Zum Tod des Schauspielers Peter Kern

"Produktiver Querulant"

Der österreichische Regisseur Peter Kern bei der Berlinale im Februar 2015
Der österreichische Regisseur Peter Kern bei der Berlinale im Februar 2015 © picture alliance / dpa
Von Arnold Schnötzinger · 27.08.2015
Er spielte in Fassbinders "Faustrecht der Freiheit", bei Wim Wenders und Rosa von Praunheim sowie in Helmut Dietls "Kir Royal". Der schwergewichtige Wiener war einer der vielseitigsten und eigenwilligsten deutschsprachigen Schauspieler und Regisseure. Am Mittwoch ist Peter Kern in Wien im Alter von 66 Jahren gestorben.
Schon bei der zurückliegenden Berlinale war Peter Kern schwer angeschlagen. Ein paar Schritte zum Podium der Pressekonferenz seines Films "Der letzte Sommer der Reichen" hatten ihn derart außer Atem gebracht, dass er den Moderator bat, doch zuerst jemand anderem eine Frage zu stellen:

"Gönnst du mir noch ein bisschen Ruhe."

Auch wenn der Körper nachließ, im Geiste gab sich Peter Kern stets kämpferisch: ob 2009 gegen neonazistische und schwulenfeindliche Umtriebe wie in seinem Film "Blutsfreundschaft" oder 2002 als direkter Affront gegen einen US-amerikanischen Weltherrschaftsanspruch und die Umtriebe der Haider-FPÖ zugleich in der Polit-Satire "Haider lebt – 1. April 2021":

"Die Amerikaner lassen das Volk in dem Glauben, ihr ehemaliger Kanzler sei tot. Wir haben aber Informationen, dass Jörg Haider, gestützt von seinen Untertanen, im Untergrund lebt."

Und in seinem letzten film "Der letzte Sommer der Reichen" knöpfte sich Kern die Auswüchse eines außer Kontrolle geratenen Kapitalismus vor, wobei er vor allem die menschlichen Folgen für das Individuum, in diesem Fall eine erfolgreiche Konzernmanagerin, warnend zur Schau stellte:

"Es gibt kein Glück für reiche Leute. Wenn dann spielen sie es uns vor mit einer noch größeren Yacht, mit einem noch größeren Häuserkomplex und so weiter. Es ist alles nur ein Zeichen, ich bin eigentlich nicht lebensfähig: 'Aber schaut was ich habe – ihr habt nichts.'"

Der oft grelle Realismus, mit dem Peter Kern gesellschaftlichen Missständen zu Leibe rückte, sollte bewußt verstören, wirkte aber oft auch konfus und plakativ, manchmal gar unfreiwillig ironisch, kompromisslos und kokett zugleich. Seinen Anspruch an die Kunst formulierte Kern aber umso klarer:

"Die Kunst hat die Aufgabe die Wirklichkeit – und hat die Ahnung zu haben und muss scheitern dürfen in dieser Ahnung uns zu zeigen, wie das Leben lebenswert ist."
Schonungslos in den Anklagen und schonungslos gegen sich selbst

Begonnen hat Peter Kern seine Karriere beim Film als Schauspieler, etwa bei Rainer Werner Fassbinder in "Despair", "Faustrecht der Freiheit" und "Mutter Küsters Fahrt zum Himmel", auch Hans-Jürgen Syberberg, Peter Zadek, Wim Wenders und Werner Schroeter engagierten ihn. Sein Regiedebut gab Kern 1983 mit "Die Insel der blutigen Plantage." Die Schonungslosigkeit, mit der Peter Kern seine Anklagen gegen andere vorbrachte, bemühte er auch, wenn es um ihn selbst ging, etwa wenn er im Filmporträt "Kern’" von Veronika Franz und Severin Fiala seine eigene, enorme Leibesfülle kommentierte:

"Fett ist ja auch Anarchie. Sich so anzufressen ist ja auch ein Statement für diese Gesellschaft, für diese Leck-mich-am-Arsch-Gesellschaft, die von mir will, dass ich ganz schlank, dünn und angepasst bin."

Apropos Geld, Kerns Filme waren meistens Low-Budget-Angelegenheiten. Aus wenig Viel machen, das war in der Tradition des Autorenfilms ein ständiges Arbeitsprinzip, genauso wie permanente Apelle an die Kulturpolitik:

"Und ich hoffe auf Frieden in dieser Welt. Ich hoffe, dass die Menschen beginne zu denken. Aber dafür müssten wir mehr Geld in die Kultur stecken, das wir mehr Möglichkeiten haben vorzudenken.

Es sei ihm Zitat: "wurscht was die Leute über mich sagen". Mit dieser Haltung hat der Exzentriker Kern auch eine Art produktives Querulantentum kultiviert. Damit konnte er ziemlich unberechenbar und lästig, aber im selben Moment auch liebenswürdig sein.


Peter Kern sagte uns zu seinem 65. Geburtstag, er mache Filme, "um geliebt" zu werden. "Mit diesem Körper durch die Welt zu gehen, ist ja nicht leicht. Man spürt ja immer wieder die Ablehnung, das Wegdrehen." - Hier als kleine Hommage der Trailer seines letzten Films "Der letzte Sommer der Reichen":