Zusammenleben

Mutter, Co-Vater, Kind

Von Ute Zauft · 29.01.2014
Nicht alle Alleinstehenden wollen auf ein Familienleben mit Kindern verzichten. Und so tun sich lesbische oder schwule Paare und Alleinstehende zu Eltern-Paaren zusammen.
Christine hält Gianni die Tür auf: Kurze Umarmung, dann tritt Gianni einen Schritt zurück und wirft einen liebevollen Blick auf Christines gewölbten Bauch. Es ist das Bild glücklicher Eltern, die Nachwuchs erwarten - nur dass Gianni und Christine kein Liebespaar sind. Gianni ist schwul, Christine lesbisch - gemeinsam erwarten sie ein Kind.
Christine setzt in ihrer kleinen Küche Teewasser auf. Gianni, gebürtiger Italiener, trinkt lieber Espresso. Als bei Christine der Entschluss reifte, eine Familie zu gründen, war sie noch mit ihrer damaligen Freundin zusammen. Als lesbisches Paar hatten sie keinen freien Zugang zu Samenbanken. Aber das war auch nicht das, was die beiden suchten: Sie wollten einen Mann, der als Vater präsent ist.
Christine: "Im Freundeskreis gab es dann heterosexuelle Männer, die vielleicht sogar in Frage gekommen wären, aber die entweder selber schon eine Familie hatten oder eine Familie gründen wollten und ich hatte immer so das Gefühl, unser Kind wäre dann schon Nummer zwei bei diesem Mann. Und das wollte ich nicht, ich wollte, dass das Kind auch seinen Vater hat für sich exklusiv. So, und dann kam eigentlich ziemlich schnell der Gedanke: 'Gut, dann suchen wir uns einen homosexuellen Mann.'"
Wo sie ihn kennenlernen sollten, wussten sie aber auch nicht gleich …
Christine: "Bei Aldi an der Kasse kann ich jetzt auch nicht sagen, Du siehst schwul aus, möchtest Du Vater werden, so das ist so ein bisschen schwierig."
Gianni und Christine haben sich in einem Internet-Forum für Menschen mit Kinderwunsch kennengelernt. Hier inserieren neben lesbischen Paaren auch heterosexuelle Single-Frauen, die auf der Suche nach einem Vater für ihr zukünftiges Kind sind - allerdings ohne Romantik: Bechermethode heißt das Stichwort für eine Zeugung ohne Geschlechtsakt.
Nachwuchs auch für Nicht-Liebespaare
Gleich beim ersten Treffen waren sie sich sympathisch, sagt Gianni. Dann kam die Kennenlern-Phase.
"Wir haben so die erste Hälfte des Abends über uns geredet, also Affäre, Liebesgeschichte, das normale Kennenlernprozess. Aber dann, die zweite Hälfte haben wir immer über unsere Vorstellung von einer Familie, passen wir überhaupt von unseren Vorstellungen von einer Familie, wie wir das Kind erziehen möchten und so weiter und sofort. Wir haben uns, ich glaube, über nichts gestritten."
Die beiden haben sich Zeit gelassen, nach einem Jahr waren sie dann bei Constanze Körner vom Regenbogenfamilien-Zentrum in Berlin Schöneberg - deutschlandweit die erste Beratungsstelle für homosexuelle Eltern.
Auf dem Fußboden stapeln Mädchen Bauklötze, während sich die Mütter angeregt unterhalten - einmal in der Woche findet ein offenes Treffen für Regenbogenfamilien statt. Im Raum nebenan berät Constanze Körner. Rechtlich gesehen ist der Fall von Gianni und Christine relativ einfach, sie haben sich für ein gemeinsames Sorgerecht entschieden - wie es bei verheirateten Paaren automatisch gilt.
Körner: "Das bedeutet, dass beide alle wichtigen Entscheidungen des Lebens von dem Kind gemeinsam treffen müssen und sich gegenseitig fragen müssen und nicht einfach wegziehen können, ungefragt, also jedenfalls nicht mit dem Kind wegziehen können. Und wenn eben einem Elternteil etwas passiert, dann ist klar, wo das Kind verbleibt."
Constanze Körner kennt die unterschiedlichsten Familienmodelle, doch vor allem drei Dinge sind ihrer Erfahrung nach wichtig, wenn sich zwei Menschen für Nachwuchs entscheiden, ohne ein Liebespaar zu sein: räumliche Nähe, damit das Kind ein stabiles soziales Umfeld hat; Zeit für gemeinsame Erlebnisse; und: die Eltern sollten sich mögen, auch wenn sie kein Liebespaar sind.
Körner: "Also ich glaube, dass bei den Kindern das mit der Liebesbeziehung ja mmh nur … also bis zu einem bestimmten Alter gar nicht so wesentlich ist, sondern es geht darum, dass es eine Geborgenheit, ein Vertrauen gibt. Und dann ist, glaube ich, alles schon gut, wenn die Atmosphäre stimmt."
Gut aufgeteilt
Zur Geburt hatte es Gianni gerade noch rechtzeitig in den Kreißsaal geschafft. Jetzt - vier Wochen später - liegt die kleine Mila auf seinem Bauch. Sie hat die schwarzen Haare ihres Vaters. Neben dem Sofa liegt ein Matratze: Gianni ist für die erst Zeit bei Christine eingezogen, damit sie sich gemeinsam kümmern können.
Christine: "Da haben wir uns ganz gut aufgeteilt: Ich mach' die Nacht, sie schläft bei mir und da sie da sehr unruhig ist und auf mir drauf schläft und noch nicht allein schlafen will, behalte ich sie so bis sechs, sieben, acht und dann gebe ich sie Gianni und dann kann ich noch mal ein bisschen in Ruhe schlafen ein paar Stunden."
Gianni steht auf, trägt Milla ins Badezimmer: Windel wechseln.
Gianni: "Na meine Kleine Und jetzt gucken wir, was wir heute gemacht haben. Olala! Brava, meine..."
Die drei wollen bald umziehen: In zwei nebeneinander liegende Wohnungen, die sie per Durchbruch verbinden können. Die Küche wird dann der Familienraum, gleichzeitig kann sich jeder zurückziehen. Wenn Christine nach der Elternzeit in ihren Job als Chirurgin zurückkehrt, müssen sie ihren Alltag gut organisieren. Sie arbeitet im Schichtdienst, er ist als selbständiger Theatermanager flexibler. Das Gute sei, dass sie bei ihrem Modell keine Zeit für sich als Paar einrechnen müssten, sagt Gianni und lacht. Und dennoch: Trotz der Rationalität ihrer Familiengründung spüren die beiden eine Bindung.
Gianni: "Wir sind sehr nah, viel näher als früher und ja natürlich, da ist diese kleine schreiende, nicht schreiende, wie sagt man?"
Christine: "Grunzende Taube."
Gianni: "Genau zwischen uns und ja, ne, so ist alles gut."
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