Zinsmanipulation

Eine hausgemachte Finanzpanne

Ansgar Belke im Gespräch mit Nana Brink · 05.12.2013
Die EU-Kommission hat mehrere Großbanken wegen der Manipulation am Devisenmarkt verurteilt – darunter die Deutsche Bank. Seit Jahren gab es Auffälligkeiten im Handel, sagt der Volkswirt Ansgar Belke.
Nana Brink: Im Bankenjargon würde man sagen: Das war aber echt eine schlechte Performance. Erst gestern wurde die Deutsche Bank zur Zahlung von 725 Millionen Euro Strafe verdonnert, weil sie einen Leitzinssatz, den sogenannten LIBOR-Zins, manipuliert hat, immerhin eine Richtschnur für Kreditverträge. Zuvor kam heraus, dass gegen Devisenhändler in den internationalen Bankentürmen ermittelt wird: Sie sollen über Wechselkurse sich abgesprochen haben. Die Fälle haben eins gemein: Sie spielen in der Schattenwelt der Finanzmärkte, in den großen Börsen, wo tausende Händler hunderttausende Geschäfte machen in Sekundenschnelle. Und wir, also die normalen Bankkunden, stehen eher ratlos davor - wie auch bei jener Nachricht, die Europäische Zentralbank würde sogar Negativzinsen einführen, die die Banken dann an ihre ganz normalen Kunden, also an uns, weiterreichen könnten. Wieder stellt sich also die Frage: Warum haben die Banken so viel Macht? Ansgar Belke ist Volkswirtschaftler an der Uni Duisburg, zurzeit absolviert er ein Forschungssemester beim Internationalen Währungsfonds. Schönen guten Morgen, Herr Belke!
Ansgar Belke: Schönen guten Morgen!
Brink: Bleiben wir erst mal bei den Währungsmanipulationen: Über welches Ausmaß sprechen wir hier?
Belke: Nun, wir wissen, dass am Devisenmarkt täglich 4,7 Billionen Dollar gegenwärtig gehandelt werden, das heißt, um die 3,5 Billionen Euro, und Schätzungen besagen, dass die Fondsanlagen, die von der Manipulation betroffen sind, einen Wert haben von 3,6 Billionen Dollar - der größte Markt im Finanzsystem, allerdings auch der am wenigsten regulierte.
Brink: Wie kann das sein, dass dann solche Absprachen im Geheimen getroffen werden, auf die man erst jetzt langsam mit Ermittlungen stößt?
Vier, fünf Banken dominieren den Markt
Belke: Es scheint zunächst für uns alle überraschend zu sein, denn je größer und liquider ein Markt ist, umso schwerer sollte es eigentlich sein für die Marktteilnehmer, die Preise zu beeinflussen, weil es ja ein anonymer Mechanismus ist. Allerdings haben die Banker immer mehr einen Konflikt, dass sie Aufträge von Kunden ausführen müssen zum einen, da gut aussehen wollen, und zum anderen auch mit eigenen Transaktionen gewinnreich sein wollen. Und zum anderen findet ein Großteil des Handels gar nicht an Börsen statt, deshalb ist es schwierig, die Händler, die diese Vergehen vornehmen, eben wegen Manipulation zu verfolgen und letztlich zur Strecke zu bringen, denn der Devisenhandel wird nicht als Finanzinstrument klassifiziert. Eigentlich ist es verrückt, dass so ein wichtiger Preis für Devisen innerhalb von 60 Sekunden - wir reden hier von einem 60-Sekunden-Fenster, zu dem dann die Wechselkurse fixiert werden, in London, um vier Uhr nachmittags, meist am Monatsende -, dass man so schnell manipulieren kann. Der letzte Punkt ist vielleicht, dass viele große Banken, vier, fünf, den Markt dominieren und durchaus die Möglichkeit zur Absprache haben, kurz vor vier Uhr nachmittags über den Preis Absprachen zu treffen.
Brink: Wir kennen ja solche Absprachen, also ich zitiere jetzt mal den LIBOR-Zins. Sind denn die Kontrollinstanzen, also die Bankenaufsichten, dann machtlos, hinken immer einen Schritt hinterher hinter der kriminellen Energie dieser Spekulanten?
Belke: Ja, ein wichtiges Indiz, dass Sie recht haben, ist leider, dass diese Preissprünge, die wir vor vier Uhr, vor dem 4pm fix hatten, seit Jahren auffällig waren, unter Marktteilnehmern bekannt waren. Die Aufsichtsbehörden, das wäre die Londoner, die hier verantwortlich ist, die Financial Conduct Authority, arbeitet zwar willig mit Aufsichtsbehörden zusammen, um die Integrität von diesem Benchmark zu prüfen, allerdings kommt da wenig heraus.
Brink: Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe: Man hätte ja hingucken können, man hätte Auffälligkeiten sehen können und dann auch reagieren können.
Belke: Ja, es hat sogar wissenschaftliche Untersuchungen dazu gegeben, dass gerade die kurze Handelszeit, zu der der Wechselkurs fixiert wird, dass der zu spekulativen Geschäften einlädt. Im Grunde hätte man einschreiten können, denn man hat es seit Jahren beobachtet. Und die potenziellen Opfer sind die ganzen Kunden der Vermögensmanager, ich denke hier an Millionen von Anlegern, die Ersparnisse in Pensionsfonds zur Altersvorsorge stecken. Und der Kodex, den es hier gibt von großen Banken, … Ich erinnere mich an 2001, wo auch Barclays, J.P. Morgan, auch die Deutsche Bank dabei waren, beschlossen haben einen freiwilligen Verhaltenskodex für Händler im Devisen- und Geldmarkt - der ist eben freiwillig. Wenn Sie mit Experten reden, dann steht da zwar, dass es inakzeptables Handelsverhalten darstellt, aber das Ganze ist eben komplett freiwillig oder optional, so wie wir das nennen.
Brink: Aber Sie haben es in Ihren Ausführungen erwähnt: Der Leidtragende ist ja dann der ganz normale Kunde, also wir, wie zum Beispiel auch der Sparer. Und da kommt jetzt noch eine andere Geschichte heute zum Tragen, nämlich: Der Leitzins der Europäischen Zentralbank liegt ja mit 0,25 Prozent so tief wie nie, und jetzt hat die EZB sogar darüber diskutiert, erstmals in ihrer Geschichte einen Negativzins einzuführen. Und wieder ist der normale Bankkunde, also wir Sparer, der Gelackmeierte?
Wir werden bestraft für das Sparen
Belke: Ja, in jedem Fall, denn warum sollte eine Tugend wie das Sparen besteuert werden? Denn nichts anderes ist ja ein Negativzinssatz. Wir haben hier das Vorhaben, die Bargeldhaltung zu besteuern und hierdurch die Konsumenten zu zwingen, wieder mehr zu konsumieren, Konsumentenkredit zu nehmen, der sehr billig ist, nur werden wir hier ein Problem bekommen, denn die Banken werden nicht genügend Einlagen von Anlegern bekommen und deshalb die Einlagezinsen auch hochsetzen müssen. Insofern ist diese Lösung problematisch. Wenn dann auch die Sparneigung sinkt, weil wir ja bestraft werden für das Sparen, dann kann das Schwierigkeiten bringen für den Ausbau von Kapital in der Volkswirtschaft. Und dieses ist wiederum Treiber des Wachstums, und davon profitieren wir alle, wenn wir Altersvorsorge einlegen, dass wir Wachstum in der Volkswirtschaft und in den Anlagen in diese Volkswirtschaft haben.
Brink: Dann fragt man sich doch: Warum hat die EZB dieses Kalkül, also die Banken würden ihr Geld nicht bei ihr parken, sondern dann eher mehr Kredite zum Beispiel an Unternehmen ausgeben, um die Wirtschaft anzukurbeln? Das haben sie ja im Sinn. Das ist doch eigentlich dann in Ihrer Argumentation widersinnig.
Belke: Das ist in der Tat widersinnig, nur ist man im Moment verzweifelt, weil man anderes Pulver verschossen hat: Man hat den sogenannten Einlagezins, den die Geschäftsbanken bekommen, wenn sie Geld bei der Notenbank einlegen, bereits auf null gesenkt. Es ist die einzige Möglichkeit, vielleicht den geldpolitischen Mantel noch ein wenig expansiver zu stricken.
Brink: Halten Sie das für wahrscheinlich, dass die EZB einen Negativzins einführt?
Belke: Ich denke, man wird möglicherweise probieren, in Trippelschritten vielleicht den Einlagezins unter null zu senken. Man kann ja immer noch argumentieren, wenn er bei 0,1, 0,2 im Minus steht …
Brink: Also der Zins, zu dem Banken Geld dort parken können.
Belke: … - der Zins, zu dem Banken Geld parken -, dass sie damit eine kleine Strafgebühr auferlegt bekommen, man kann immer noch argumentieren, das entspricht dem Wert einer Versicherung, aber wie man hier aus der Diskussion in den USA mitbekommt, werden die Banken dann sehr schnell fordern, dass man alternative, sichere Anlagen zur Verfügung stellt, beispielsweise wie hier Staatsanleihen, nur das Ganze ist durchaus kontraproduktiv. Und es ist ganz klar, das weiß auch Mario Draghi, der Chef der EZB, dass kaum jemand bereit sein dürfte, zu diesem negativen Zins Geld zu verleihen. Und die Banken, wie gesagt, werden ein Problem bekommen, das Geld nur teurer verleihen, das kann also nur eine Notlösung letztlich sein.
Brink: Ansgar Belke, Volkswirtschaftler an der Uni Duisburg, heute tagt der Rat der Europäischen Zentralbank und diskutiert eben über jenen Negativzins. Das Gespräch haben wir aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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