Zwischen Abgrund und Traumlandschaft

Von Ludger Fittkau · 24.06.2012
Ludwigshafen verwandelt sich seit acht Jahren jedem Frühsommer in eine Metropole des Films - wenn dort das "Festival des Deutschen Films" stattfindet. Jetzt ging das Festival mit der Vergabe des Filmkunstpreis an Wolfgang Dinklage für die beste deutsche Filmproduktion zu Ende.
Ansage: "Meine Damen und Herren, das Festival des deutschen Films auf der Parkinsel von Ludwigshafen am Rhein, Festival der Metropolregion Main-Neckar präsentiert im Wettbewerb um den Filmkunstpreis."

Filmmusik: "Es wartet auf den König, auf seine Wiederkehr, der König liegt verborgen, wohl über tausend Jahr."

Eine tödliche Legende - so der Titel eines Films von Torsten C. Fischer, der als Weltpremiere im Ludwigshafener Festival lief. Eine dunkle Kriminalgeschichte aus dem Spreewald, in der eine alte sorbische Legende um den sogenannten "Schlangenkönig" den roten Faden liefert.

Keine Produktion für die große Kinoleinwand, sondern für die Reihe "Spreewaldkrimi" des ZDF - typisch für das Festival der deutschen Films, so Festivalleiter Michael Kötz:

"Ich halte ja die Trennung zwischen Kino und Fernsehen, öffentlich-rechtliches Fernsehen in Deutschland für relativ absurd. Die Regisseure sind da und dort, die Zuschauer sind da und dort. Natürlich auch mehr im Fernsehen als im Kino, bedauerlicherweise, aber so isses. Es gibt im Kino keinen ernst zunehmenden deutschen Film ohne Fernsehgeld, so gut wie nie."

Dennoch steht das Festival des deutschen Films mit der Präsentation von Fernsehfilmen auf den großen Leinwänden der zwei jeweils rund 1000 Menschen fassenden Kinozelte am Ludwigshafener Rheinufer bundesweit noch ziemlich alleine da.

Doch das ist nicht die einzige Besonderheit des Festivals, das die "FAZ" unlängst zum schönsten Sommerkulturfestival Deutschland kürte. Michael Kötz:

"Das war schön. Wir haben natürlich immer gewusst, dass wir das schönste Festival sind. Aber das nützt ja nichts. Die anderen müssen es auch wissen oder lesen. Die Schönheit kommt vom Ort.

Die kommt davon, dass es hier diese wunderbaren alten Bäume mit ein paar entflogenen Papageien gibt, das es den Rhein gibt mit den vorbeifahrenden Schiffen, dass es einfach atmosphärisch ganz toll ist. Dass man sich wie im Urlaub fühlt oder wie Hannelore Hoger gestern sagte, es ist ja wie in Cannes. Und wir daraufhin sagen: nur nicht so viel Regen wie dort dieses Jahr."

Hannelore Hoger war mit einem neuen "Bella Block"- Film unter der Regie von Martin Englen im Wettbewerb vertreten, genauso wie Hans-Christian Schmid mit "Was bleibt" oder der junge Lars-Gunnar Lotz mit seinem Langspielfilm-Debüt "Schuld sind immer die Anderen" - einem Resozialisierungsdrama über straffällige Jugendliche, der heute Abend mit dem Publikumspreis des Festivals ausgezeichnet wurde:

"Das ist toll, mit Größen wie Hans-Christian Schmid zum Beispiel hier auf einem Level zu laufen, das macht total Spaß, diese Sommeratmosphäre. Und ich finde auch das Besondere, das Kino und Fernsehen hier zusammenkommt. Ich glaube, auf keinem anderen Festival in Deutschland wird das gemacht, finde ich echt spannend."

Weil er selbst aus der Chemiestadt Leverkusen stammt, weiß Lars-Gunnar Lotz jedoch nur allzu gut, dass der Festivalplatz am grünen Rheinufer von Ludwigshafen nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus dem Leben einer Industriestadt ist. Seit nun mehr als zwei Jahrzehnten ist es der ARD-Tatort Ludwigshafen, der das öffentliche Bild der Stadt entscheidend prägt.

Da gilt es die grundsätzliche Kritik der Ludwigshafener Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts zu beachten, die lautet: Aus Kostengründen gäbe seit Längerem zu wenig Außenaufnahmen für den Tatort aus der Chemiestadt. Diese Kritik kann der aktuelle Publikumspreisträger Lotz gut nachvollziehen:

"Ich habe zum Beispiel meinen Drittjahresfilm," Für Miriam" hieß der, das war so ein mittellanger Film, den habe ich in Leverkusen gedreht, in meiner Heimatstadt. Da hat man auch mal Schornsteine gesehen. Ich glaube, der Ruhrpott kommt immer noch ganz gut weg im Fernsehen, ansonsten wenig, kann man wirklich mehr repräsentieren."

Weitere Preise beim Ludwigshafener Festival des deutschen Films: Otto Sander, der in wenigen Tagen 70 Jahre alt wird, bekam den Preis für Schauspielkunst. Dem begeisterten Publikum erzählte Sander, wie er es auf der Theaterbühne gelernt hat, Leute zum Lachen zu bringen:

"Ich kann das insofern lernen, jetzt rede ich vom Theater nicht vom Film, indem ich stellvertretend für die Leute ins Unglück renne."

Ganz und gar nicht ins Unglück, sondern ins Glück rannte heute Abend Wolfgang Dinklage mit seinem Film "Für Elise". Er bekommt den mit 50.000 Euro dotierten Filmkunstpreis für den besten deutschen Film.

Die Jury schwärmt angesichts des Familiendramas von der Hauptdarstellerin Jasna Fritzi Bauer und dem Schauplatz Jena. Der Film "Für Elise" inszeniere die thüringische Universitätsstadt als in vielen Facetten bürgerliche Stadt zwischen Abgrund und Traumlandschaft, heißt es in der Jurybegründung. 50.000 ist auch in anderer Hinsicht eine magische Zahl für Ludwigshafen: Mit 50.000 Besuchern kamen bei durchwachsenem Wetter noch einmal 10.000 Menschen mehr als im letzten Jahr.

Doch Angst, mit seinem bezaubernden Festival auf der Rheininsel aus den Nähten zu platzen, hat Leiter Michael Kötz nicht:

"Ein bisschen kann es noch wachsen, die Grenze ist, wenn die Insel voll ist, aber die ist auch relativ groß. Die Mischung aus Ernst und Lebensfreunde. Dass da immer mehr Menschen mitmachen wollen, wundert einen nicht. Und wer von uns würde sagen: Schluss. Darfst nicht mehr da hin."
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