Zwischen Medienschickeria und Untergrund

Rezensiert von Georg Gruber · 13.04.2006
"So macht Kommunismus Spaß! Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret" heißt das gerade erschienene Buch von Bettina Röhl – ein Name, der nicht jedem sofort etwas sagen wird. Der Name ihrer Mutter wahrscheinlich schon: Ulrike Meinhof.
Auf fast 700 Seiten unternimmt Bettina Röhl eine Reise in die 50er und 60er Jahre, taucht ein in die eigene Familiengeschichte, die so stark wie wenige andere mit den 68ern und dem Terror der RAF verwoben ist. Sie entwirft ein kritisches Gesellschaftsportrait jener Zeit, mit bisher unveröffentlichten Briefen und Dokumenten und gestützt auf zahlreiche Interviews mit Zeitzeugen und Weggefährten.

Ein Kindergeburtstag in Hamburg 1967, bevor die vierjährige Bettina Röhl ihre Freundin Jessika besuchen darf, erhält sie von ihren Eltern einen ersten marxistischen Grundkurs: Der Reichtum von Jessicas Familie beruhe auf der Ausbeutung der Arbeiter in Südamerika, die für das Pflücken der Bananen, die in Deutschland teuer verkauft würden, viel zu wenig bezahlt bekämen. Auch wenn die Familien befreundet seien, müssten Mami und Papi diese Familie mit ihren Artikeln politisch bekämpfen. "Papi" ist Klaus Rainer Röhl, Herausgeber der linken Zeitschrift "Konkret" und "Mami" ist die damals gefeierte Journalistin und Kolumnistin Ulrike Meinhof.

In "So macht Kommunismus Spaß" erzählt nun die Tochter die Geschichte ihrer Eltern und des linken unkonventionellen Magazins, das eines der Leitmedien der 68er war. Auf rund 700 Seiten holt sie weit aus, geht tief zurück in die Familiengeschichte, zitiert DDR-Dokumente und unveröffentlichte Briefe, befragt in Interviews die ehemaligen Freunde und Weggefährten. So entsteht ein dichtes Bild einer Zeit, als alles möglich schien, bevor der Terror die linken Utopien diskreditierte.

Ende der 60er Jahre waren Ulrike Meinhof und Klaus Rainer Röhl fester Bestandteil der Hamburger Medienschickeria, einer ausgelassenen Partygemeinschaft, in der getanzt und diskutiert wird. Dichter, Schriftsteller, Journalisten, Leute wie Rudolf Augstein, Peter Rühmkorf und Marcel Reich-Ranicki sind dabei. Die Autos sind schnell, man trifft sich auf Sylt, doch das Denken ist links. Vor allem Ulrike Meinhof wird allerseits bewundert für ihre Argumentationskunst und ihr Selbstbewusstsein. Eine überzeugte Kommunistin, die aber auch darauf achtete, schick gekleidet zu sein - und doch den inneren Konflikt immer deutlicher spürte: "Manchmal habe ich das Gefühl, ich könnte überschnappen" schreibt Ulrike Meinhof in einem Brief aus dem Herbst 1967. "Das Verhältnis zu Klaus, die Aufnahme ins Establishment, die Zusammenarbeit mit den Studenten – dreierlei, was lebensmäßig unvereinbar scheint, zerrt an mir, reißt an mir."

1968 wird die Ehe geschieden. In dem Buch liest es sich so, als sei die private Enttäuschung einer der Gründe gewesen, warum Ulrike Meinhof in den Untergrund ging. Bettina Röhl schreibt aber auch, wie fasziniert ihre Mutter von Rudi Dutschke war, der für "Konkret" schrieb und sie in die Welt der rebellierenden Studenten einführte, bis Meinhof selbst von Hamburg nach Berlin zog. Bis 1969 schrieb Ulrike Meinhof weiter ihre Kolumnen, die immer militanter wurden. 1970 tauchte sie ab. Während die einstige Starjournalistin in einem PLO-Lager den Guerilla-Krieg übt, lässt sie ihre Kinder nach Sizilien entführen und will sie eigentlich in ein Lager für Waisenkinder in Jordanien stecken. Damit sie nur ja nicht in dem bürgerlichen Mief aufwachsen, der bis vor kurzem noch ihr Lebensmittelpunkt war.



Bettina Röhl beschreibt in ihrem Buch sehr genau diesen Widerspruch ihrer Mutter zwischen Linksdenken und Star des bürgerlichen Establishment sein. Sie unternimmt keinen Rechtfertigungsversuch, hat nicht vor, ihre Mutter zu verklären. Im Gegenteil: Bettina Röhl hat eine Aversion gegen die 68er. Joschka Fischer etwa hatte es ihr zu verdanken, dass seine Sponti-Vergangenheit zum Medienthema wurde, nachdem sie kompromittierenden Prügelfotos aus seiner wilden Zeit entdeckt hatte. Diese Abneigung gegen die 68er ist auch in "So macht Kommunismus Spaß!" immer wieder zu spüren. Trotzdem ist das Buch keine polemische Abrechnung geworden.

Neben der Familiegeschichte - und das allein hätte auch schon für ein Buch gereicht - erzählt sie die Geschichte von "Konkret", der linken Zeitschrift, die im Ursprung eine Studentenzeitschrift war und in den 60er Jahren zu einem der wichtigsten Meinungsorgane der Linken wurde. Ihr Vater war Mitgründer, Chefredakteur und Herausgeber über viele Jahre. "Konkret" wäre allerdings schon früh untergegangen, wäre es nicht bis Mitte der 60er Jahre großzügig vom Osten finanziert worden. Ostberlin versuchte so schon in den 50er Jahren gezielt Einfluss zu nehmen auf die Studenten, die sich damals gegen Atomwaffen engagierten – unter diesen Studenten war auch Ulrike Meinhof. Bettina Röhl sieht in dem Fall "Konkret" ein Beispiel für "kommunistische Unterwanderung" des Westens. Klaus Rainer Röhl und Ulrike Meinhof waren beide Mitglied der illegalen KPD, reisten immer wieder in den Osten zu geheimen Lagebesprechungen – hatten im Gegenzug genügend Geld, für die Zeitschrift und für ihr eigenes Leben, deshalb auch der Titel des Buches: "So macht Kommunismus Spaß!"

Bettina Röhl zeichnet mit ihrem Buch ein vielschichtiges Gesellschaftsportrait der 50er und 60er Jahre, eine Zeit, für deren kritischen Geist sie wenig Verständnis aufbringt, in der letztes Endes nicht nur ihre private Welt aus den Fugen geriet. Sie hegt ein tiefes Misstrauen gegen all diejenigen, die noch heute von der Faszination sprechen, die von der Ulrike Meinhof der 60er Jahre ausging und sie kritisiert den nostalgischen Blick in die Vergangenheit: "Es ist unangebracht, die Terroristin Meinhof permanent mit Zügen ihrer Jugend nachzuvergolden, statt sich mit den Taten und Texten der letzten sechs Jahre ihres Lebens zu befassen, die sie nachhaltig berühmt gemacht haben."

Bettina Röhl: So macht Kommunismus Spaß. Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret
Europäische Verlagsanstalt
684 Seiten + 48 Seiten Bildteil, 29,80 Euro

Kulturinterview: Bettina Röhl über ihre Eltern Ulrike Meinhof und Klaus Rainer Röhl
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