Zu Ende ist alles erst am Schluss

01.02.2013
David Foenkinos erzählt in "Souvenirs" die Geschichte eines jungen Mannes, der durch Witz und Empathie zum Schriftsteller reift. Ein literarisches Roadmovie und eine kleine Weltkomödie.
Ein junger Mann ist seiner Pariser Familie überdrüssig und möchte Schriftsteller werden, weiß aber noch nicht, wie. Also beginnt er erst einmal eine Tätigkeit als Nachtportier in einem Hotel, fertigt Notizen an und begeistert sich für italienische Avantgardefilme. Die Inhaltsangabe einer prickelnden Story hört sich freilich anders an – déja vu, déja lu.

Nun gelingt dem 1974 geborenen französischen Schriftsteller David Foenkinos in seinem neuen Roman "Souvenirs" jedoch ein veritables Kunststück. Die Geschichte bricht nämlich bald aus dem eher schal erscheinenden Rahmen und wird zu einer kleinen Weltkomödie. Der Großvater des Ich-Erzählers stirbt, die Großmutter kommt in ein Altersheim (aus welchem sie alsdann flüchtet), der Vater wird pensioniert und die Mutter verabsentiert sich auf eine Russlandreise, während der unfertige junge Mann das Beste tut, was man in einer solchen Situation versuchen kann: Mangelnde Lebenserfahrung wird wett gemacht durch erhöhte Aufmerksamkeit. Nicht nur, dass er bei einem Besuch seiner Großmutter beizeiten etwas über die Endlichkeit unserer Existenz lernt; er erhält von der in ihre Normandie-Heimat ausbüxenden Greisin noch eine weitere Lektion: Zu Ende ist alles erst am Schluss, weshalb sich zuvor selbstmitleidige Larmoyanz verbietet.

Mag auch diese Konklusion etwas simpel erscheinen und gar in der Nähe Paulo Coelhos siedeln – der versierte Stilist Foenkinos entgeht der Gefahr, indem er sein literarisches Roadmovie immer wieder intellektuell flankiert. Erscheint bei manchen Fußnoten und eingeschobenen essayistischen Erörterungen auch das (unerreichte) Vorbild Milan Kundera allzu sichtbar – ein intelligentes Lektürevergnügen bietet "Souvenirs" dennoch. Die Empathie, welche der Ich-Erzähler und sein Autor für die Anderen entwickeln, anstatt lediglich um sich selbst zu kreisen, überträgt sich nämlich auch auf den Leser.

Denn mag die Welt tatsächlich ein absurder Ort sein – mit Aufmerksamkeit, Witz und lebenskluger Ironie lässt sie sich zumindest adäquat beschreiben. Nur dürfte daraus dann eben keine Masche werden. David Foenkinos, der letztes Jahr als Regisseur seinen Roman "Nathalie küsst" mit Audrey Tautou verfilmte, ist jedenfalls - ganz ähnlich wie sein Protagonist – erst auf dem Weg zu einem wirklich bedeutenden Romancier. Man möchte ihn jedoch weiter gern dabei begleiten.

Besprochen von Marko Martin

David Foenkinos: Souvenirs
Roman. Aus dem Französischen von Christian Kolb
C.H. Verlag, München 2012
332 Seiten, 17,95 Euro
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