Zypries verteidigt geplante Online-Durchsuchung

Moderation: Birgit Kolkmann · 08.05.2007
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries sieht in der geplanten Online-Durchsuchung von Computern keine Gefahr für die freiheitliche Grundordnung. Es gehe nicht darum, den Menschen vollständig auszuspionieren, sagte die SPD-Politikerin. Für die Online-Durchsuchung müssten zunächst aber klare gesetzliche Grundlagen geschaffen werden.
Birgit Kolkmann: Online-Durchsuchungen, bei Kommunen gespeicherte Fingerabdrücke der Bürger, die einen neuen Pass bekommen. Die Antiterrorpläne von Innenminister Wolfgang Schäuble sind derzeit heftig umstritten. Schäuble möchte mehr Kompetenzen für das Bundeskriminalamt, um Computer online ausspähen zu können. Derzeit arbeiten Experten an entsprechenden Programmen, den so genannten Bundes-Trojanern. Erlaubt ist dies derzeit nicht, die vor Jahren vom früheren Innenminister Schily angeordnete Ausspähung war nicht rechtens. Nun möchte Schäuble schärfere Gesetzte, doch das stößt bei auf Widerstand nicht nur bei den Grünen und der FDP, die 80 Millionen Bürger unter Generalsverdacht gestellt sieht, sondern auch der Bundesjustizministerin. Sie fürchtet einen Einbruch in den Kernbereich der Persönlichkeit. Guten Morgen Brigitte Zypries.

Brigitte Zypries: Guten Tag, Frau Kolkmann.

Kolkmann: Frau Zypries, wenn Sie demnächst einen neuen Pass bestellen und Ihren Fingerabdruck abgeben, und der soll möglicherweise dann gespeichert werden bei den Kommunen, was sagen Sie dann?

Zypries: Na ja, das ist ja keine Frage in dieser Form, sondern er kann überhaupt nur gespeichert werden, wenn es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt. Und ob das so sein soll, darüber wird im Deutschen Bundestag zurzeit diskutiert.

Kolkmann: Die Diskussion ist ja im Moment relativ intensiv. Viele Bürger fragen sich, was eigentlich dann noch Privatsphäre bedeutet. Ist die Privatsphäre auf dem besten Weg dazu, alles andere zu sein als Privat?

Zypries: Wir müssen zweierlei unterscheiden. Zum einen müssen wir unterscheiden, wo kann der Staat eingreifen und weshalb. Da gibt es ganz klare Vorschriften aus der Verfassung und von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es muss immer ein Bedarf dafür da sein, und der Eingriff muss immer verhältnismäßig sein. Das Andere, was wir beobachten können und was ich auch für schwierig erachte, ist, dass bei vielen Menschen in Deutschland inzwischen das Bewusstsein über diese vielen Situationen, in denen sie private Daten hinterlassen, sich verändert hat. Also: Man geht ins Kaufhaus, man zahlt mit irgendwelchen PAYBACK-Karten, es wird überall in den Kaufhäusern registriert, wann man welche Sachen gekauft hat, man kauft über das Internet ein, man hinterlässt da seine Spuren und ähnliches mehr, man lässt sich Cookies setzen. Da gibt es eine Vielzahl, wo man mit elektronischen Hilfsmitteln heutzutage Spuren hinterlässt, und viele Menschen machen sich da, glaube ich, nicht hinreichend Gedanken darüber.

Kolkmann: Ist da, weil viele das auch gar nicht mehr überblicken können, vor allen Dingen auch technisch nicht mehr verstehen können, möglicherweise schon so eine Haltung entstanden, die sagt, es ist sowieso alles Wurst, es ist eh alles klar, es ist eh alles offen, wir sind schon gläsern. Muss da zum Beispiel eine Bundesjustizministerin kommen, um den Bürger besser zu schützen, weil da so viele sind, die an die Privatsphäre heranwollen, inklusive der Bundesinnenminister.

Zypries: Es ist zum einen, wie gesagt, dieser staatliche Bereich. Aber wenn die Menschen von sich aus sagen, ich gebe meine Daten, mir macht das nichts, dann kann der Staat dagegen nichts tun. Das ist wenigstens unser Grundverständnis von einem Staat, in dem jeder seine allgemeine Handlungsfreiheit hat und sich so verhalten kann, wie er gerne möchte. Da kann man nur über Aufklärung was machen, das tun wir. Da können die Datenschutzbeauftragten was machen, die machen auch eine Menge, kontrollieren auch bei privaten Firmen jetzt zunehmend. Da gibt es auch ein gewachsenes Bewusstsein. Aber, noch mal, jeder Einzelne muss sich da immer klar darüber sein, was er tut.

Kolkmann: Sie sagten eben auch, es muss auch immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Was will man denn eigentlich erreichen mit bestimmten Vorschriften? Gesetz den Fall, es kommt dazu, dass die Fingerabdrücke gespeichert werden bei den Kommunen, fängt man dadurch mehr Terroristen?

Zypries: Ich meine, man muss eben genau vorher definieren, kann ich mit einer solchen Speicherung der Fingerabdrücke tatsächlich bei der Bekämpfung des Terrorismus was bewirken, oder aus welchem anderen Grund will ich sie vielleicht speichern. Und da muss dann ganz klar gesagt werden, ja, das nützt was. Ich kann das jetzt nicht beurteilen. Ich würde mal ein Fragezeichen daran machen, weil es ja nur die Zeigefingerabdrücke sind, die für kriminalistische Studien dann echte Glückstreffer sein müssen. Aber das müssten dann die Sicherheitsbehörden da tun. Wichtig ist auf alle Fälle, es muss immer klar gesagt werden, zu welchem Behufe will ich das tun.

Kolkmann: Stichwort Online-Untersuchung: Da könnte man den Eindruck haben, wer seinen Computer zu Hause anschaltet und nicht über ganz besondere Firewalls verfügt, der macht quasi sein Wohnzimmerfenster ganz weit auf und die ganze Stadt kann hereingucken. Das, was der Bundesinnenminister will, darf noch nicht gemacht werden. Und im Augenblick werden Computerprogramme entwickelt, die es möglich machen sollen, Menschen tatsächlich richtig auszuspionieren. Ist das etwas, was unsere freiheitliche Grundordnung in den Grundfesten erschüttert?

Zypries: Nein, davon kann nun keine Rede sein, sondern es geht ja um die Frage, kann ich nicht den Menschen vollständig ausspionieren, sondern kann ich auf seine Festplatte gucken, welche rechtlichen Voraussetzungen brauche ich dafür und wie stelle ich sicher, dass ich nicht in seinen Kernbereich privater Lebensgestaltung komme. Denn das ist etwas, das das Bundesverfassungsgericht klar gestellt hat. Da ist drauf zu achten, darauf muss der Staat Rücksicht nehmen.

Kolkmann: Das aber technisch umzusetzen, ist einigermaßen schwierig. Wie will ich unterscheiden zwischen zum Beispiel der Anleitung zum Bombenbau und dem, was wirklich privat ist auf dieser Festplatte. Da werden ja im Augenblick Programme entwickelt. Man kann aber davon ausgehen, dass Hacker und andere Computerexperten, vielleicht auch die mit kriminellem Hintergrund, noch schneller sind.

Zypries: Und dann ihrerseits Private ausspähen, oder was meinen Sie mit der Frage?

Kolkmann: Nicht ausspähen, aber sich dagegen schützen, dass der Staat ausspäht.

Zypries: Ja, das ist schon immer eine Debatte gewesen. Was war zuerst, das Huhn oder das Ei? Das ist ja auch ein ständiger Wettlauf, den wir haben mit Kriminellen jeglicher Art über die Nutzung von technischen Möglichkeiten.

Kolkmann: Bedient sich der Staat denn im Prinzip in dieser Hinsicht auch illegaler oder krimineller Techniken?

Zypries: Nein, der Staat hat ja, wenn er es tut, eine Rechtsgrundlage dafür, auf Grund derer er in Rechte der Bürger eingreifen kann. Das ist die gesetzliche Ermächtigung. Deswegen bedarf es eben auch einer gesetzlichen Regelung. Der Innenminister hat ja das Vorgehen ohne eine gesetzliche Regelung erst mal gestoppt.

Kolkmann: Sind Sie, was diese ganze Fragestellung angeht, ganz kontra zum Innenminister?

Zypries: Nein, das bin ich nicht. Ich habe immer gesagt, die Sicherheitsbehörden müssen dartun, aus welchen Gründen und wofür sie was brauchen. Und dann müssen wir sehen, ob wir, wenn wir das nachvollziehen können, Regelungen finden können, die verfassungskonform sind. Dann ist ja dagegen nichts zu sagen. Man kann nicht generell sagen, man braucht das nicht, sondern man muss es immer abwägen. Es stellt sich immer die Frage, was kann ich vielleicht verhindern, wenn ich diese Möglichkeiten habe.

Kolkmann: Ist die Abstimmung über diese Fragen in der Großen Koalition extrem schwierig?

Zypries: Nein, die ist nicht extrem schwierig. Sondern da müssen wir jetzt warten, bis die Gesetzesentwürfe so weit sind, von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beraten, bis wir uns dann darüber beugen können und sagen, so kann es gehen oder so kann es eben auch nicht gehen.