Zuwanderungsgesetz

Zu tiefe ideologische Gräben

Eine Schülerin mit Kopftuch aus der Türkei meldet sich im Unterricht am 10.06.2013 in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen)
Über die Einwanderungsfrage wird derzeit in allen Koalitionsparteien diskutiert. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Frank Capellan, Hauptstadtstudio  · 03.03.2015
Die SPD will Einwanderung nach kanadischem Vorbild mit einem Punktesystem regeln. Die Union hat darauf kritisch reagiert. Die ideologischen Gräben zwischen SPD und Union seien zu groß, kommentiert Frank Capellan, als dass die Große Koalition in der Zuwanderungsfrage eine große Aufgabe bewältigen könnte.
Deutschland ist kein Einwanderungsland. Genauso wenig wie der Islam zu Deutschland gehört. Mit den Fakten hat das zwar nicht viel zu tun, bei CDU und CSU aber ist diese Ansicht wohl mehr als mehrheitsfähig. Mit ihrem Bekenntnis zum Islam in Deutschland hat sich die Kanzlerin und CDU-Chefin zwar ungewohnt weit vorgewagt, damit aber auch den ungewohnt deutlichen Widerspruch des eigenen Fraktionsvorsitzenden provoziert.
Es ist also kaum damit zu rechnen, dass es Angela Merkel in der Einwanderungsfrage noch einmal riskieren wird, aus der konservativen Reihe zu tanzen.
Auf Volker Kauder jedenfalls ist Verlass: Noch ehe sein SPD-Kollege Thomas Oppermann heute seine Vorstellungen über ein Einwanderungsgesetz präsentierte, hatte der Unionsmann längst klargestellt: Wir brauchen kein neues Gesetz. Damit kann die SPD ihr Papier wohl gleich in die Tonne hauen. Aus den hehren Plänen, Deutschland noch vor den nächsten Wahlen zu einem echten auch gesetzlich sauberen Einwanderungsland zu machen, wird nichts werden. Dass Große Koalitionen dazu taugen könnten, große Aufgaben zu bewältigen, wird sich auch an der Zuwanderungsfrage nicht bewahrheiten: Die ideologischen Gräben zwischen SPD und Union sind einfach zu groß.
Zwar gibt es auch bei den Christdemokraten junge Abgeordnete, die sich offen für mehr Zuwanderung aussprechen, selbst Generalsekretär Peter Tauber hatte noch vor Oppermann ein neues Gesetz gefordert - von ganz oben aber sind sie bisher immer zurückgepfiffen worden. Je lauter die Pegida-Verwirrten Überfremdungsängste schüren, je mehr die AfD davon profitiert, desto heftiger fallen viele Konservative in die alte Das-Boot-ist-voll-Rhetorik zurück.
Sozialdemokraten reagieren auf Stimmungsmache
Das Gegenteil wäre richtig, und es ist gut, dass die Sozialdemokraten nun offensiv auf rechte Stimmungsmache reagieren. Mit einem Punktesystem wollen sie legale Einwanderung fördern: Wer Deutsch lernt, wer eine Ausbildung oder Berufserfahrung mitbringt, soll künftig gute Karten haben, in Deutschland bleiben zu können. Illegale Einwanderung hofft die SPD damit begrenzen zu können: Wer Aussicht hat, in Deutschland leben und arbeiten zu können, so das berechtigte Kalkül, wird sein Geld nicht für skrupellose Schlepper ausgeben, sondern lieber in Deutschkurse der Goethe-Institute investieren.
Wir brauchen Fachkräfte - sie will die SPD mehr als bisher umwerben. Die Akzeptanz für Zuwanderung könnte damit tatsächlich gefördert werden - in einem Deutschland, in dem allzu viele Menschen nicht einmal Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien willkommen heißen, kann von entsprechender Kultur wahrlich noch keine Rede sein. Allerdings stellen auch die Sozialdemokraten mit ihrem Konzept klar: Willkommen ist nur, wer uns auch nützt.
Selbst damit ist sie der Union nun aber schon mal einen wichtigen Schritt voraus. Die SPD entdeckt das Thema gerade, um sich von der Union abzusetzen. Dass Schwarz-Rot sich aufrafft, ein gemeinsames Einwanderungsgesetz zu verabschieden, kann sich derzeit niemand vorstellen. Es sei denn, Angela Merkel würde doch noch zu dem Schluss kommen, dass ihr ein Kursschwenk nutzen könnte - mit einem klaren Bekenntnis zu einer Tatsache, die die Zahlen längst belegen: Deutschland ist ein Einwanderungsland.
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