Zum 80. Geburtstag von Peter Schreier

Ein erfülltes Sängerleben

07:26 Minuten
Der deutsche Sänger und Dirigent Peter Schreier posiert am 09.07.2015 in Dresden auf seinem Balkon, kurz vor seinem 80. Geburtstag.
Der Tenor Peter Schreier blickt zurück auf seine Auslandsreisen zur DDR-Zeit © picture-alliance / dpa / Sebastian Kahnert
Von Bettina Volksdorf  · 29.07.2015
Audio herunterladen
Sein musikalischer Werdegang begann für Peter Schreier als Sängerknabe am Dresdener Kreuzchor. Später wurde er zum bekanntesten Opernsänger der DDR und einer der gefragtesten Mozart-Interpreten seiner Generation. Auch als Bach- und Kunstlied-Interpret machte er sich einen Namen.
Musik: "O Du Fröhliche"
Diese Scheibe, 1975 produziert von VEB Deutsche Schallplatten Berlin, verkaufte sich in der DDR mehr als 1,4 Millionen Mal. Damit wurde Peter Schreier im Osten Deutschlands populär wie kaum ein zweiter Opernsänger; das Publikum mochte den freundlich-zurückhaltenden Tenor, der ohne jegliche Starallüren auskam und sich weltweit vor allem als Mozart-Tenor, exzellenter Kunst- und Volkslied-Interpret sowie als leidenschaftlicher Exeget der Evangelien-Texte in den Bachschen Passionsmusiken einen Namen machte.
Peter Schreier: "Die Matthäus-Passion braucht diese Opern-Erfahrung, weil ich auf dem Standpunkt stehe, dass der Evangelist eine absolut theatralische Figur ist, die die Handlung in die Hand nimmt, die im Ausdruck, in der Farbe, in der Dynamik all diese Möglichkeiten ausschöpfen kann, die den Evangelisten fast zu einer Opernfigur machen."
Diese Partie betrachtet Schreier rückblickend als Lebensaufgabe. Sie begleitete den Tenor, seit er dem Dresdner Kreuzchor angehörte, also seit seinem achten Lebensjahr. Damals war es Kreuzkantor Rudolf Mauersberger, der die besondere Begabung des Jungen früh erkannte und förderte. Wenn man diese Aufnahme von 1948 mit Schreier als Knabenalt hört, weiß man warum.
Musik: "Es wartet alles auf Dich!"
Musik von Rudolf Mauersberger, der den Kreuzchor damals in bester sächsischer Kantorentradition formte. Seine Vorstellungen prägten lange Zeit auch das Klangideal des jungen Peter Schreier:
"Er hat die Jungs ganz gezielt ausgesucht, dass sie klanglich und von der Stimmart in diesen Knabenchor-Klang passten: etwas metallisch, etwas unweiblich - ein ganz spezifischer Klang."
Die Kreuzchor-Zeit bezeichnet Schreier noch heute als seine prägendste Lebensphase: Hier erhielt er das handwerkliche Rüstzeug; verstand, seinen hellen, obertonreichen, lyrischen Tenor intonations- und höhensicher zu führen und zu fokussieren.
Erste steife Gehversuche auf der Opernbühne
Zugleich verstand er, dass es die Opernbühne war, auf der man sich als Sänger einen Namen machen musste, um Erfolg zu haben. Dass sich der etwas stämmige junge Mann darauf zunächst ziemlich steif bewegte - darüber kann Schreier sich heute amüsieren.
"Ich kam in die Hochschule und war natürlich ein vollkommen unbeschriebenes Blatt, was Opernliteratur betraf - und hab mich da am Anfang sehr, sehr schwer getan. Ich weiß noch: Der damalige Lehrer für dramatischen Unterricht, Erhardt Fischer, der sagte nach den ersten zwei Versuchen: 'Ach, weißt Du, lass es lieber! Geh wieder in Deinen Kreuzchor!'"
Musik W.A. Mozart -"Cosi fan tutte"
Peter Schreier als Ferrando in einer Aufnahme von 1967 mit der Staatskapelle Dresden und Otmar Suitner. Den Ferrando sang er blutjung in Dresden und Berlin, später in der ganzen Welt. Es war diese Rolle aus Mozarts "Cosi fan tutte", mit der Peter Schreier sich allmählich frei spielte von seinem Kreuzchor-Image. Regisseure wie Erhard Fischer, Heinz Arnold und Ruth Berghaus hatten ihren Anteil daran. Das war an der Berliner Staatsoper, wo man nach dem Mauerbau 1961 mit einem enormen künstlerischen Aderlass zu kämpfen hatte.
Zwei Jahre später wurde die Staatsoper für den jungen Tenor aus Sachsen künstlerische Heimat. Strategisch gesehen war es die richtige Entscheidung, denn bald schon hörten ihn auch Agenten aus dem westlichen Ausland. Was folgte, war eine Einladung zu den Salzburger Festspielen 1967.
Musik: W.A. Mozart - "Die Entführung aus de Serail", Salzburg 1967
Peter Schreier als Tamino – die Partie begleitete ihn jahrzehntelang, gleichwohl sie nicht zu den Lieblingsrollen des Sängers zählt. Und doch war es der Tamino, 1967 in der Nachfolge des völlig überraschend verstorben Fritz Wunderlich, die seine internationale Karriere wesentlich beförderte, auch wenn es gelegentlich Kritiker gab, die behaupteten:
"... dass seinen wohlgesetzten Tönen ein Schuss Sinnlichkeit fehle; dass ihm die Dresdner Kreuzchor-Vergangenheit nachhänge, und dass sein Timbre nicht weit von dem eines edlen Vikars liege."
Von Mozart zu Wagner
Damals arbeitete Peter Schreier vor allem daran, sein Rollenspektrum zu erweitern; dies jedoch stets im Rahmen seines Faches. Alsbald sang er einen umwerfenden Rheingold-Loge sowie den David in Wagners "Meistersingern" unter Herbert von Karajan.
Die internationale Opernwelt hatte der aus dem kleinen, sächsischen Gauernitz stammende Sänger rasch erobert; war seit den 70er-Jahren zudem als Dirigent erfolgreich.
Nicht zu vergessen sein Engagement für das Kunstlied. Schreiers Anspruch war und ist es, Liedtexte in ihrer inhaltlichen und musikalischen Bedeutung so zu durchdringen und zu gestalten, dass der Hörer begreifen kann, worum es im Kern geht. Dass er das jeweilige Lied en detail reflektiert, deklamiert, seziert, um es am Ende ohne jegliche Künstlichkeit zu interpretieren – das macht die Kunst von Peter Schreier aus.
Thomas Meining, Konzertmeister der Staatskapelle Dresden, erinnert die Zusammenarbeit der letzten Winterreisen-Einspielung von Peter Schreier mit dem Dresdner Streichquartett so:
"Was mich beeindruckt, ist seine Demut der Musik gegenüber, und gleichzeitig weiß er natürlich, dass er als Interpret ganz authentisch sein muss - das schafft er aber nur, wenn er ganz gewissenhaft arbeitet. Damit erreicht er die Menschen mitten im Herzen."
Mehr zum Thema