Zum Tod von Karl Dedecius

Begeisterung für die polnische Lyrik

Der greise Dedeciuslächelt milde. Hinter ihm sieht man unscharf weitere Menschen sitzen.
Der polnische Autor und Übersetzer Karl Dedecius am 28.11.2013 an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) beim Festaktes zur Gründung der Stiftung des "Karl Dedecius-Literaturarchives". © Patrick Pleul/dpa
Olaf Kühl im Gespräch mit Christine Watty · 27.02.2016
Er galt als der wichtigste Vermittler der polnischen Literatur in Deutschland: Karl Dedecius ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Der Übersetzer Olaf Kühl nennt ihn einen Grandseigneur, der nicht nur mit Texten, sondern auch mit Menschen gearbeitet habe.
Wenn man einen Blick auf seinen Lebenslauf wirft, dann ahnt man, wie enthusiastisch-überzeugt Dedecius gearbeitet hat. Denn zu Beginn übersetzte Dedecius neben seiner Tätigkeit als Versicherungsvertreter aus der Überzeugung heraus, dass die polnische Literatur aus der Nische heraus und entdeckt werden müsse. Seine großen Werke wurden zum Beispiel die 50-bändige "Polnische Biblithek", bei Suhrkamp erschienen, und auch, ein anderes Werk, das Deutsche Polen-Institut, das er 1980 gegründet hat.
Jetzt ist Karl Dedecius im Alter von 94 Jahren gestorben. Olaf Kühl ist Übersetzer aus dem Polnischen und Russischen und wurde 2005 mit dem Karl-Dedecius-Preis für seine Arbeit ausgezeichnet. Er traf Dedecius erstmals 1984 in Darmstadt am Polen-Institut:
"Es war ein ganz einschneidendes Erlebnis, ihn persönlich kennenzulernen. (…) Vor allem machte die Person einen ungeheuren Eindruck. Er war quasi so ein Grandseigneur, eine beeindruckende Persönlichkeit mit einer sehr klangvollen, tiefen Stimme, die sehr überzeugt und überzeugend auftrat. Und das ist schon was, wenn man einen lebenden Übersetzer sieht, der als Mensch schon so viel Eindruck macht, das stimuliert einen dann auch bei der eigenen Arbeit."

Philologen kritisierten seine Reime als zu schön

Als Übersetzer habe Dedecius den großen Ehrgeiz gehabt, "die Schönheit gerade der polnischen Lyrik (…) ins Deutsche zu retten. Er hat das wirklich sehr beeindruckend gemacht. Er hat sehr schön übersetzt, obwohl es später dann natürlich Philologen gab, die nachzuweisen versuchten, dass er immer alle Lyriker auf die gleiche Art übersetzt hat, dass er sie zu schön übersetzt hat, dass die Reime zu schön sind. Das ist aber die typische universitäre Kritik von Leuten, die oft nie versucht haben, etwas Eigenes zu übersetzen."
Kühl würdigte auch Dedecius' Verdienste als Brückenbauer zum Nachbarland Polen: "Dedecius hat mit großem Enthusiasmus die wichtigsten Autoren übersetzt und hat auch persönliche Freundschaften geschlossen mit ganz vielen Autoren. (…) Das war auch ein Bestandteil seiner Arbeit, dass er nicht nur mit den Texten gearbeitet hat, sondern auch mit den Menschen. Er hat die Menschen quasi nach Deutschland gebracht."
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