Zweites Vatikanisches Konzil als Atlas

Ein ziemlich dicker Brocken

Papst Johannes XXIII. hält am 08.12.1962 im Petersdom eine Abschlussrede zum Ende der ersten Konzilsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils
Papst Johannes XXIII. hält am 08.12.1962 im Petersdom eine Abschlussrede zum Ende der ersten Konzilsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils © dpa / picture alliance
Von Jan-Christoph Kitzler · 18.03.2016
Das Zweite Vatikanische Konzil hat die katholische Kirche tief verändert und prägt die Diskussion über Reformen bis heute. Nun liegt das Konzil in Atlasform vor - ein faszinierender Band, der ein anschauliches und sehr genaues Bild dieses weltgeschichtlichen Ereignisses zeichnet.
Als am 25. Dezember 1961 in der Vorhalle der Petersbasilika von Rom der päpstliche Erlass zur Einberufung des Zweite Vatikanischen Konzils verlesen wurde, war vielen noch nicht klar, was für ein Ereignis der katholischen Kirche da bevorstand. Der Kirchenhistoriker Alberto Melloni sagt: Große Erwartungen gab es damals bei vielen nicht. Aber Johannes XXIII., der das Konzil einberufen hatte, und den sie in Italien bis heute Papa Roncalli nennen, hatte viel mit seiner Kirche vor:
"Viele waren davon überzeugt, dass man, nachdem die erste Überraschung weggesteckt war, ein sehr kurzes Konzil abhalten und die Dokumente, die vorbereitet waren, in kurzer Zeit verabschieden könnte. Und dann muss man sich an diesen etwas übergewichtigen Diplomaten erinnern, der Papst Roncalli war, der sagte: vielleicht werden wir es nicht schaffen, das alles bis Weihnachten zu diskutieren."
Tatsächlich dauerte das Konzil über drei Jahre, 16 Dokumente wurden verabschiedet, von denen viele noch heute als wegweisend gelten - und an denen sich die katholische Kirche zum Teil bis heute reibt. Versuche, die Ergebnisse des Konzils unter den Teppich zu kehren, hat es in den Jahrzehnten danach gegeben, doch für den heutigen Papst Franziskus ist klar: Das Zweite Vatikanische Konzil ist vor allem Zeichen für eine Kirche im Aufbruch:
"Das Konzil war eine Begegnung zwischen der Kirche und den Menschen unserer Zeit. Geprägt von der Kraft des Geistes, der seine Kirche gedrängt hat, die Dürre hinter sich zu lassen, die viele Jahre dafür gesorgt hat, dass sie abgeschottet war."

Das Konzil als Medienereignis

An diesem Konzil kommt keiner in der katholischen Kirche mehr vorbei. Deshalb haben die Bewahrer der reinen Glaubenslehre versucht zu unterscheiden zwischen dem Konzil als Medienereignis und dem eigentlichen, dem wahren Konzil. Allen voran auch der Vorgänger von Franziskus, Papst Benedikt XVI.:
"Mir scheint, dass sich 50 Jahre nach dem Konzil das wahre Konzil zeigt mit all seiner spirituellen Kraft. Und es ist unsere Aufgabe, daran zu arbeiten, dass das wahre Konzil mit der Kraft des Heiligen Geistes Wirklichkeit und die Kirche tatsächlich erneuert wird."
Was aber das Konzil mit Erneuerung mit "Aggiornamento" meinte, kann man jetzt in einem fulminanten Band nachlesen, besser: nacherleben. Auf knapp 300 Seiten werden nicht nur Teilnehmer, Dokumente, Diskussionen dokumentiert. Viele, bisher unveröffentlichte Fotos machen die Lektüre zum Erlebnis. Grafiken, Tabellen und Karten sind gleichzeitig übersichtlich und genau. Die Vorgeschichte wird ebenso verständlich, wie wichtige Debatten während der vier Sitzungsperioden. Der Kirchenhistoriker Alberto Melloni:
"Das ist eine leichtere Version der Konzilserzählung und auch eine kürzere. Aber wir haben versucht, dass man einige Dinge wahrnimmt, die man anders nicht erzählen kann. Wir haben mit den Grafiken versucht, dem Ganzen ein Gesicht zu geben. Denn bei dem Konzil waren auch echte, physische Figuren wichtig."
In dem Erlass, mit dem Johannes XXIII. 1961 das Zweite Vatikanische Konzil einberufen hat, bezieht er sich auf Jesus Christus, der die Menschen aufgefordert, die "Zeichen der Zeit" zu deuten. Damit tut sich die katholische Kirche bis heute schwer. Dieser historische Atlas zum Konzil verdeutlicht das Ringen um Erneuerung und Reform auf höchst anschauliche Weise.
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