Zum Tod von Rupert Neudeck

"So lange da Elend ist, muss ich da sein!"

Der Gründer der Hilfsorganisationen Cap Anamur, Rupert Neudeck
Rupert Neudeck © dpa picture-alliance / Rainer Jensen
31.05.2016
Der Mitbegründer der Hilfsorganisationen "Cap Anamur" und "Grünhelme", Rupert Neudeck, ist tot. Er starb im Alter von 77 Jahren im Krankenhaus nach einer Herzoperation. Und bis zu seinem Tod setzte er sich unermüdlich für Menschen in Not ein.
Rupert Neudeck, der Mitbegründer der Hilfsorganisationen "Cap Anamur" und "Grünhelme", ist tot. Er starb im Alter von 77 Jahren nach einer Herz-OP im Krankenhaus.
Neudeck war lange Zeit Redakteur beim Deutschlandfunk in Köln. Christoph Heinemann, Leiter der Abteilung Aktuelles, arbeitete langjährig mit Neudeck zusammen. "Man kann Neudeck nicht verstehen, wenn man nicht zurückgeht in den Januar 1945", sagt er. Denn damals war Neudeck selbst auf der Flucht aus Westpreußen. Nur knapp verpasste die Familie die Wilhelm Gustloff - ein Lazarettschiff, das in derselben Nacht von einem sowjetischen U-Boot torpediert wurde, unterging und tausende Flüchtlinge in die Tiefe der eisigkalten Ostsee riss.

Das Schlimmste auf der Flucht ist die Hilflosigkeit

Bis heute gilt der Untergang der Gustloff als das schlimmste Schiffsunglück aller Zeiten, hier starben mehr als sechs Mal so viele Menschen wie beim Untergang der Titanic. "Das schlimmste auf der Flucht, das war nicht die Kälte, das war nicht der Hunger - für Neudeck war es die Hilflosigkeit der Eltern, der wichtigsten Bezugspersonen, die auf einmal nicht mehr wissen, wo es langgeht", erzählt Heinemann.
Rupert Neudeck war ein Workaholic, der nie ruhte: "So lange da Elend ist, muss ich da sein!", so beschreibt Heinemann ihn, der seine Projekte nie abgab, um seinen Ruhestand zu genießen, sondern der immer weiter machte. Sein Vermächtnis: "Es gibt keine Ausrede, nicht anzupacken, wenn Menschen in Not sind", so beschreibt Heinemann den ehemaligen Kollegen.
"Neudeck war ein Energiebündel, ein Intellektueller, der immer wissen wollte, was neu war", sagt Heinemann. "Und er wollte das auch immer ummünzen in Erkenntnisse für seine Tätigkeit." Dennoch sei er undenkbar ohne seine Frau Christel, der ruhende Pol in seinem Leben, und die ihm oft den Rücken freigehalten habe.

Erst kürzlich mit dem Erich-Fromm-Preis ausgezeichnet

Erst im vergangenen Monat war Neudeck mit seiner Frau Christel mit dem Erich-Fromm-Preis ausgezeichnet worden. Dabei würdigte Alt-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse das knapp 40-jährige ehrenamtliche Engagement zugunsten von Flüchtlingen. Im Stuttgarter Neuen Schloss sagte Thierse, er habe die Gründer von Cap Anamur und der Organisation Grünhelme für die Radikalität ihres Lebens und ihr Prinzip Hoffnung immer beneidet und bestaunt. Mit der Überschrift aus einem Interview mit "Publik Forum": "Wir wollten nicht alleine glücklich sein" könne auch das ganze Leben des Ehepaars beschrieben werden.
Der gebürtige Danziger Neudeck und seine Frau hatten 1979 mit dem Schriftsteller Heinrich Böll das Komitee "Ein Schiff für Vietnam" gegründet, aus dem 1982 das Komitee Cap Anamur/Deutsche Notärzte hervorging. Zwischen 1979 und 1982 holte die Organisation mit dem Frachter "Cap Anamur" vor der Küste Vietnams mehr als 11.000 sogenannte "boat people" aus dem Wasser.

Er promovierte über politische Ethik bei Sartre und Camus

Im April 2003 gründete Neudeck zusammen mit dem heutigen Vorsitzenden des "Zentralrats der Muslime in Deutschland", Aiman Mazyek, die Hilfsorganisation "Grünhelme". Sie bezeichnet sich parteipolitisch neutral, nationalitäts- und religionsübergreifend, tritt aber insbesondere auch für den Dialog zwischen Christen und Muslimen ein.
Der Theologe Neudeck promovierte über "Politische Ethik bei Jean-Paul Sartre und Albert Camus" und arbeitete bei der Funk-Korrespondenz und beim Deutschlandfunk. Geehrt wurde er unter anderem auch mit der Theodor-Heuss-Medaille, dem Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis, dem Erich-Kästner-Preis und dem Walter-Dirks-Preis.

"Weltbürger und prägende Stimme"

Zum Tod von Rupert Neudeck erklärte Dr. Willi Steul, der Intendant von Deutschlandradio: "Rupert Neudeck war ein Weltbürger, der als Kämpfer für Menschenrechte und als Journalist den Blick über den deutschen Tellerrand hinaus warf. Für den Deutschlandfunk hat Rupert Neudeck mehr als 20 Jahre lang hintergründig über das berichtet, was in der Welt passiert: über Auseinandersetzungen und Friedensgespräche, Freudentränen und humanitäre Katastrophen. Neudeck war immer mehr als neutraler Beobachter, er war eine prägende Stimme – als Journalist genauso wie als Menschenrechtsaktivist. Zahlreiche Menschen verdanken seinem Engagement ihr Leben, für viele Menschen war er ein moralischer Leuchtturm. Deutschlandradio trauert um einen großartigen ehemaligen Kollegen."
(tgs/om)
Mehr zum Thema