Zwei moderne Kreative

Von Günter Kaindlstorfer · 24.10.2011
Mit Gustav Klimt und Josef Hoffmann nimmt sich die "Österreichische Galerie" im Schloss Belvedere in Wien zwei Hauptvertretern der Wiener Moderne an. Der Maler Gustav Klimt und der Architekt und Designer Josef Hoffmann waren eng befreundet. Sie haben auch zahlreiche Projekte zusammen realisiert wie die berühmte "Villa Stoclet" in Brüssel, eines der Hauptwerke des europäischen Jugendstils.
Als sich Gustav Klimt 1912 ein neues Atelier im Wiener Villenvorort Hietzing einrichtete, ließ er es zur Gänze von Josef Hoffmann ausstatten. Das war kein Zufall. Die beiden Heroen der Wiener Moderne waren zu diesem Zeitpunkt seit vielen Jahren miteinander befreundet, sie hatten 1897 zusammen die "Secession" gegründet, sie hatten 1902 dortselbst die berühmte "Beethoven-Ausstellung" ins Werk gesetzt, einen spektakulären "Event", wie man heute sagen würde, in dem Malerei und Bildhauerei im Verein mit effektvollen Raum-Inszenierungen den Traum vom Gesamtkunstwerk für einige Wochen Wirklichkeit werden ließen.

"Der eine hat die Ideen des anderen aufgenommen. Das heißt: in die Bilderwelt des Gustav Klimt sind die Ideen des Josef Hoffmann eingeflossen und vice versa."

... erklärt Agnes Husslein, die Direktorin der "Österreichischen Galerie" im Belvedere. 130 Werke sind in der Wiener Ausstellung zu sehen, darunter einige Sensationen wie ein verschollen geglaubtes Bild von Gustav Klimt, das die Mutter seiner langjährigen Muse Emilie Flöge zeigt: Das Porträt Barbara Flöges, der Mutter, wird zum ersten Mal seit undenklichen Zeiten in einer Ausstellung gezeigt.

Sowohl Gustav Klimt als auch Josef Hoffmann waren von ihrem Naturell her unverbesserliche Einzelgänger. Notgedrungen schlossen sie sich zeitweilig einer Gruppe wie den Secessionisten an, um ihren revolutionären Ideen zum Durchbruch zu verhelfen, wie der Kurator der Wiener Ausstellung, Alfred Weidinger erklärt:

"Was verbindet die beiden Künstler Hoffmann und Klimt? Im wesentlichen ist es die Liebe zum Kunstgewerbe. Das Kunstgewerbe hat den Gustav Klimt genauso groß gemacht wie den Josef Hoffmann. Und über die gemeinsame Vorliebe haben sie auch zueinandergefunden und haben gemeinsam Projekte entwickelt."

Angewandte und bildende Kunst gingen im Wiener Jugendstil eine fruchtbare Synthese ein, das wird im Schloss Belvedere eindrucksvoll dokumentiert. Möbel-, Teppich- und Schmuckentwürfe von Josef Hoffmann werden opulenten Frauen- und Landschaftsbildern von Gustav Klimt gegenübergestellt. Gezeigt wird aber auch der eminente Einfluss, den belgische Künstler wie Fernand Khnopff auf ihre Wiener Kollegen ausübten: Die Parallelen zwischen den geheimnisvollen Femmes fatales des Belgiers Khnopff zu den mondänen Erotik-Models Gustav Klimts sind unübersehbar. Josef Hoffmann wiederum ließ sich von internationalen Vorbildern aus Frankreich, Belgien und England inspirieren. Beide Künstler, Klimt wie Hoffmann, sahen sich eben in einem größeren europäischen Kontext.

Agnes Husslein: "Durch die Gründung der Secession war es ihnen möglich, eine Plattform zu haben, wo sie ihre Ideen weiterentwickeln konnten. Und das hat damit begonnen, dass sie Künstler aus ganz Europa eingeladen haben, Ausstellungen abzuhalten, und da gab es natürlich ganz, ganz wichtige, die wir dokumentieren, wie die Beethoven-Ausstellung 1902, wo die beiden begonnen haben miteinander zu arbeiten. Der eine hat die Architektur gemacht und der andere die Malerei, und diese Zusammenarbeit ist immer enger und enger geworden."

Pioniere der Moderne waren Gustav Klimt und Josef Hoffmann auch auf anderem Gebiet: Die Wiener Secession – dieser Tempel elitärer Hochkultur – hatte bei ihrer Gründung 1897 eindeutig auch eine kommerzielle Komponente, wie Kurator Alfred Weidinger betont:

"Im Grunde genommen war die Secession nichts anderes als ein Kunstsupermarkt, also eine Galerie, in der jedes Kunstwerk – außer bei der Beethoven-Ausstellung – ein Preislabel gehabt hat. Und das ist natürlich ganz interessant. Und weil immer mehr Künstler gemerkt haben, dass die Secession verkaufsmäßig gut funktioniert, sind sie vehement dort eingedrungen, alle wollten dort ihre Bilder verkaufen. Und das ist aber letztlich dem Hoffmann und dem Klimt zu viel geworden, sodaß sie zusammen mit einer kleinen Gruppe gesagt haben: Dieser Kommerz geht zu weit, wir machen uns selbstständig, und dann sind sie ausgetreten."

Eines der Prunkstücke der Klimt-Hoffmann-Ausstellung im Belvedere ist der Eingangsbereich des "Palais Stoclet" in Brüssel, den man für die Wiener Ausstellung originalgetreu hat nachbauen lassen. Das Palais Stoclet, nach den Plänen Josef Hoffmanns für den belgischen Eisenbahnindustriellen Adolphe Stoclet 1911 erbaut, ist eines der Hauptwerke des europäischen Jugendstils. Gustav Klimt hat für den Speisesaal des Jugendstil-Juwels ein vierteiliges Fries gestaltet.

Agnes Husslein: "Niemand zuvor hat darüber nachgedacht, dass die Kunst auch den Alltag durchdringen soll. Das betraf das Kinderzimmer genauso wie die Garderobe, also die Qualität der Kleidung, das betraf das tägliche Leben, wie der Tisch gedeckt ist, wie man wohnen soll und so weiter. Bis hin zum Gemälde an der Wand."

Josef Hoffmann – ein Gentleman, wie er im Buche stand – und Gustav Klimt waren wenig auskunftsfreudig, was ihre Kunst betraf. "Wer über mich mich als Künstler etwas wissen will, der soll meine Bilder und sonstigen Arbeiten betrachten", erklärte Gustav Klimt einmal. Dazu besteht im Wiener Belvedere in den nächsten Monaten ausreichend Gelegenheit.


Schloss Belvedere: "Pioniere der Moderne: Gustav Klimt / Josef Hoffmann"