Zum 80. Geburtstag von Vanessa Redgrave

Aktivistin, Schauspielerin, Weltstar

Die Schauspielerin Vanessa Redgrave beim Filmfestival in Cannes, 2016.
Die Schauspielerin Vanessa Redgrave beim Filmfestival in Cannes, 2016. © dpa / Hubert Boesl
Von Christian Berndt · 29.01.2017
Schon der Dramatiker Tennessee Williams bezeichnete sie als die größte lebende Schauspielerin. Und doch ist Vanessa Redgrave ihr politisches Engagement ebenso wichtig: Als Studentin demonstrierte sie gegen Atomwaffen, später engagierte sie sich als Unicef-Botschafterin.
"The Working Class must now prepare for the greatest battle in the whole of it’s history. The Working Class must built a mass revolutionary party to take power…"
Die Arbeiterklasse müsse sich auf den größten Kampf ihrer Geschichte einstellen, so Vanessa Redgrave. Die Kandidatin der revolutionären Arbeiterpartei spricht 1974 aufmunternde Worte zu ihren Parteigenossen - die britische Schauspielerin hat sich immer als Marxistin bezeichnet. Vanessa Redgrave gilt als bedeutendste, englischsprachige Schauspielerin, aber die Kunst war ihr nie wichtiger als ihr politisches Engagement - beides bekam sie quasi in die Wiege gelegt.
Am 30. Januar 1937 wurde sie in eine Schauspielerdynastie hineingeboren, ihr Vater, Michael Redgrave, war einer der berühmtesten britischen Schauspieler. "Als ich vier Jahre alt war, und mein Bruder zwei, spielten wir schon in Stücken, die sich der sechsjährige Nachbarsjunge ausgedacht hatte", erinnert sie sich. "Wir spielten vor zehn, zwölf Leuten und nahmen Halfpennies. Die sendeten wir an die Handelsmarine, die Lebensmittel durch die U-Bootblockade der Nazis nach Britannien brachte."

Durchbruch mit "Wie es euch gefällt"

Vanessa Redgrave zeigte schon hier gesellschaftliches Engagement. Ihr Vater war aktiver Sozialist, bei der Tochter erwachte das politische Interesse, als sie mit 18 Jahren auf die Schauspielschule ging. Damals, 1956, hätte sie begonnen wahrzunehmen, was in der Welt vor sich gehe. "Vor allem, als die britische Regierung ihre Bereitschaft erklärte, Atombomben auf Ost-Deutschland zu werfen. Deshalb schloss ich mich den vielen jungen Leuten und Intellektuellen an, die dagegen opponierten."
1956 unterbrach sie ihr Studium, um Ungarnflüchtlingen zu helfen und ging auf Anti-Atomwaffen-Demonstrationen. Aber ihre Karriere verlief glänzend. 1961 wurde sie Mitglied der Royal Shakespeare Company, mit "Wie es euch gefällt" kam der sensationelle Durchbruch. Im gleichen Jahr reiste sie nach Kuba. Zurück in England sang sie öffentlich für Castro, mit dem ihr eine Affäre nachgesagt wurde.
In den Sechzigerjahren fand sie Anschluss an den künstlerischen Aufbruch der Zeit. Mit Karel Reisz, einem Regisseur der Free-Cinema-Bewegung, drehte sie 1966 die schräge Gesellschafts-Satire "Protest", wofür sie in Cannes als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde.

Der Film "Blow Up" machte sie zum Weltstar

Dann drehte sie mit Antonioni "Blow Up" - der Film aus dem Swinging London machte sie zum Weltstar. Sie war künstlerisch und politisch höchst produktiv, dabei kam das Familienleben - wie sie selbst meinte – zu kurz. Ihre beiden Töchter aus den Ehen mit den Regisseuren Tony Richardson und Franco Nero wurden ebenfalls Schauspielerinnen, ihr Sohn Regisseur.
Ihre wichtigste Rolle spielte Redgrave eigener Ansicht nach als Widerstandskämpferin gegen Nazi-Deutschland in Fred Zinnemanns Film "Julia" von 1977. Die Rolle entsprach ihrem Anspruch an ein Kino der Wirklichkeit. "Ich bin mehr und mehr überzeugt davon, dass es so etwas wie Fiktion nicht gibt", sagt sie. "Es gibt nichts, was gesagt oder gedacht wird, das nicht seinen Ursprung in der realen Welt hat."
1978 bekam sie den Oscar als beste Nebendarstellerin in "Julia". Aber die Preisverleihung wurde überschattet von Protesten, weil sie die PLO unterstützt und einen Dokumentarfilm gedreht hatte, in dem sie mit PLO-Kämpfern und einer Kalaschnikow in der Hand tanzt. Ihre Dankesrede, in der sie die jüdischen Protestierer gegen sie als "zionistische Halunken" bezeichnete, brachte ihr Antisemitismusvorwürfe ein.

Ihre erste Regiearbeit: ein Film über Flüchtlinge

Obwohl sie gleichzeitig zum Kampf gegen Antisemitismus aufrief und danach in einem Film über das Mädchenorchester in Auschwitz spielte, erlitt Redgraves Karriere einen Dämpfer. In den Achtzigerjahren drehte sie viel Fernsehen, hatte aber auch Paraderollen, wie in James Ivorys "Die Damen aus Boston", wo sie kongenial eine feministische Vorkämpferin verkörperte. Mit ihrer minimalistischen Ausdruckskraft war sie prädestiniert für komplexe Charaktere. Auch Nebenrollen konnte sie mit kleinsten Gesten und ihrer einzigartig sonoren Stimme gravitätisch ausfüllen. In Filmen wie "Howards End" reichten wenige Auftritte, um ihre Figuren im Gedächtnis zu behalten. Es ist bezeichnend, dass sie den Oscar für eine Nebenrolle bekam.
Bis heute spielt sie und ist politisch aktiv. Zuletzt drehte die Unicef-Botschafterin in ihrer ersten Regiearbeit einen Film über Flüchtlinge, für die sie sich seit Jahrzehnten einsetzt. Vanessa Redgraves Wirken ist so aktuell wie eh und je. "Was mich mehr als alles andere erschreckt ist, dass alle unseren Regierungen - vor allem die britische - das Menschenrechtsgesetz missachten, das wir als Nation unterschrieben haben", sagt sie. "Das ist sehr schlimm."
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