Zwei Herzen, die eins sind, reißen Gebirge nieder

Sarah Kazemy als Shireen Arshadi in "Sharayet - Eine Liebe in Teheran"
Sarah Kazemy als Shireen Arshadi in "Sharayet - Eine Liebe in Teheran" © picture alliance / dpa
Von Hans-Ulrich Pönack · 23.05.2012
Im vergangenen Jahr auf dem renommierten "Sundance Festival" gewann "Sharayet – Eine Liebe in Teheran" den Publikumspreis: ein prächtiger und kluger Unterhaltungsfilm.
Du bist jung, voller Elan, hast auch musikalisches Fieber im Blut, willst leben, willst Dich ausprobieren, willst Dein Leben genießen. Das Motto: Wir sind jung, also geben wir Gas. Aber das ist nicht so leicht hier im Iran. Du stammst zwar aus einem gutbürgerlichen, vergleichsweise komfortablen und liberalen Elternhaus, aber das "schützt" dich nun auch nicht mehr wie bisher, denn Du bist eine junge Frau,eine "wertlose" dynamische junge Ego-Frau.

Doch Atafeh Hakimi (Nikohl Boosheri), ebenso schön wie clever, akzeptiert dies nicht. Sie nutzt den vorgegebenen Freiraum und geht "heimlich" auf die Jagd nach der Lust und Vergnügen. Gemeinsam mit ihrer attraktiven Schulfreundin Shireen (Sarah Kazemy). Man "probiert", besucht illegale Partys, wo Kids beiderlei Geschlechts mit Musik, Sex und Drogen "experimentieren".

Dabei verlieben sich Atafeh und Shireen ineinander. Eine lesbische Beziehung im Iran? Die Moral-Polizei tritt auf den Plan. "Aufgeweckt" durch den in die Familie zurückgekehrten Bruder Mehran (Reza Sixo Safai). Der einst vielversprechende Musiker hat einen Drogenentzug hinter sich und sucht seinen Halt mehr und mehr im religiösen Fundamentalismus.

Überwacht in der geräumigen Wohnung, stasihaft von seiner eigenen Sippe, um eventuelle Unmoral "aufzudecken". "Manchmal müssen wir uns mit der Wirklichkeit abfinden", resigniert die Mutter. Der Vater, einst selber ein Revolutionär, der gegen das Schah-Regime kämpfte, sieht sich in der Defensive. "Du bestimmst über Deine Tochter, ich über meine Frau", gibt Sohn Mehrin die neue Richtung vor- als er Shireen "kauft", was Atafeh nicht mehr aushält.

George Orwell im Jahre 2010. "1984", der allgegenwärtige, mächtige "Große Bruder". Fundamentalistisch, aggressiv, zerstörend. Der Film basiert zum Großteil auf eigenen Erfahrungen der Drehbuch-Autorin und Regisseurin Maryam Keshavarz.. Mit ihrem Spielfilm-Debüt folgt sie einem persischen Sprichwort: "Zwei Herzen, die eins sind, reißen Gebirge nieder".

"Circumstance", wie der Film im Original heißt, wurde in Beirut, im Libanon, gedreht und ist eine faszinierende Gesellschaftsparabel auf den iranischen Mittelstand, der im Sommer 2009 von der sogenannten "Grünen Welle" der Opposition erfasst wurde.

"Circumstance" ist ein prächtiger und kluger Unterhaltungsfilm, besetzt mit einem überzeugenden Ensemble, aus dem die beiden weiblichen Hauptakteure in ihrem unangestrengten, feinfühligen körpersprachlichen Agieren herausragen.

Auf dem renommierten "Sundance Festival", wo der Film im Januar 2011 uraufgeführt wurde, erhielt "Sharayet –Eine Liebe in Teheran" den Publikumspreis. Wir hier sollten ihn – im derzeit angesagten übervollen Programmfieber – auf keinen Fall übersehen: Ein Außenseiter-Hit.

USA/Frankreich/Iran 2010; Regie: von Maryam Keshavarz, Darsteller: Nikohl Boosheri, Sarah Kazemy, Reza Sixo Safai, FSK ab 12 Jahren, Laufzeit: 105 Minuten
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