Zwielichtiges Zusammenspiel zwischen Wirtschaft und Politik

Von Vanja Budde · 25.05.2010
Zweimal folgte dem beispiellosen Aufstieg der politische und moralische Bankrott: Friedrich Flick war während der NS-Herrschaft einer der größten Profiteure von Rüstungsboom und Kriegskonjunktur. Er beutete Zehntausende Zwangsarbeiter aus, leugnete vor dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal jede persönliche Verantwortung und verweigerte bis zuletzt Entschädigungszahlungen. Sein Sohn Friedrich Karl Flick sorgte mit der Parteispendenaffäre für den größten Skandal der Bonner Demokratie. Die zweiteilige Dokumentation ist mit neu entdecktem Material am 26. Mai auf Arte und später noch einmal in der ARD zu sehen.
Friedrich Flick, der 1883 geborene Sohn eines Bauern und Holzhändlers, ist eine vielschichtige Figur. Jahrelang hat Autor und Regisseur Thomas Fischer recherchiert, um einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Thomas Fischer: "Man weiß aus den Dokumenten, die es gibt, aus den Archivdokumenten, sehr wenig. Weil Flick immer sehr viel Wert darauf gelegt hat, in der Öffentlichkeit nicht präsent zu sein. Es war eines seiner Lebens- und Geschäftsprinzipien, heimlich, abgeschottet zu agieren. Aber da lag nun gerade der Reiz für mich, hinter dem Unternehmer auch dem Menschen nach zu spüren."

Fischer bat Historiker vor die Kamera, fand bislang unveröffentlichte Dokumente und durfte im Umfeld der Flicks in privaten Fotosammlungen kramen. Aus den Berichten der Zeitzeugen im Film wird klar: Moralische Skrupel kannte Friedrich Flick nicht, es zählte einzig der Profit. Sein Aufstieg aus kleinen Verhältnissen zum Stahl-Magnaten steht im Mittelpunkt der ersten Folge. Er beginnt 1915 mit Schrotthandel im großen Stil – und am Rande der Legalität.

Film-Ausschnitt, Sprecher über Flicks Aufstieg zum Unternehmer während des 1. Weltkriegs: "Mit dem Erlös aus dem Schrottgeschäft kauft Flick während des Krieges über Strohmänner Aktien der Charlottenhütte. Bald ist er nicht mehr nur angestellter Direktor, sondern Besitzer des mit 1200 Beschäftigten größten Siegener Stahlwerks. Aus dem wohlhabenden Kaufmann ist ein millionenschwerer Unternehmer geworden."

In der damaligen Weltwirtschaftskrise bewahrt ihn die Regierung mit Steuergeldern vor dem Bankrott, während sechs Millionen Arbeitslose auf der Straße stehen. Der erste Flick-Skandal ist perfekt, seine Wahlkampfspenden an alle Parteien der Weimarer Republik fliegen auf. Damit wird ein Prinzip erst mals sichtbar, erklärt der Historiker und Flick-Kenner Norbert Frei, der als wissenschaftlicher Berater der Dokumentation fungierte:

"Da schmiert er und da ist er derjenige, der es versteht, seine Interessen mit denen des Staates zu seinen Gunsten zu verknüpfen. Und das ist etwas, was ihn dann auch nach 1945 wieder – neutral gemeint – auszeichnet: Dass er diese Skrupellosigkeit tatsächlich zu seiner Marke macht."

Politiker sind für Flick nur eine ökonomische Ressource unter vielen. Auch wenn sie Hitler oder Himmler heißen. Flick profitiert von lukrativen Aufträgen des aufrüstenden NS-Regimes und scheute sich nicht, die Enteignung jüdischer Kollegen voranzutreiben. Maria Petschek-Smith, in die USA emigrierte Tochter eines jüdischen Stahl- und Braunkohle-Unternehmers, erinnert sich:

Film-Ausschnitt: "Er wollte einen Diebstahl legitimieren, der allein darin begründet war, dass die Eigentümer Juden waren. Und deshalb weigerten sich mein Vater und seine Brüder. Und da hat er gesagt: 'Also, das ist doch ein ganz großer Gauner'."

Diese Zeitzeugen mit ihren unterschiedlichen Perspektiven bereichern den Film sehr, ohne sie wäre ein Blick auf die abgeschottete Persönlichkeit Flicks kaum möglich gewesen. Dem Trend zur Doku-Soap verpflichtet und als Zugeständnis an den Unterhaltungsbedarf der Zuschauer, werden außerdem Schlüsselmomente in Spielszenen nachgestellt. Zum Beispiel die Verhöre Friedrichs Flicks vor seinem Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess.

Film-Ausschnitt: "Sie haben Zehntausende von Sklavenarbeitern in Ihren Werken beschäftigt, davon kam keiner freiwillig!" "Ich war in Berlin, die Werke waren sehr weit weg. Und eine tatsächliche Zuständigkeit, oder Mitwirkungsmöglichkeit für uns in Berlin gab es nicht, die lag bei den Direktoren der Werke."

Uwe Preuss spielt diesen Friedrich Flick steif und unnahbar, wortkarg und verschlossen. Flick wird zu sieben Jahren Haft verurteilt. Doch schon Ende der fünfziger Jahre ist er wieder der reichste Familienunternehmer der Bundesrepublik und Hauptaktionär bei Daimler-Benz. Eine Entschädigung der Zwangsarbeiter verweigert der Multimillionär bis zuletzt.

Der zweite Teil der Dokumentation widmet sich dem Schicksal der beiden Söhnen Otto-Ernst und Friedrich Karl, mit denen der alte Flick eine Dynastie gründen wollte.

Gleichzeitig traute er ihnen die Nachfolge nicht zu, erzählen enge Vertraute wie Friedrich Flicks Patensohn Otto Kaletsch:

Film-Ausschnitt: "Wenn der alte Flick ins Zimmer kam, dann sprangen wir schon vor lauter Schreck auf, weil er eine solche Ausstrahlung hatte, dass man ihm (sic!) nur stramm stehen konnte."

Otto-Ernst überwirft sich mit dem übermächtigen Vater und wird verstoßen, Friedrich Karl steigt zum unglücklichen Kronprinzen auf. Obwohl Friedrich Karl mehr Partys feiert als arbeitet, erbt beim Tod des alten Flick 1972 den Konzern mit rund 300.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von ca. 18 Milliarden Mark. Als der Konzern 1981 eine Steuerermäßigung von knapp einer Milliarde Mark beim Bundeswirtschaftsministerium beantragt und auch erhält, finden Steuerfahnder heraus, dass vom Flick-Konzern an Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien Schmiergelder geflossen sind. Als Flicks getreuer Eckhart nimmt Flicks Gesellschafter Eberhard von Brauchitsch alle Schuld auf sich.

Film-Auschnitt: "Wir haben Fehler gemacht, dass wir der Politisierung der Parteispenden durch Neider und neue Generationen nicht genug aufmerksam gewidmet (sic!) haben. Wir haben gedacht, das war so gut seit 1950, das wird wohl gut bleiben."

Flick verkauft nach dem Parteispendenskandal seine Unternehmen an die Deutsche Bank und zieht ins Ausland. Anhand seiner Familie kann man sich fast die gesamte deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts vor Augen führen. Das macht die aufwendige zweiteilige Dokumentation "Flick" auch für den Historiker Norbert frei spannend und lohnend:

"Weil deutlich wird, wie auch Kontinuitäten von der Weimarer Zeit und das Dritte Reich und vom Dritten Reich in die Bundesrepublik hinweg ausgesehen haben. Um das zu verstehen, ist dieser Film ganz besonders gut geeignet."


Service:

"Flick", zweiteilige Dokumentation,
Arte: Folge 1 und 2, 26. Mai, 20.15 und 21:00 Uhr
ARD: Folge 1: 31. Mai, Folge 2: 7. Juni 2010, jeweils 21.00 Uhr