Zug um Zug zum Selbstbewusstsein

Von Jörg Taszman · 05.01.2010
Caroline Bottaro ist Tochter einer Deutschen und eines Italieners und wuchs in Frankreich auf. Weil sie mit Akzenten groß geworden ist, wollte sie für ihren Film "Die Schachspielerin" unbedingt Kevin Kline für die Rolle des Dr. Krüger. Der sagte zu - ein Besetzungscoup, über den sich die Regisseurin sehr freut.
Nur zehn Tage nach ihrer Geburt in Deutschland kam Caroline Bottaro nach Frankreich. Dort wurde sie sozialisiert und filmisch geprägt. Vom deutschen Kino bekommt sie viel zu wenig mit, wie sie offen zugibt, aber könnte sie sich auch vorstellen, einmal einen Film ganz in Deutschland zu drehen?

Caroline Bottaro: "Irgendwie ist mein Film schon ein deutsch-französischer Film. Er ist eine Koproduktion. Aber es ist eine interessante Frage, weil, die habe ich mir selber noch nicht ... Aber ich bin immer wie zu Hause in Berlin, und wenn es vorkommt, dass ich in Berlin drehen kann, das würde ich gerne ..."

In ihrem Debütfilm "Die Schachspielerin" dreht sich alles um die Selbstfindung von Hélène, einer jungen Frau aus einfachen Verhältnissen, die bei dem kauzigen Dr. Kröger putzt und eines Tages anfängt, aus ihrer klassischen Rolle auszubrechen, und auch die sozialen Grenzen überschreitet. Dr. Kröger reagiert zunächst verblüfft.

"Können Sie spielen?"
"Sie fragen, ob ich Schach spielen kann?"
"Ich spiele nämlich."
"Sie?"
"Zuhause habe ich ein elektronisches Schachbrett. Ich übe es in der Nacht ... Würden Sie mal mit mir spielen?"
"Wie bitte?"
"Allein schaffe ich es irgendwie nicht."
"Warum ausgerechnet Schach? Warum mit mir?"

Aber Hélène gibt nicht auf, bleibt hartnäckig und zielstrebig. Das imponiert Kröger. Die beiden fangen an, regelmäßig zu spielen, was im kleinen Dorf sofort zu Tratsch führt. Auch Hélènes Ehemann wird eifersüchtig. Dabei geht es nicht um eine klassische, vorhersehbare Liebesgeschichte. Den beiden Darstellern gelingt es gekonnt, nichts weiter als eine Annäherung zu spielen. Schach ist dabei mehr als nur Mittel zum Zweck, sondern auch eine echte Leidenschaft.

Sandrine Bonnaire gibt zu, selber nie Schach gespielt zu haben. Was aber wusste die Filmemacherin Caroline Bottaro über das Schachspiel?

"Wie ich dazu gekommen bin? Auch durch Coincidence … Zufall … nicht Zufall. Bertina Hendrich, die das Buch geschrieben hat, war meine Nachbarin in Paris, und ich bin die erste Person, die das Buch gelesen hat. Sie ist Deutsche, und sie hat das Buch auf Französisch geschrieben. Und sie wollte wissen, was ich von ihrer Arbeit denke. Und als ich das Buch gehabt habe, dachte ich, ach, das würde ein schöner Film ... Diese Frau, diese Evolution, das hat mich so interessiert ..."

Sandrine Bonnaire ließ sich sehr schnell von dem Projekt überzeugen, auch wenn es über fünf Jahre dauern sollte, bis Caroline Bottaro endlich die richtigen Produzenten gefunden hatte. Für die Rolle von Dr. Kröger hatte sie ganz konkrete Vorstellungen. Es sollte ein Ausländer sein, der im Französischen einen Akzent hat, weil Caroline Bottaro mit Akzenten aufwuchs und sie irgendwie mag. Und so versuchte man, den französischsprechenden Kevin Kline für die Rolle zu interessieren.

Caroline Bottaro: "Das war wirklich wie Weihnachten, weil Kevin hat einen Agent in Frankreich, und dem haben wir das Drehbuch geschickt, und am nächsten Tag hat er gesagt, ich liebe dein Drehbuch, ich schicke das gleich nach Amerika zu seinem Amerikaneragent. Am nächsten Tag hat der Amerikaneragent angerufen und gesagt: Ich liebe das Drehbuch und schicke es gleich Kevin. Vier Tage danach habe ich mitten in der Nacht einen Anruf gehabt: 'Allo. C'est Kevin Kline á l'appareil'. Und er hat zu mir gesagt, seit zehn Jahren hab ich nicht ein so eine schöne Geschichte gelesen, und ich bin ein großer Fan von Sandrine, und ich komme sehr gerne und spiele die Rolle. Und danach sind wir nach New York geflogen, und ich habe da einen Tag mit ihm verbracht. Das war auch wie Weihnachten."

Abgesehen von diesem Besetzungscoup harmonieren Sandrine Bonnaire und Kevin Kline gut miteinander. Der Amerikaner, den man vor allem aus "Ein Fisch namens Wanda" kennt, wo er den eifersüchtigen und durchgeknallten Bruder spielt, ist eigentlich ein sehr physischer und sehr präsenter Darsteller. In "Die Schachspielerin" nimmt er sich wohltuend zurück.

Auch das war eine Herausforderung für Kevin Kline, gibt Caroline Bottaro zu. Dank dieser internationalen Stars hat sich der Film weltweit ganz gut verkauft. Caroline Bottaro hat den Film öfter begleitet und bei den französischen Filmtagen in Tübingen dann auch erstmals vor einem deutschen Publikum gezeigt.

"Das ist das Wichtigste, jetzt, wo der Film fertig ist. Weil sonst sitzt man zu Hause und erfährt, heute waren so viele Menschen im Kino, gestern so viele, und insgesamt waren es so viele. Aber was ich am meisten liebe, ist es, wenn ich im Kino bin und ich höre, wie die Leute reagieren, und wenn auch eine Diskussion danach ist und die Leute mir sagen, was sie dabei empfunden haben, das ist für mich sehr, sehr wichtig."

Filme über Schach hat es immer gegeben. Oft jedoch ging es dabei eher um den kriegerischen Aspekt des Spiels. Die Feinheiten, die Strategien, die zum Schachspiel gehören, ließen sich oft nicht verfilmen. Caroline Bottaro traf sich vorab mit vielen Schachspielern, ging auch auf Turniere und sorgte dafür, dass ihre beiden Schauspieler mit Hilfe eines Coachs echte Partien spielten. Das sieht man diesem schönen Film auch an. Und so entstand ein modernes Märchen, das sozial verankert ist, eine gut beobachtete Studie über zwei Menschen, die sich gegenseitig bereichern.
Mehr zum Thema