Heimat der legendären Morna-Sängerin Cesaría Evora ist einer der wichtigsten Orte für den musikalischen Austausch zwischen Afrika, Europa und Amerika.
Montag, 10. April, auf der Praça Luísde Camõesim im Zentrum von Praia auf der Insel Santiago. Heute wird in der Hauptstadt der Kapverdischen Inseln die Atlantic Music Expo (AME) eröffnet. Zum Auftakt der Messe spielen Bulimundo – 1978 gegründet, hat die Band die Musik auf den Kapverden revolutioniert.
Denn Bulimundo haben mit dem Funaná einen traditionellen Musikstil vom Land in die Stadt gebracht, der den portugiesischen Kolonialherren als zu rebellisch und zu obszön galt. Möglich war das nur, weil die Kapverden 1975 die Unabhängigkeit erkämpften. Der Bulimundo-Gitarrist Manuel di Candinho:
"Ich denke, dass die Unabhängigkeit auf jeden Fall eine Rolle gespielt hat. Denn damals war es vorbei mit dem Kolonialismus, und wir konnten Funaná ohne Repression spielen. Funaná war vorher fast so etwas wie verboten. Und wäre es vor der Unabhängigkeit gewesen, dann hätte Bulimundo nicht das machen können, was wir wollten."

Akkordeon und Eisenstab

Ursprünglich wurde der frenetische Funaná nur mit Akkordeon und dem Ferrinho gespielt – einem Eisenstab, der als Perkussion-Instrument dient. Zu dieser schlichten Begleitung und zunächst ohne elektrisch verstärkte Instrumente wurde früher auf den Dorffesten getanzt.
Musik ist der einzige Reichtum, den die kleinen und sehr trockenen, 500 Kilometer vor Senegal gelegenen Inseln zu bieten haben. So kam der damalige Kulturminister Mário Lúcio, der selber auch Musiker ist, auf die Idee, auf den Kapverden eine Musikmesse auszurichten.
Das Label Piranha Records ist von Beginn an dabei. Seit 2013 gehört das Berliner Weltmusik-Label zu den Mitorganisatoren der Atlantic Music Expo. Christine Semba von Piranha Records:
"Wir haben sogar den Premierminister getroffen damals, der sagte: 'Wenn ich auf Staatsbesuch bin irgendwo, ich treffe Leute, die fragen: Kapverden, was ist das? Aber alle haben von Cesaría Evora gehört. Und dann: Ah, Sie kommen aus Cesáría Evoras Land.' Wir haben nur Fisch, keine Industrien, wir haben keine Diamanten, kein Erdöl, das ist unser Reichtum. Und so fing es an vor fünf Jahren."

Umschlagplatz für den Sklavenhandel

Im 16. Jahrhundert wurden die Kapverden zum Umschlagplatz des Sklavenhandels. Das ist auch ein Grund für die Vielfalt der kapverdischen Musik und Rhythmen. Denn die Sklavenhändler verschleppten Menschen verschiedenster westafrikanischer Ethnien erst hierher – und diese brachten auch ihre musikalischen Traditionen mit.
Im Palácio da Cultura, dem städtischen Kulturhaus von Praia, ist Tag der Offenen Tür – und es spielt eine traditionelle batuque-Trommelgruppe. Batchart ist einer der bekanntesten Rapper der Kapverden – und er sieht Parallelen zwischen seinem engagierten HipHop und dem überlieferten batuque.
"Es gibt Ähnlichkeiten zwischen dem batuque und dem Rap. Denn zum batuque gehört ein Vorsänger. Der ist vergleichbar mit einem MC im HipHop. Ein großer Unterschied ist aber, dass der batuque nicht in Reimen gesungen wird und keine kritischen Texte hat."
Batchart ist heute hier, weil er an dem deutsch-lusophonen Projekt "Lusafro" teilnimmt. Bei dem ebenfalls von Piranha Records entwickelten Projekt, das an die AME angedockt ist und hauptsächlich von der Kulturstiftung des Bundes finanziert wird, sind Musiker aus Deutschland sowie aus den portugiesisch-sprachigen Ländern Afrikas eingeladen – Kapverden, Angola und Mosambik – um miteinander Musik zu machen.

Deutsche Musiker aus der Clubsound-Szene

In der Mittagspause spielt der kapverdische Sänger Alberto Koenig ein neues Lied vor. Auch der 28-jährige ist am Lusafro-Projekt beteiligt. Die Musiker aus Deutschland wiederum kommen überwiegend aus der elektronischen Clubsound-Szene. Daniel Haaksman etwa, einer der Lusafro-Kuratoren. Seit 2005 hat er sich mit seinem Label Man Recordings und Remixen des Baile Funk aus Rio de Janeiro einen Namen gemacht – dann entdeckte er die Musik aus dem lusophonen Afrika für sich.
Im kleinen Lusafro-Studio stehen Musiker und Sänger Schlange, um gemeinsam Aufnahmen zu machen. Dabei treffen unterschiedliche Welten aufeinander: die Elektronikfrickler aus Deutschland, die sich dem club-tauglichen Global Bass verschrieben haben, kommen mit kapverdischen Musikern zusammen, die sich den heimischen Traditionen verpflichtet fühlen.
Doch es funktioniert – und auch die kapverdischen Musiker sagen, es sei eine großartige Erfahrung. Die junge Sängerin Fattú Djakité hat zum Beispiel über einen sphärischen Track von Perera Elsewhere gesungen – einer Ikone der Berliner Underground-Szene.

Fattú Djakité will von Musik leben können

Ende des Monats fährt Fattú Djakité nach Rio de Janeiro, um dort ihr erstes Album aufzunehmen. Jahrelang hat sie als Background-Sängerin vieler kapverdischer Musiker gearbeitet. Nun hofft sie auf ihren Durchbruch:
"Ich denke, dass ich von meiner Musik leben kann, wenn mein Album Erfolg hat. Dafür werde ich hart arbeiten. Tatsächlich lebe ich ja schon seit acht Jahren davon, dass ich Background-Sängerin bin. Wegen der Musik habe ich nicht studiert. Ich war eine gute Schülerin, habe aber nicht studiert, weil sich mit der Musik eine Möglichkeit aufgetan hat. Meine Familie ist sehr arm, und ich will meiner Mutter helfen – mit der Musik kann ich das."
Die Musikmesse als Sprungbrett – darauf hoffen viele. Bei der AME im Vorjahr war es die Sängerin Elida Almeida, die "entdeckt" wurde. Musikalischen Experimenten steht das kapverdische Publikum dagegen eher reserviert gegenüber. So wird es auch beim abschließenden Auftritt der Lusafro-Künstler nur richtig laut, wenn die heimischen Musiker mit auf der Bühne stehen.
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