Zika-Virus

Zusammenhang mit Fehlbildungen noch nicht bewiesen

Eine Stechmücke der Art aedes aegypti
Die Stechmückenart aedes aegypti ist Überträger des Zika-Virus. © picture alliance /dpa /Gustavo Amador
Christina Frank im Gespräch mit Dieter Kassel · 01.02.2016
Für einen Zusammenhang des Zika-Virus und schweren Schädelfehlbildungen bei Neugeborenen gibt es noch keinen gesicherten Nachweis. Darauf hat Christina Frank, Infektionsepidemiologin am Robert-Koch-Institut, im Deutschlandradio Kultur hingewiesen.
"Explosionsartig" – so beschreibt die Weltgesundheitsorganisation die Ausbreitung des Zika-Virus in Süd- und Mittelamerika. In einer Dringlichkeitssitzung will die WHO deshalb heute über die Ausrufung des globalen Gesundheitsnotstands entscheiden. Der Erreger steht im Verdacht, die Hirnentwicklung von über 4000 Kindern geschädigt zu haben. Tatsächlich bewiesen ist der Zusammenhang jedoch noch nicht, sagt Christina Frank, Infektionsepidemiologin am Robert-Koch-Institut.
Es gebe zwar im Moment wenig, was dagegen spreche, sagte Frank im Deutschlandradio Kultur. Dennoch müsse man vorsichtig sein: "Es kann immer noch sein, dass da wichtige Co-Faktoren eine Rolle spielen – dass man also die Zika-Virus-Infektion und etwas anderes braucht in der Schwangerschaft, um dann eben die Fehlbildungen daraus resultieren zu lassen." Ebenso bestehe die Möglichkeit, dass der Erreger überhaupt nicht verantwortlich sei, "sondern etwas, das zeitlich und örtlich irgendwie damit verbunden auftritt – und das Zika-Virus selbst ist unschuldig".
Die Ausrufung eines globalen Gesundheitsnotstands begrüßte die Epidemiologin. Die WHO könne dadurch auf vielen Ebenen unterstützend tätig werden, sagte Frank. So könne sie etwa in den betroffenen Ländern Trainings anbieten, helfen die Laborkapazitäten auszubauen sowie die Erforschung des Virus koordinieren. Frank: "Das ist so ein bisschen das, woran wir im Moment als Wissenschaftler alle leiden: Es gibt viel zu wenig Wissen über das Zika-Virus – und dazu braucht man eben Daten. Und die müssen erst mal gesammelt werden."

Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Eineinhalbmillionen Menschen sollen sich allein in Brasilien bereits mit dem Zika-Virus infiziert haben, ein Virus, das zu schweren Missbildungen bei Kindern schon im Mutterleib führen kann, und in weiteren 22 Ländern wurde das Virus bereits identifiziert. Die Weltgesundheitsorganisation WHO berät deshalb heute darüber, ob sie den globalen Gesundheitsnotstand ausrufen muss, offiziell auf Englisch heißt das Public Health Emergency of International Concern. Was das genau ist, und was die Ausrufung bedeuten würde, dazu jetzt bei uns Doktor Christina Frank. Sie ist Infektionsepidemiologin am Robert-Koch-Institut. Guten Morgen, Frau Frank!
Christina Frank: Guten Morgen!
Kassel: Wenn dieser Gesundheitsnotstand, wie ich ihn und alle anderen ja auch frei übersetze aus dem Englischen, wenn der ausgerufen werden soll, welche Kriterien müssen dafür eigentlich erfüllt sein?
Frank: Da muss ein ungewöhnliches Event vorliegen, und das ist, glaube ich, bei den großen Zika-Virus-Ausbrüchen in Süd- und Mittelamerika durchaus gegeben, wo die Experten jetzt eben den Director General der Weltgesundheitsorganisation beraten. Da geht es darum, inwieweit ist noch eine weitere internationale Ausbreitung zu befürchten, und ist es in dieser Situation hilfreich, wenn die Maßnahmen, die ja ergriffen werden müssen, jetzt international koordiniert werden. Und das wären Kriterien dafür, den Internationalen Gesundheitsnotstand auszurufen.
Kassel: Damit haben Sie es schon ein bisschen angedeutet, aber vielleicht noch etwas genauer: Wenn der ausgerufen wird, was passiert dann in Folge?
Frank: Das ermöglicht es der WHO halt, auf ganz vielen Ebenen unterstützend tätig zu werden, also zum Beispiel, dass sie Training anbietet in den betroffenen Ländern, dass sie – und das ist total wichtig – helfen würde, die Laborkapazität in den betroffenen Ländern auszubauen. Da geht es darum, die Mückenbekämpfung zu unterstützen, die ja teilweise eben auch schon angelaufen ist, aber an anderen Orten vielleicht noch nicht so sehr. Es geht darum, Surveillance-Systeme aufzubauen sowohl für die Infektion selbst als auch für mögliche Komplikationen, denn das ist so ein bisschen das, woran wir im Moment als Wissenschaftler alle leiden: Es gibt viel zu wenig Wissen über das Zika-Virus, und dazu braucht man eben Daten, und die müssen erst mal gesammelt werden. Und dann geht es auch darum, die Forschung – ich sage ja, es ist viel zu wenig bekannt –, die Forschung zum Zika-Virus zu koordinieren, damit nicht alle dasselbe machen und andere Punkte eben unbearbeitet bleiben, und dass man möglicherweise auch in der Behandlung der Infektionen beziehungsweise wenn es den Zusammenhang mit den Schädel- und Hirnfehlbildungen gibt, dass man da eben auch gemeinsame Empfehlungen entwickelt.
Kassel: Es ist gerade interessant, wie Sie es am Schluss noch mal formuliert haben, Frau Doktor Frank, nämlich, wenn es diese Missbildungen gibt. Genauso lese ich das auch in den ordentlichen, seriösen Meldungen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit dieser Virus dafür verantwortlich ist, und dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit von Mücken übertragen wird. Das heißt, selbst das steht noch nicht absolut fest?
Frank: Dass das Virus von Mücken übertragen wird, das steht fest. Die Frage ist, ob es möglicherweise auch noch zu einem kleineren Anteil auf anderen Wegen übertragen wird. Was die Frage des Zusammenhangs zwischen der Zika-Virusinfektion bei Schwangeren und dann den Hirnfehlbildungen bei den Neugeborenen angeht, das ist tatsächlich noch nicht bewiesen. Das, was wir da im Moment sehen, das ist durchaus suggestiv, es geht auch viel in dieselbe Richtung, es gibt im Moment wenig, was dagegen spricht. Aber man muss da dennoch vorsichtig sein, es kann immer noch sein, dass da wichtige Kofaktoren eine Rolle spielen, dass man also die Zika-Virusinfektion und etwas anderes braucht in der Schwangerschaft, um dann eben die Fehlbildung daraus resultieren zu lassen. Oder aber es kann etwas sein, und eigentlich nicht das Zika-Virus selbst, sondern etwas, was zeitlich und örtlich irgendwie damit verbunden auftritt. Das kann man im Moment eben noch nicht ausschließen.
Kassel: Die meisten Menschen haben den Begriff Zika-Virus das erste Mal vor ein, zwei, vielleicht die ganz Schlauen vor drei Wochen gehört – ist denn dieses Virus relativ neu oder zumindest erst seit relativ kurzer Zeit überhaupt bekannt?
Frank: Nein. Es ist in den 40er-Jahren entdeckt worden, und dann war es aber auch lange Zeit recht obskur. Es wurde immer mal wieder nachgewiesen, es sind aber keine größeren Ausbrüche in der Literatur beschrieben. Das hat sich erst 2007 geändert, da hat es auf einer mikronesischen Insel namens Yap einen durchaus explosiven Ausbruch, der dann auch ordentlich untersucht worden ist, hervorgerufen, und seitdem hat man es dann öfter gehört, und dann hat es eben 2013, 2014 Ausbrüche in Polynesien und anderen Pazifikinseln gegeben, und von da ist es dann offensichtlich 2014 nach Südamerika gekommen.
Kassel: Wo es ja nun insbesondere in Brasilien einen großen Ausbruch gegeben hat, so wie die Zahlen das bisher herauslesen lassen. Bedeutet das jetzt auch irgendwas für die Olympischen Spiele, die im Sommer stattfinden, oder sollte man generell jetzt von Reisen nach Brasilien abraten?
Frank: Letzteres würde ich nicht unterstützen. Es ist im Moment auch nicht nur Brasilien betroffen. Brasilien war letztes Jahr schon betroffen, ist dieses Jahr auch betroffen, aber eben auch über 20 andere Länder in Süd- und Mittelamerika. Und wichtig ist, dass Frauen, die schwanger sind oder jetzt in allernächster Zukunft schwanger werden wollen, nicht in die Gebiete reisen, wo die Zika-Virusinfektion umgeht, denn man kann im Moment eben überhaupt nicht ausschließen, dass eine Zika-Virusinfektion in der Schwangerschaft zu diesen Fehlbildungen führt.
Kassel: Das heißt aber, wenn ich als Mann da gestochen werde, passiert gar nichts?
Frank: Sie könnten krank werden. Die Zika-Viruserkrankung selbst ist offensichtlich eine nicht besonders schwere, viele Leute sind auch nur asymptomatisch infiziert. Inwieweit es die Möglichkeit einer sexuellen Übertragung gibt, ist noch sehr ungeklärt. Das kann man als Mann sozusagen riskieren, aber es ist natürlich auch kein schönes Urlaubsmitbringsel.
Kassel: Danke schön! Das war die Infektionsepidemiologin Doktor Christina Frank vom Robert-Koch-Institut über die Ausbreitung des Zika-Virus, die heute die Weltgesundheitsorganisation beschäftigt, die darüber entscheiden wird, ob sie deshalb einen sogenannten weltweiten Gesundheitsnotstand ausruft. Frau Frank, vielen Dank für das Gespräch!
Frank: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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